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Datingseiten für Kinder: Trügerische Sicherheit im Kinderzimmer


Datingseiten für Kinder
Trügerische Sicherheit im Kinderzimmer

t-online, Simone Blaß

Aktualisiert am 28.01.2014Lesedauer: 6 Min.
Eltern aufgepasst: Chat- und Datingseiten für Kinder bieten keinen ausreichenden Schutz vor sexuellen Inhalten.Vergrößern des BildesEltern aufgepasst: Chat- und Datingseiten für Kinder bieten keinen ausreichenden Schutz vor sexuellen Inhalten. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Ein Großteil der jugendlichen Chatter wird täglich mit sexuellen Inhalten konfrontiert. Betroffen sind sowohl Mädchen als auch Jungs, nur die Art und Weise unterscheidet sich: Mädchen werden angemacht und häufig auch manipuliert, Jungs bekommen den Porno gleich direkt ins Kinderzimmer geschickt. Vor allem Chat- und Datingseiten, auf denen sich bereits Kinder anmelden können, sind ein Paradies für Menschen mit pädophiler Neigung.

Der Täter sitzt dem Kind sozusagen auf dem Schoß

Geht es um sexuelle Anmache im Internet, hört man oft das Argument, es sei ja nichts passiert, der Täter kam dem Kind ja nie zu nahe. Hierbei darf man den seelischen Aspekt aber nicht außer Acht lassen. "Da mögen theoretisch mehrere hundert Kilometer dazwischen liegen, aber eigentlich sitzt der Täter dem Kind in seinem Zimmer auf dem Schoß!", erklärt Julia von Weiler von "Innocence in Danger", einem Verein, der sich der Vermeidung von sexuellen Anmachen und Übergriffen im Netz verschrieben hat. " Wir leben im Zeitalter des digitalen Exhibitionismus und wir alle können heute noch nicht wirklich abschätzen, was mit dieser Generation, die schon in so jungen Jahren mit so viel Ekelhaftigkeit konfrontiert ist, geschehen wird."

Sexuelle Attacken auf Chatseiten

Redakteure der FAZ haben einen Versuch gestartet und sich auf verschiedenen Chat-Seiten für Kinder und Teenager angemeldet, um deren Sicherheit zu testen. Man schuf verschiedene Profile von Mädchen in unterschiedlichem Alter und meldete sich bei gängigen Chatportalen für Kinder und Jugendliche an. Die verwendeten Fotos waren in keiner Weise aufreizend, die vermeintlichen Kinder blieben passiv und provozierten nicht. Das Ergebnis war fatal: Kinder, vor allem Mädchen, werden ständig in angeblich kindgerechten Chats und Foren sexuell attackiert.

"Es ist keine Ausnahme. Es passiert unweigerlich jedes Mal", heißt es in der Zusammenfassung. Und zwar schon binnen weniger Minuten. Die Kinder werden bedrängt, sollen sexuelle Handlungen an sich vornehmen. Oft versuchte man, sie zu überreden, zu anderen Anbietern zu wechseln, um pornographische Bilder zu senden.

Der Koalitionsvertrag sieht mehr Schutz vor

Die Betreiber der entsprechenden Chat-Seiten sind sich der Gefahren bewusst. Sie verweisen aber entweder auf ihre Sicherheitshinweise oder auf das Vermitteln von Medienkompetenz durch Eltern. Doch diese wissen häufig überhaupt nichts von den Aktivitäten ihrer Kinder oder schätzen diese ebenfalls als ungefährlich ein. Hinzu kommt: "Alle reden immer von Medienkompetenz", so von Weiler. "Das ist schön und gut und wichtig, aber ein zehnjähriges medienkompetentes Kind ist immer erst nur zehn Jahre alt und damit besonders schützenswert. Der Gesetzgeber muss hier Verpflichtungen eingehen, die den Schutz dieses Kindes gewährleisten."

Im Koalitionsvertrag heißt es hierzu, dass Kinder und Jugendliche die Chancen und Möglichkeiten, die das Internet bietet, optimal nutzen können sollten, ohne mit für sie schädigenden Inhalten konfrontiert zu werden. "Das aber erreicht man nur, wenn man Standards verankert, die nicht mehr in Frage zu stellen sind."

Die gesetzlichen Mühlen mahlen langsam

Gesetzlich geregelt ist das sogenannte Cyber Grooming im Paragraph 176 des Strafgesetzbuches, der unter anderem besagt, dass es verboten ist, auf ein Kind unter 14 Jahren durch Schriften einzuwirken, um es zu sexuellen Handlungen zu bringen, die es an sich, an oder vor dem Täter oder einem Dritten vornehmen oder von dem Täter oder einem Dritten an sich vornehmen lassen soll. Bis zu fünf Jahre Gefängnis sind theoretisch möglich, die Urteile fallen aber häufig deutlich geringer aus. Noch, denn das soll sich in Zukunft ändern. Eine 2011 in Kraft getretene EU-Richtlinie sieht nämlich vor, in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auch schon den Versuch der Kontaktaufnahme zu Kindern für sexuelle Zwecke unter Strafe zu stellen. Laut Auskunft des Bundesjustizministeriums wurde ein Referentenentwurf erarbeitet, zur Stellungnahme an die Bundesländer geschickt und jetzt ausgewertet.

Wir Erwachsenen sind schuld

Die Seiten heißen lovoo, meet-teens, rentre-ados oder ersteliebe, zugelassen sind sie teilweise schon ab elf Jahren, nicht selten auch mit einer Höchstgrenze. Es gibt viele Datingseiten für Jugendliche, bei denen diese das Abenteuer suchen, indem sie sich halbnackt oder in Kombination mit Riesen-Zucchinis zeigen beziehungsweise ihre Zunge öffentlich bewerten lassen. Hemmungen, die Jugendliche natürlicherweise im Umgang mit dem anderen Geschlecht haben, fallen im Netz oft weg. "Die Kinder entwickeln eine interessante, aber auch gefährliche Lässigkeit", so von Weiler. "Irgendwie gehört es dazu, genau wie pornographische Bilder und sexuelle Anmachen, die dann oft mit der Ignorier-Funktion unterdrückt, aber nicht gemeldet werden."

Passt der Polizeipanda wirklich gut genug auf?

Selbst auf absolut harmlos wirkenden Seiten tummeln sich Menschen mit pädophilen Neigungen. Bei panfu.de, einer Seite für Kinder, die ebenfalls in die Kritik der FAZ-Redakteure geraten ist, hat man reagiert: "Wir hatten schon zum Zeitpunkt des Erscheinens umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen und haben diese seitdem kontinuierlich ausgebaut. Selbstverständlich haben wir auch einen Notfallknopf um jemanden sofort zu melden", rechtfertigt sich Geschäftsführerin Verena Delius. Man kann andere Pandas auf der Stelle blocken und wird auch von diesen nicht mehr gesehen und man kann einen Moderator informieren - in Form eines Polizeipandas.

Zusätzlich sieht dieser sofort, wenn Begriffe der sogenannten Greylist auftauchen. Im Gegensatz zur Blacklist, bei der über tausend Begriffe im Zusammenhang mit Sex und Kriminalität gespeichert sind, die gar nicht im Chat auftauchen dürfen, sind auf der Greylist solche Begriffe verzeichnet, die auch harmlos sein könnten. "Alle Begriffe auf der Greylist schlagen beim Moderator im Client farblich markiert auf, so dass er sofort sehen kann, ob es ein Vergehen ist oder harmlos. Das Wort 'Adresse' ist zum Beispiel auf der Greylist, weil es Kindern untersagt ist, nach der Adresse von anderen zu fragen." Beide Listen werden täglich um neue Kreationen erweitert.

Hinterlistiges Einschleichen in Teenager-Chaträume

Die Plattform Knuddels.de ist nach eigenen Angaben die derzeit größte Chat-Community in Deutschland. Sie existiert seit 15 Jahren, beschäftigt rund 6000 Administratoren und Moderatoren, verzeichnet mehr als 1,9 Millionen User und wird monatlich immerhin von 900.000 Teilnehmern zum Chatten genutzt. Ein Großteil davon ist über 18, die Themen teilweise entsprechend zugeschnitten. Zugelassen ist die Seite aber ab 14 und sie verfügt auch über eine entsprechende Chat-Ecke. "Das was ich von Jugendlichen immer wieder von knuddels.de höre, ist nach wie vor frappierend", berichtet von Weiler. "Die meisten ignorieren die Täter. Bis sie den Notfallbutton drücken, ist oft schon viel passiert. Und die, die sich online um Hilfe bemühen, machen im Allgemeinen eher die Erfahrung, dass sie hängengelassen werden, weil es zu lange dauert."

Das Ziel der Betreiber ist ein anderes: Länger als zehn Minuten soll es angeblich nicht dauern, bis der Moderator reagiert. "Bei jugendgefährdenden Inhalten wird der verursachende Nutzer sofort gesperrt, gegebenenfalls werden Polizei und Staatsanwaltschaft informiert", erklärt Maria Urban von knuddels.de. "Sobald der Notrufbutton genutzt wird, werden die Chatbeiträge als Beweise gesichert."

Aufreizende Posen werden gelöscht

Zusätzlich zu Jugendschutztests, die minderjährige User während der Nutzung absolvieren müssen, gibt es auch Fotoregeln: "Die altersgemäß abgestuften Regeln für Fotos sind sehr streng und uns sehr wichtig. Fotos der 14- bis 15-jährigen User werden nur zugelassen, solange sie die Person in Alltagskleidung zeigen, in der man sie auch in der Öffentlichkeit antreffen kann. Bilder werden gelöscht, wenn die darauf abgebildete Person eine aufreizende Pose eingenommen hat oder zu viel Haut gezeigt wird." Aber auch Urban weiß, dass man damit nur einen Rahmen schaffen kann.

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Auf Zwischentöne achten

Eltern müssen sich bewusst darüber sein, dass Jugendliche nicht alles erzählen. Erstens, weil sie Privatsphäre brauchen und Freunde in dieser Hinsicht wichtiger werden als Eltern, und zweitens aus Angst, den Zugang zu Chats und sozialen Netzwerken verboten oder eingeschränkt zu bekommen. Vielleicht auch, weil sie selbst nicht einschätzen können, ob ihr Bauchgefühl richtig ist oder weil sie die Eltern nicht beunruhigen wollen. Möglichkeiten gibt es viele und Eingriffsmöglichkeiten für Eltern immer weniger. Denn dass die Jugendlichen sich im Netz bewegen, lässt sich nicht mehr verhindern. Online sind sie auf jeden Fall - es ist für sie ein wichtiger sozialer Raum. Umso wichtiger ist es, genau zuzuhören, wenn Teenager etwas über ihre Aktivitäten im Netz erzählen. Und dabei auch auf Zwischentöne zu achten.

Zehn Regeln, die Eltern helfen, das Surfen Ihrer Kinder im Internet sicherer zu machen, finden Sie hier.

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