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Jungen & Mädchen: Der 'kleine Unterschied' und seine Auswirkungen


Jungen & Mädchen
Der "kleine Unterschied" und seine Auswirkungen

t-online, Simone Blaß

31.10.2011Lesedauer: 5 Min.
Warum Mädchen Herzchen mögen und Jungen noch alles "doof" finden.Vergrößern des BildesWarum Mädchen Herzchen mögen und Jungen noch alles "doof" finden. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Mädchen sind brav und bringen gute Noten nach Hause, Jungs sind wild und zumindest schulisch gesehen meistens Sorgenkinder. So oder ähnlich war der Tenor der letzten Jahre. Doch inzwischen beginnt man umzudenken, die Perspektive zu wechseln. Man weiß, es gibt entscheidende Unterschiede zwischen Jungs und Mädchen, die auch wissenschaftlich erklärbar sind. Man weiß aber auch, dass alte Vorstellungen von "typisch männlich" oder "typisch weiblich" lang überholt sind. Was viele Eltern und Lehrer noch nicht wissen, ist, wie man auf die veränderten Umstände reagieren soll.

Mädchen bekommen mehr Vorbilder geliefert

Unsere Jungs sind - Elternzeit hin oder her - in ihren ersten Lebensjahren hauptsächlich von Frauen umgeben. Da sind auf der einen Seite die vielen alleinerziehenden Mütter beziehungsweise die, die alleinerziehend verheiratet sind, weil ihre Männer in anderen Städten arbeiten. Auf der anderen Seite ist da die Überzahl an weiblichen Erziehern und Lehrern. An sich nichts Schlimmes, das Problem ist nur, dass Mädchen es mit den weiblichen Vorbildern leichter zu haben scheinen. Und zwar einfach deswegen, weil sie eher eine gemeinsame Ebene finden, was Sprache und Interessen angeht.

Natürlich kann man nicht alle über einen Kamm scheren, aber im Allgemeinen lässt sich schon sagen: Jungs sind lauter und fordernder. "Dass es Unterschiede gibt, das weiß man, kann man auch im Alltag dauernd beobachten. Woher diese Unterschiede allerdings wirklich kommen, das kann man trotz zahlreicher Untersuchungen zu diesem Thema bisher nicht sicher feststellen", erklärt der Diplom-Psychologe Ulrich Gerth. Ist das Verhalten genetisch bedingt oder ist es anerzogen? Welche Rolle spielen Gehirn und Hormone? Gibt es vielleicht noch ganz andere Faktoren, die wir bisher nicht richtig bedacht haben? Das sind die Fragen, die sich die Wissenschaftler seit Jahren stellen.

Die Gehirne von Jungen und Mädchen arbeiten unterschiedlich

Jungs haben einen größeren Bewegungsdrang, sind impulsiver, haben ein anderes räumliches Vorstellungsvermögen und lieben das Kräftemessen. Die Ursachen, so sagen die Evolutionspsychologen, liegen in grauer Vorzeit: Männer jagen und kämpfen, Frauen sammeln und pflegen soziale Kontakte. Was die meisten von ihnen auch heute noch gerne machen. Auch Gehirnforscher bestätigen die Unterschiede zwischen männlich und weiblich.

Schon vor der Geburt entwickeln sich die Gehirne anders, was an der Konzentration des Hormons Testosteron liegt. Dazu erklärt Reinhard Winter, Autor des Buches "Jungen - eine Gebrauchsanweisung". "Im Durchschnitt hat dies zur Folge, dass das Jungengehirn im Vergleich zu dem von Mädchen etwas weniger gleichmäßig abgestimmt ist. Es harmonisiert weniger und geht leichter ins Extrem. Vielleicht sind Jungs auch deshalb bisweilen impulsiv." Eine Tatsache, die auch Ulrich Gerth bestätigen kann: "Oft ist es schon so, dass Jungs sich stärker und vor allem unmittelbarer zum Ausdruck bringen, sie sind meist weniger vorsichtig und auch direkter", so der Vorsitzende der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke).

"Was Mädchen mit der Sprache machen, machen Jungs eher in ihrem Verhalten. Gefühle und Wünsche in Sprache fassen, gut verhandeln, das ist wirklich eher Mädchensache." Doch auch hierfür findet die Wissenschaft eine Erklärung: Die beiden menschlichen Gehirnhälften sind durch das Corpus callosum, vereinfacht gesagt eine Ansammlung von Nervenfasern, miteinander verbunden. Bei Frauen allerdings ist diese Verbindung deutlich ausgeprägter. Was zur Folge haben könnte, dass sie deswegen sprachbegabter sind, weil sie beim Reden Gefühle (rechte Gehirnhälfte) und Vernunft (linke Gehirnhälfte) gleichermaßen zu Wort kommen lassen. Aber auch das ist bis jetzt nur eine Vermutung.

Eindeutig männlich oder weiblich - das gibt es nicht

Jeder von uns kennt mindestens einen weiblichen Wildfang und einen Jungen, dem das Ausmalen in der ersten Klasse viel Spaß bereitet hat. Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass die Persönlichkeit in gleichem Maß von den Genen und der Umwelt beeinflusst ist. Wobei hier die soziale Verstärkung durch andere, auch außerhalb der Familie, eine wichtige Rolle spielt. Mit zunehmendem Alter natürlich mehr und mehr. Versuche haben gezeigt, dass Eltern ihren Töchtern mehr vorlesen und überhaupt mehr mit ihnen reden, mit ihren Söhnen dafür eher toben und sich im Wettkampf messen. Aber auch hier weiß man nicht, ob die Eltern unbewusst den verinnerlichten Rollenbildern folgen oder ebenfalls unbewusst auf die unterschiedlichen, vom Kind signalisierten Bedürfnisse der Geschlechter eingehen. Und dabei immer schwören würden, dass sie ihre Söhne genauso behandeln wir ihre Töchter.

Weg vom Sorgenkinder-Image

Grundsätzlich kann man sagen: Jungs müssen aus der Sorgenkinderrolle herausgenommen werden und Mädchen brauchen mehr Selbstbewusstsein im Wettbewerb. Es gibt den Verdacht, dass Lehrer ihren männlichen Schülern in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern eine höhere Kompetenz zuweisen. In sprachlichen Fächern allerdings eine geringere. Und andersherum. Und nicht selten greift hier das Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeiung. "Doch es gibt auch hierzu unterschiedliche Stellungnahmen von Pädagogen und Psychologen", erklärt die Diplompsychologin Elka Stradtner. Sie leitet die schulpsychologische Beratungsstelle der Stadt Nürnberg und könnte sich vorstellen, dass ein nach Geschlechtern getrennter Unterricht eine Möglichkeit sein könnte, Mädchen und Jungen weniger Vorurteilen zu begegnen. Allerdings nicht uneingeschränkt. "Eine fachbezogene Trennung könnte durchaus Sinn machen. Grundsätzlich denke ich aber, dass die Schüler von einem gemeinsamen Unterricht mehr profitieren. Denn schließlich gilt es auch, den Umgang und die Kommunikation miteinander zu lernen. Mädchen haben einfach andere Kommunikationsformen. Meinungsverschiedenheiten werden eher verbal ausgetragen, manchmal sogar subtil verletzend, während die Jungen Konflikte ausagierend bearbeiten."

Heute sind es die Jungen, früher waren es die Mädchen

Der Blick auf das Schwierige, das Problematische fällt uns oft deutlich leichter als der auf Stärken und Kompetenzen. Beim Thema "Jungen" wird das in letzter Zeit besonders deutlich. Da gibt es die "armen Jungs", die zum Beispiel nicht in unser Schulsystem passen und dadurch Probleme bekommen und es gibt die "schlimmen Jungs", die anderen Probleme machen. Natürlich gibt es die, aber es gibt auch zahlreiche andere. Jan-Uwe Rogge bringt die Sache in einem Zeitungsinterview auf den Punkt: "Manchmal nervt mich dieses Lamentieren über die benachteiligten Jungen. Vor 30 Jahren waren es noch die benachteiligten Mädchen."

Jungs brauchen klare Ansagen, Mädchen manchmal auch

"Dieses fast schon weinerliche Gejammer mancher Pädagogen hilft niemandem weiter", meint der bekannte Erziehungsexperte. "Jungen sind im klassischen und durchaus guten Sinne rabiater. Sie wollen Klarheit, wollen klare Ansagen, nicht nur von ihren Freunden, auch von Eltern und Lehrern. Sie brauchen Persönlichkeiten, an denen sie sich reiben können." Ähnlich sieht das auch Dr. Reinhard Winter. Der Diplompädagoge engagiert sich seit Jahrzehnten in der Jungenforschung und er weiß: "Entsprechend unvollständig sind die Wahrnehmung von Jungen und die Diskussion über sie. Ihre hellen Seiten, ihre Kompetenzen, ihr Sich-Weiterentwickeln, das Lebendige, Kreative, Starke oder Tolle bei Jungen werden dann kaum wahrgenommen oder gleich als selbstverständlich abgehakt."

Sich selbst treu sein dürfen

Ist die Folge all der wissenschaftlichen Untersuchungen und Studien zum Thema dann, dass man sein Kind wieder absolut geschlechtsspezifisch erziehen sollte? Frei nach dem Motto: Ein Indianer kennt keinen Schmerz? Sicher nicht! Das entspräche weder den Bedürfnissen der Kinder noch unserer heutigen Gesellschaft. Schließlich zählt die emotionale Intelligenz genau wie andere Soft Skills im Berufsleben mehr denn je. Emotionale Kompetenzen kann man übrigens genauso trainieren wie technische Fähigkeiten. Den Kicker zu lesen macht genauso viel Sinn wie einen Roman und still sitzen ist sowieso lange schon out. Beim Lernen auf- und abgehen oder herumhüpfen hat nachweislich für beide Geschlechter Vorteile.

Es gibt Unterschiede bei den Vorlieben und den Bedürfnissen von Jungen und Mädchen. Und es ist eine Tatsache, dass sich beide Geschlechter entsprechende Vorbilder suchen. Nicht nur zu Hause, auch im Sportverein und in der Schule. Letztendlich geht es darum, eine Ausgewogenheit zu schaffen. Und dabei Mädchen auch mal Mädchen sein zu lassen und Jungs Jungs.

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