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Babysüchtig: Wenn Eltern der Babyzeit hinterhertrauern


Süchtig nach Babys
Wenn Mütter der Säuglingsphase ihres Kindes nachtrauern

t-online, Nicola Wilbrand-Donzelli

Aktualisiert am 31.10.2016Lesedauer: 4 Min.
Manche Eltern wollen nicht, dass die innige Babyzeit endet. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images)Vergrößern des BildesManche Eltern wollen nicht, dass die innige Babyzeit endet. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images) (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Kaum kann der Nachwuchs laufen, sehnen sich manche Mütter schon nach der "Babyzeit" ihres Sprösslings zurück. Obwohl sie eigentlich erleichtert sind, dass die Kleinen jeden Tag ein bisschen mehr flügge werden, würden sie trotzdem gerne die Uhr zurückdrehen. Das steckt hinter der "Babysucht".

Die 28-jährige Sonja ist stolz auf ihren Sohn. Der Dreijährige entwickelt sich prächtig - seit letztem Sommer ist er ein begeistertes Kindergartenkind. Dennoch: Immer wieder ertappt sich die junge Mutter dabei, dass sie wehmütig an die ersten Lebensmonate ihres Kindes zurückdenkt.

"Innige Zeit ist viel zu schnell vergangen"

"Ich finde es zwar toll, dass mein Kleiner jetzt schon ein ganz Großer ist und immer selbstständiger wird", erzählt Sonja. "Doch manchmal wünsche ich mir, dass er sich wieder zum süßen Baby zurückentwickelt. Es gibt doch nichts Schöneres, als so ein entzückendes Strampelpaket im Arm zu halten - mit der weichen, unwiderstehlich riechenden Haut, den großen Kulleraugen, den niedlichen Speckpolstern überall und dem zarten Flaum auf dem Kopf. Diese innige Zeit ist viel zu schnell vergangen."

Der Zwiespalt zwischen Bindung und Selbstständigkeit

"Bindung und Autonomie, also Loslösung, sind manchmal widerstreitende Instanzen im Menschen", erklärt die Sozial- und Diplompädagogin Renate Zwicker-Pelzer vom DGSF (Deutsche Gesellschaft für Systematische Therapie, Beratung und Familientherapie). "Manche Menschen erfahren leider erst durch das eigene Mutter- oder Vater-Sein die hohe Qualität von Bindung und Zugehörigkeit."

Es erfüllt, ein Baby versorgen zu dürfen

Dass die ersten Wochen und Monate im Leben eines neuen Erdenbürgers für dessen umsorgende Eltern nicht nur schön, sondern auch anstrengend sind, blenden Mütter wie Sonja aus. Sie verbinden im Rückblick nur Positives mit dieser aufregenden Phase und verdrängen dabei die unzähligen durchwachten Nächte, die ängstliche Unsicherheit bei den ersten Wehwehchen und die immensen Wäsche- und Windelberge.

So zählt vor allem das wärmende und erfüllende Bewusstsein, das kleine hilflose Menschlein rund um die Uhr liebevoll umsorgen zu können. Die Grundfesten für die tiefe innere Eltern-Kind-Bindung, die die wichtigste und stärkste im Laufe eines Lebens ist, werden jetzt gelegt.

Dem Neugeborenen sichert dieses Bonding das Überleben und die Bildung von Urvertrauen, während dieser "emotionale Sekundenkleber" Eltern so viel Stärke schenkt, dass sie in der Lage sind, für ihr Kind alles zu opfern - angefangen beim Schlaf, bis hin zur eigenen körperlichen Unversehrtheit in Notsituationen.

Die Kraft der Glücks-Hormone

Angetrieben wird die tiefe Liebe und die Verzückung über die eigenen Kinder - insbesondere bei Müttern - auch durch die Ausschüttung von Hormonen: Denn nach den Strapazen der Entbindung produziert der mütterliche Körper Oxytozin, ein Hormon, das ebenso beim Orgasmus für Glücksempfindungen sorgt und genauso beim Stillen gebildet wird.

Doch Oxytocin ist nicht die einzig Liebes-Chemikalie, die in Bezug auf Säuglinge den Rausch der Gefühle ankurbelt. Dopamine, die Hauptvermittler von euphorischen Glücksempfindungen spielen beim frühen Bonding zwischen Mutter und Kind ebenfalls eine wichtige Rolle.

Studien haben gezeigt, dass beim Halten, Wiegen oder Füttern dieser Stoff sowohl bei den Babys als auch bei den Mamas - das gilt übrigens gleichermaßen für Adoptivmütter - vermehrt produziert wird.

Wann die erste Abnabelung kommt

Sobald die Kinder aber größer werden und beginnen, beim Krabbeln und später beim Laufen mit etwa einem Jahr die Welt selbstständiger zu erkunden und ihre Kreise größer zu ziehen, empfinden nicht wenige Mütter diese wachsende Autonomie ihrer Minis als erste kleine Abnabelung.

"Bislang war die eigene Sinndefinition des Lebens voll und ganz auf das Kind gerichtet", so Expertin Zwicker-Pelzer. "Jetzt geht es um den sicher oft schmerzhaften Prozess, neue sinnstiftende Aufgaben und Herausforderungen zu finden. Die körperliche Verbundenheit und Nähe wird nachlassen. Das muss verkraftet werden. Und es braucht Zeit.“

Baby-Sehnsucht stillen

Um das Hochgefühl im Zusammenleben mit einem Baby oder Kleinkind weiter erleben zu dürfen, versuchen manche Eltern, schnell weiteren Nachwuchs in die Welt zu setzen.

So berichtet "Momster" in einem Elternforum: "Ich bin wohl babysüchtig und meine Hormone spielen gerade wieder verrückt. Ich hab nun schon drei Kinder, das jüngste ist gerade neun Monate alt. Aber ich würde am liebsten sofort nochmal schwanger werden. Noch lieber würde ich so einen kleinen Wurm geschenkt bekommen, ohne schwanger sein zu müssen."

Das Phänomen "Babysucht" beziehungsweise "Babysehnsucht" ergebe sich in der ersten Lebensphase aus der engen Bindung von Eltern zum Kind, weiß Diplom- und Sozialpädagogin Zwicker-Pelzer. Mütter berichteten ihr immer wieder, wie süchtig sie nach Stillen, nach der körperlichen Nähe zum Kind seien. Deshalb stillten manche Frauen besonders lang. Andere, so die Erfahrung der Expertin, würden ziemlich schnell wieder schwanger.

Experten-Tipps gegen Baby-Wehmut

"Diese große Sehnsucht hat aber auch etwas Rigides: 'Alles soll so schön bleiben, wie es ist'", kommentiert Zwicker-Pelzer. "Dabei altern Väter und Mütter mit dem Aufwachsen des Kindes selber. Diese Erkenntnis ist für manche Menschen bedrohlich. Sehnsucht ist Sucht nach Sinn und Leben, sie will immer wieder neu hergestellt werden. Sie bleibt nicht stabil, indem Eltern babyorientiert festhalten."

Wie aber können Betroffene mit ihrer Baby-Wehmut umgehen und gegensteuern? Hier empfiehlt die Expertin, sich eigene neue Ziele zu suchen, wie etwa die Rückkehr in den Job oder auch ehrenamtliches Engagement. Sie rät: Eltern sollten das Aufwachsen des Nachwuchses und sein Begreifen und Ergreifen der Welt über das Babyalter hinaus etwa in einem Tagebuch notieren.

Nicht melancholisch zurückblicken

Zudem sollten Mütter und Väter möglichst versuchen "gegenwärtig zu sein". Das könne gelingen, indem sie sich verstärkt auf das Hier und Heute mit ihrem Kind einlassen und alle neuen Entwicklungen - auch im Umgang mit anderen Menschen - möglichst bewusst miterleben und genießen, anstatt melancholisch zurückzublicken und alte Babyfotos anzuschauen.

Helfen könnten dabei auch sozialvernetze Aktivitäten wie Spiel- und Gesprächskreise mit anderen Familien oder Elterncafés, wo die Gelegenheit besteht, sich über seine Befindlichkeiten auszutauschen.

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