Das Wiener Auktionshaus Dorotheum versteigert oft Alte Meister. Jetzt hängen Fahrräder an den Wänden. Sie stammen aus der erlesenen Sammlung eines Architekten. Darunter ist auch ein Rad mit Kufe statt mit Vorderrad. Sehen Sie die edlen Bikes auch in unserer Foto-Show.
Der einzige Kontakt des Wiener Auktionshauses Dorotheum zur Verkehrswelt waren bislang Versteigerungen von Oldtimern - auf vier Rädern. Nun hängen statt alter Meister 203 Fahrräder aus 70 Jahren Radgeschichte aus der Sammlung eines Wiener Architekten in den Räumen. "Für uns ist es eine Premiere", sagt Sprecherin Doris Krumpl im Vorfeld der heutigen Versteigerung. "Wir sind gespannt."
Die wohl erlesenste private Radsammlung
Ein Kleinrad aus Titan der legendären britischen Radfirma Moulton in Kooperation mit der US-Radschmiede One Off trägt die Nummer 31 - und ist ein Unikat: "Alex Moulton/One Off Moulton Special, Jahrgang 1991. Gewicht 9,6 Kilogramm". Rufpreis: 6000 Euro. Insgesamt 210 solcher Schätze hat der Wiener Architekt und Design-Freak Michael Embacher zehn Jahre lang gesammelt. Jetzt kommt die weltweit wohl erlesenste private Radsammlung unter den Hammer.
Auch wenn sich Sammler grundsätzlich nie leichten Herzens von ihren Objekten trennen, bleibt Embacher eher pragmatisch. "Räder sind für mich anarchische Wesen, eine Art Synonym für ungehinderte Freiheit. Deshalb gefällt mir die Idee, sie wieder freizulassen", wird Embacher im Auktions-Katalog zitiert.
Weitere Rad-Themen
Die Befreiungsaktion hat einen trivialen Grund. Das Haus, in dem Embacher arbeitet und auf dessen Dachboden er seine Räder in speziellen Ständern aufbewahrte, wurde verkauft. Der einstige Besitzer war ein höchst verständnisvoller, ehemaliger Schweizer Radrennfahrer. Nun musste sich Embacher für seine Sammlung eine neue Bleibe suchen. Diese Trennung samt der Mietkosten für eine Lagerhalle behagte dem Sammler nach eigenen Worten nicht. "Ich bin sonst einfach auf den Dachboden gegangen und habe mir eines zum Fahren rausgesucht", erzählt er.
Seltenes Rad ohne Sattel
Also wartet ein 1988 für Bahnrennen entworfenes futuristisches Bianchi-Karbon-Geschoss
ohne Sattelrohr (5000 Euro) genauso auf Interessenten wie eine fast ganz aus Plastik konstruierte schwedische Wilhelmina Plast (1984) - wie bei IKEA zum Selbstzusammenbauen. Bemerkenswert auch das Sironval Sportplex von 1939 aus Frankreich - ein Liegerad, von dem nur 200 Stück gebaut wurden (1500 Euro). Besonderer Gag ist ein "Eis-Bike" aus den 60er Jahren - es hat statt eines Vorderrads eine Kufe (300 Euro). Auf die Idee, Räder zu sammeln, kam Embacher ausgerechnet nach dem Besuch einer Sessel-Ausstellung. Fasziniert von der Vielfalt des im Grunde immer gleichen Aufbaus verlegte er sich aufs Rad. "Es wäre lässig, wenn man die Design-Vielfalt an einem Objekt zeigt, das von seiner Reduktion lebt", beschreibt er seine Motivation. Dazu kommt: "Ich bin ein leidenschaftlicher Radfahrer, auch wenn ich nicht ganz stromlinienförmig bin."
Sammler kenne seine Ausgaben nicht
Nach ersten Käufen im Internet half ihm ein eigenes Buch ("Smart Move") und eine selbst organisierte und von 20.000 Menschen besuchte Ausstellung im Wiener Museumsquartier zur Bekanntheit. "Von da an kamen die Leute, die seltene Räder zu verkaufen hatten, auf mich zu", sagt Embacher. Was er für seine Schätze ausgegeben hat, weiß er nicht - oder will es nicht wissen. "Ich habe mir extra keine Liste mit den Ausgaben gemacht." Sieben Exemplare will der 52-Jährige behalten. Sehen Sie Exemplare der Sammlung auch in unserer Fotoshow.