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VW Budd-e: Neues Elektroauto von VW ist eine Mogelpackung


Erste Ausfahrt mit dem Budd-e
VWs neuem Imageträger geht schnell der Saft aus

SP-X, Benjamin Bessinger

Aktualisiert am 25.01.2016Lesedauer: 5 Min.
VW Budd-e: Schmuckes Showcar ohne Chance auf eine Serienfertigung.Vergrößern des BildesVW Budd-e: Schmuckes Showcar ohne Chance auf eine Serienfertigung. (Quelle: Hersteller-bilder)
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Viel Strom für nichts - die eigentliche Technik und das Fahren im Elektroauto wird bei Volkswagen zur Nebensache. Erster Test mit dem elektrischen VW Budd-e.

Als Dzemal Sjenar mit seinem VW an der Tankstelle auftaucht, staunen die anderen Kunden nicht schlecht. Denn Sjenar sitzt nicht in einem Passat oder Jetta, wie sie hier zu tausenden durch Las Vegas fahren. Der VW-Ingenieur kommt im Budd-e, den sein Chef Herbert Diess gerade noch als Blech gewordenen Beweis für die Vision von "New Volkswagen" bei der Consumer Electronics Show (CES) auf die Bühne gefahren hat.

VW Budd-e: E-Auto fährt für Fototermin

Während die Messebauer die Kisten packen und den Transport nach Wolfsburg vorbereiten, hat er die Zeitmaschine angeworfen und den visionären Prototypen kurz in die Wirklichkeit entführt: Als wäre ein Ufo gelandet, rollt Sjenar deshalb jetzt mit seinem Raumschiff jenseits des berühmten Strips für ein paar Fotos vor der Skyline auf und ab.

Die abgelegene Tankstelle nutzt er allerdings nur zum Wenden und zwischendurch vielleicht für einen Kaffeestopp. Aber ganz sicher nicht zum Tanken. Denn der Budd-e braucht weder Diesel noch Benzin. Er fährt mit Strom. Schließlich ist er der Vorbote des ersten designierten Elektroautos von VW und bewirbt den Modularen Elektrifizierungsbaukasten (MEB), mit dem die Niedersachsen Tesla & Co Paroli bieten wollen.

Zwei Motoren und ein großer Akku sollen die Zukunft sein

"Diese Architektur wird uns helfen, Elektrofahrzeuge mit alltagstauglichen Reichweiten zu bezahlbaren Preisen zu entwickeln", sagt Projektleiter Sjenar und rattert stolz das Datenblatt seiner Studie herunter: Vorn ein E-Motor mit 100 kW/136 PS und 200 Newtonmeter Drehmoment, hinten einer mit 125 kW/170 PS und 290 Newtonmetern und dazwischen flach im Wagenboden ein Lithium-Ionen-Akku mit 92,4 kWh - das reicht für mehr als 500 Kilometer und für einen flotten Fahrstil: Immerhin beschleunigt der Budd-e in 6,9 Sekunden von 0 auf 100 und wird vom einstufigen Getriebe erst bei 180 km/h ausgebremst.

VWs Hoffnungsträger ist nur ein Papiertiger

In der Papierform kommt der Stromer einem alltagstauglichen Auto schon verdammt nahe. In der Praxis allerdings ist es damit noch nicht ganz so weit her. Zwar ist Sjenar stolz darauf, dass alles, was Diess in seiner Rede präsentiert hat, auch tatsächlich funktioniert. Doch obwohl der Projektleiter mit einem vergleichsweise großen Team ein Jahr lang an dem Konzept gearbeitet hat, ist der Wagen am Ende doch wieder auf die letzte Rille fertig und die finale Software erst nach der Landung in Las Vegas aufgespielt worden.

Aktuelle Technik gaukelt die Zukunft vor

Außerdem ist der MEB noch Zukunftsmusik, so dass sich Sjenar für das millionenschwere Schaustück im Hier und Heute aus dem Baukasten von E-Golf und Passat GTE bedienen musste. Und zu guter Letzt fährt man einfach ein bisschen vorsichtiger, wenn man um den Wert dieses Wagens weiß.

Deshalb nimmt man bei dieser Zeitreise brav das Tempo raus, rollt ganz vorsichtig über die schartige Asphaltpiste und fasst den Budd-e nur mit Samthandschuhen an. Außerdem schaut man ängstlich nach der Reichweite. Denn nach der Messe ist der Akku ziemlich ausgelutscht und die anderen Kollegen wollen schließlich auch noch eine Runde drehen.

Viel Show am Einzelstück

Dass dem Showcar so schnell der Saft ausgeht, liegt allerdings nicht nur an den kleinen Akkus des Einzelstücks. Schuld daran ist vor allem die spektakuläre Showtechnik, die Sjenar für den Auftritt auf der CES eingebaut hat. Denn gerade in Las Vegas kann man den Leuten ja nicht nur mit einem cooles Design und einem innovativen Antrieb kommen. Hier, wo die Nacht taghell erleuchtet ist, wo mehr Lampen funkeln als am Times Square in New York und größere LED-Screens hängen als irgendwo sonst auf der Welt, hier muss man sich schon ein bisschen mehr einfallen lassen.

Der Budd-e strahlt und leuchtet

Deshalb leuchtet und funkelt Budd-e bei seiner Tour durchs Industriegebiet mit seinem Kühlergrill aus LED-Konsolen und den umlaufenden Lichtleisten mit der Skyline um die Wette und strahlt von innen heraus so hell, dass die Jungs an der Tankstelle selbst kurz vor Mitternacht noch einmal nach ihren Sonnenbrillen greifen.

Ist das noch ein Auto oder ein rollender Computer?

Kein Wunder. Sjenar hat die Designstudie schließlich mit allem gespickt, was bei den Digital Natives ankommt und was die Nerds bei einer Computermesse glücklich macht. Wer begleitet von sphärischen Sifi-Sounds mit einer beinahe magischen Geste die Türen aufschwingen lässt, der blickt deshalb in ein komplett animiertes Cockpit mit aufwändigen 3D-Grafiken. Statt Knöpfen und Tastern gibt es Touchscreens und -pads mit haptischer Rückmeldung bis hinein ins Lenkrad. Und neben den Türen lassen sich auch viele weitere Funktionen mit einer weiterentwickelten Gestensteuerung abrufen.

Ab auf die Datenautobahn

Während man vorn in einem schlanken Cockpit sitzt und sich fühlt wie Captain Kirk im Kommandostand der Enterprise, lümmeln die Mitfahrer hinten in einer coolen Hightech-Lounge und starren auf einen 34 Zoll großen Flat-Screen, der die digitale Welt ins Auto holt. Dabei sind sie auch während der Fahrt im Budd-e immer online und nie isoliert.

Schließlich ist der VW von Morgen ein Knotenpunkt im so genannten Internet der Dinge und deshalb voll mit der digitalen Lebenswelt der Insassen vernetzt. Nicht nur Beleuchtung und Musikprogramm passen sich dann auf Wunsch automatisch den Strecken, der Umgebung oder den Vorlieben der Passagiere an.

Autofahren wird zur Nebensache

Selbst das Smart-Home hat man vom Budd-e aus immer im Blick. Man sieht aus der Ferne, wer daheim gerade an der Tür klingelt, man kann in den Kühlschrank schauen oder die Heizung einstellen. Und weil der Server auf Wunsch immer weiß, wo Budd-e gerade ist und wer daheim die Türe öffnen kann, taugt die Studie sogar als mobiler Briefkasten und hat dafür eigens eine ausziehbare Schublade im Heck, die ähnlich wie eine Packstation genutzt werden kann.

VW ist über das Ziel hinausgeschossen

Das zumindest sind die Phantasien, denen Sjenars großes Projektteam in der Studie eine Chance geben wollte. Allerdings sind sie dabei zum Teil auch ein bisschen über das Ziel hinaus geschossen. Nicht nur, weil manche Techniken wohl noch ein paar Jahre auf sich warten lassen. Auch, weil sie bisweilen im Dschungel der vielen Möglichkeiten offenbar die Orientierung verloren haben - warum sonst zum Beispiel flimmert ausgerechnet in einem Auto für Las Vegas die Werbung für die Casino-Stadt Reno über den Flatscreen im Fond?

Ob wird den Budd-e jemals wiedersehen?

Der Projektleiter hat für diese Lapsus nur ein Lächeln übrig und startet mit Budd-e zur letzten Runde. Als er wieder zur Tankstelle kommt und die Studie kurz vor dem Verladen noch einmal wendet, zücken die anderen Kunden ein letztes Mal Handys und klicken die Speicherchips voll. Zumindest dieses UFO werden sie wohl nie wieder sehen. Nur der Tankwart macht ein verdrießliches Gesicht. Denn wenn Sjenar Recht hat mit seiner Prognose und der Budd-e tatsächlich der Vorbote einer neuen Zeit ist, dann kann er seine Zapfsäulen bald umbauen.

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