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Trotzphase: Wenn Kinder im Wutanfall ihre Eltern schlagen


Tobende und hauende Kinder in der Trotzphase

dpa-tmn, Simone Blaß; sca

Aktualisiert am 04.07.2019Lesedauer: 6 Min.
Schreiendes Kind: Eltern sollten Kindern nicht alles durchgehen lassen.Vergrößern des BildesSchreiendes Kind: Eltern sollten Kindern nicht alles durchgehen lassen. (Quelle: PHDG/Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Die kleine Isabelle, gerade drei Jahre alt geworden, brüllt wie am Spieß und gibt ihrer Mutter eine Ohrfeige. Die Mutter hatte ihr Milch eingegossen, das wollte sie lieber selber machen. In der sogenannten Trotzphase verteilen temperamentvolle Kinder probehalber auch mal Schläge und Tritte, um sich durchzusetzen.

Das Kind testet in der Trotzphase seine Macht aus und ist erstmal begeistert, welche Aufregung es bewirken kann. Gerade bei Kindern im Alter zwischen zwei und vier Jahren kommt es immer wieder vor, dass sie mit ihrer Wut im Bauch nicht klarkommen, diese dann sehr lautstark ihrer Umgebung kundtun und auch nicht davor zurückschrecken, Mama oder Papa zu hauen. Dieses Verhalten kann elterliche Nerven ungemein strapazieren.

Erste Autonomiebestrebungen

Der dänische Familientherapeut Jesper Juul sagte zu diesem Thema einmal: "Genauso gut könnte man vom Kinderstandpunkt aus sagen, dass Eltern trotzen – die Großen wollen einfach nicht so, wie die Kleinen wollen." Ein interessanter Gedanke. Es ist nicht einfach für ein kleines Kind, damit klarzukommen, dass die Eltern in manchen Momenten nicht das Gleiche wollen, wie es selbst.

Das Kind erkennt zunehmend, dass es ein selbstständiges Wesen ist, versucht, sich von den Eltern abzunabeln, testet die eigene Durchsetzungsfähigkeit und braucht trotzdem eine ganze Portion Sicherheit im Hintergrund. Unter anderem die Sicherheit, geliebt zu werden, auch dann, wenn Meinungsverschiedenheiten auftreten.

Hinzu kommt, dass es sich in dem Alter, in dem die Trotzphase in der Regel beginnt, verbal noch nicht so gut ausdrücken kann, was häufiger zu Missverständnissen zwischen ihm und der Umwelt führt. Wenn man sich diesen Hintergrund vor Augen hält, dann ist es leichter, einzusehen, dass der Zorn nicht gegen einen selbst gerichtet ist. Er ist Ausdruck eines Zwiespaltes. Wollen und Können stehen sich hier gegenüber.

"Ich will aber", "allein" und "selbst" sind die neuen Lieblingsworte

Leni ist vier. Und sie hat neue Schuhe. Die sie natürlich auch selbst anziehen möchte. Doch das klappt noch nicht so recht, denn sie schafft es nicht allein, die Schnürsenkel zuzubinden. Vor lauter Wut schmeißt Leni die teuren Schuhe in die Ecke und brüllt... Das kleine Mädchen ist an seine persönliche Grenze gestoßen und darüber ärgert es sich massiv. Dabei will es doch gerade jetzt alles möglichst alleine und selbstständig machen, möchte nicht mehr dauernd von den Großen abhängig sein.

Wenn man erst einmal verstanden hat, warum die neuen Schuhe gerade in die Ecke geflogen sind, fällt es einem leichter, mit Verständnis zu reagieren und dem Kind, sobald es sich beruhigt hat, anzubieten, das Schleifenbinden noch einmal zu üben. Und es darin zu bestärken, dass es bald selbst in der Lage sein wird, seine Schuhe allein zuzubinden.

Einfach zu peinlich

Manchmal ist ein solcher Trotzanfall aber auch einfach ein Austesten der eigenen Grenzen. Klassisch dabei ist die Situation an der Supermarktkasse, an der wohlweislich die Süßigkeiten in Kinderhöhe platziert sind: Lukas ist drei Jahre alt. Früher war es kein Problem, mit ihm einkaufen zu gehen, aber seit einiger Zeit gibt es regelmäßig Theater an der Kasse. Die Süßigkeiten haben es ihm angetan und das Nein seiner Mutter bringt ihn dazu, sich schreiend auf den Boden zu werfen und zu toben. So lange, bis Mama nachgibt, weil ihr die Situation einfach zu peinlich ist... Kaum ein Elternteil, das so etwas nicht kennt. Die Leute bleiben stehen, beobachten einen und halten manchmal auch mit weisen Kommentaren nicht hinter dem Berg. Was es einem noch schwerer macht, ruhig und vor allem konsequent zu bleiben. Doch das ist das A und O. Wer in einer solchen Situation dem schreienden Kind nachgibt, fördert die Wutanfälle und wird in kürzester Zeit wieder vor dem gleichen Problem stehen.

Nehmen Sie die Emotionen Ihres Kindes ernst

Klare Regeln vereinfachen das Miteinander. Allerdings dürfen es nicht zu viele sein, denn sonst fühlt sich das Kind zu stark bevormundet und reagiert gar nicht mehr. Sprechen Sie nur wenige, aber dafür für das friedliche Zusammenleben wichtige Verbote aus. Und bleiben Sie bei diesen konsequent. Gelassenheit und Ruhe sind die beste Reaktion auf Trotz. Doch an manchen Tagen geht das nicht, da ist man selbst nicht in der Lage, entspannt zu reagieren. Dann ist es am besten, die Situation aufzulösen.

Im Supermarkt kann das bedeuten, das tobende Kind schweigend unter den Arm zu nehmen und mit ihm an einen ruhigeren Ort zu gehen, wo es sich in der Regel meist von selbst schnell beruhigt. Zuhause kann man auch mal den Raum verlassen. Allerdings sollte man das dem Kind auch vorher mitteilen. Und ihm sagen, dass es jederzeit zu einem kommen könne, wenn es sich beruhigt hat. Denn vor allem nach einem Wutanfall ist das Bedürfnis nach Zuneigung und Aufmerksamkeit besonders groß.

Wenn Kinder Eltern hauen

Manchmal gehen die Machtproben noch weiter und temperamentvolle Kinder verteilen Schläge oder Tritte. Für viele Eltern ist das besonders schwierig, weil sie sich damit persönlich angegriffen fühlen. Die Kinder- und Jugend-Psychologin Dr. Eva Busch rät: "Sie müssen sofort ernst, aber gelassen klarmachen, dass Sie Schläge nicht dulden. Also laut und bestimmt 'Nein' sagen, dem Kind in die Augen schauen und seinen Arm festhalten." Auch für Kompromisse seien Kinder aufnahmebereit, sie könnten auch eine Regel wie "Lieber laut reden statt treten" schon verstehen.

Selbstständigkeit fördern

Wenn das Kind weiß, dass es, egal welches Theater es macht, zum Beispiel an der Supermarktkasse keine Süßigkeiten bekommt, so wird es über kurz oder lang sein Verhalten aufgeben und das Einkaufen wird wieder reibungslos klappen. Besonders dann, wenn das Kind eine eigene Aufgabe bekommt und aktiv selbst mit einkaufen darf. Kleine Aufträge fördern die Selbstständigkeit und geben dem Kind das Gefühl, auch alleine etwas zu schaffen.

Manche Eltern bleiben vorerst verschont

Es gibt auch Kinder, die die klassische Trotzphase nicht erleben. In der Regel allerdings kommt der Ablösungsprozess dann verstärkt zum Schuleintritt. Auch hier trifft der Wunsch nach Selbstständigkeit und Freiheit massiv mit dem Wunsch zusammen, sich von den Eltern noch beschützen zu lassen. Eigentlich geht es hier gar nicht um Widerstand, sondern darum, sich abzulösen und selbstständig zu werden. Und das ist ein schwerer Prozess. Für beide Seiten.

Ruhig und gelassen bleiben

Bleiben Sie bei einem Wutanfall ruhig und gelassen, auch wenn es schwerfällt. Das beendet ihn am schnellsten und Sie haben dann, wenn das Kind sich wieder beruhigt hat, die Möglichkeit, mit ihm zu reden. Vermeiden Sie dabei aber endlose Vorträge. Formulieren Sie lieber Ihre Grenzen klar und deutlich und reduzieren Sie das Wort 'Nein' auf Ihnen wichtige Dinge, bei denen Sie dann aber auch konsequent bleiben.

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Bereiten Sie Ihr Kind vor

Lassen Sie dem Kind genügend Zeit, sich auf eine Situation einzustellen. Wenn es zum Beispiel spielt und Sie wollen gehen, dann warnen Sie es vor. Sagen Sie ihm, dass Sie in zehn Minuten gehen möchten und fordern Sie es nach fünf Minuten freundlich auf, jetzt zum Schluss zu kommen. Dann aber sollten auch Sie sich an die Verabredung halten und nicht noch ein weiteres Pläuschchen mit der Nachbarin führen. Denn Regeln sollten für alle Familienmitglieder gelten. So erziehen Sie durch ihr eigenes Vorbild.

Ein ganz natürliches Verhalten

Wenn das Kind trotzt und einen in eine peinliche Situation bringt, dann kann das zweifelsohne auch dazu führen, dass man selbst wütend wird. Es ist in Ordnung, wenn das Kind das spürt, allerdings sollte man sich nicht von ihm abwenden, es abwerten oder gar bedrohen. Und auch nicht nachtragend sein. Besser ist es, sich vor Augen zu führen, dass es sich um ein ganz natürliches Verhalten handelt, das zur Entwicklung des Kindes beiträgt und von dem es etwas lernen kann. Es macht jetzt Erfahrungen, die es später im Leben weiterbringen können. Konfliktsituationen gehören zum Leben dazu genauso wie die Tatsache, dass es wichtig ist, zu wissen, wie man seine Gefühle am besten ausdrückt und wie man Kompromisse findet. Ohne sich schreiend auf den Boden zu werfen.

Kinder nicht immer gewinnen lassen

Spiele mit vielen Regeln verlangen Kindern einiges ab: Ausdauer, Geduld und eine gewisse Frustrationstoleranz sind gefragt. Gleichzeitig sind Spiele eine gute Möglichkeit für Kinder, diese Fähigkeiten zu schulen. Eltern sollten deshalb gelassen bleiben, wenn das Kind vor Wut mal die Karten hinwirft oder aufs Spielbrett haut. "Das ist ganz normal. Andersherum ist es aber auch keine Lösung, das Kind immer gewinnen zu lassen – nur damit es keinen Wutausbruch bekommt", sagt Dana Mundt von der Online-Beratung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung.

Wie reagieren Eltern aber, wenn das Kind beim Spielen dauernd schummelt? "Ab und an kann man da sicherlich mal ein Auge zudrücken", sagt Mundt. Grundsätzlich sollten sie dem Kind aber immer wieder erklären: "Wenn du schummelst, spiele ich nicht mehr mit dir." Die meisten Kinder seien ab etwa zwei Jahren in der Lage, einfache Regelspiele wie bei Memory zu lernen.

Auf keinen Fall sollten Erwachsene die Strategie wählen, Kinder fürs Regelneinhalten zu belohnen. "Denn dann erwarten Kinder auch später bei jedem fairen Spiel eine Belohnung."

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