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Organtransplantation: Ein Kunstherz hält Marc am Leben


Auf der Warteliste für eine Organspende
Ein Kunstherz hält Marc (16) am Leben

Anja Speitel und Bettina Rackow-Freitag

04.02.2015Lesedauer: 4 Min.
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Organspende: Ein Kunstherz mit koffergroßen Akkus hält Marc am Leben. Der 16-jährige hofft, möglichst bald ein Spenderhez zu bekommen.Vergrößern des Bildes
Der 16-jährige Marc hat knapp ein Multiorganversagen überlebt. Nun steht er auf der Warteliste für eine Herztransplantation - aber es mangelt an Spenderorganen. (Quelle: privat)

Der 16-jährige Marc aus Amberg wartet seit zwei Jahren auf ein Spenderherz. Bald braucht er auch eine Spenderniere. Er rang nach einem Multiorganversagen mit dem Tod, jetzt kämpft er sich zurück ins Leben. Er ist der erste Jugendliche, der mit einem Kunstherz zuhause leben darf und gehört zu den rund 200 Kindern und Jugendlichen in Deutschland, die auf eine Organtransplantation angewiesen sind. Doch es gibt zu wenige Spender.

An seinem 16. Geburtstag hat Marc seinen HU-Status verloren. "HU" steht für High Urgency, hohe Dringlichkeit, für eine Organtransplantation. "Wir haben bis zum letzten Tag vor seinem 16. Geburtstag gehofft, dass das Telefon doch noch klingelt und Marc endlich ein passendes Spenderherz bekommt", erinnert sich seine Mutter Claudia V. Doch das Telefon blieb still. Seit zwei Jahren warten Marc und seine Eltern auf diesen Anruf aus dem Krankenhaus. Er könnte dem Schüler das Leben verlängern und ihm einen Alltag wie den seiner Freunde ermöglichen.

Rund 30 Kinder in Deutschland warten auf ein Spenderherz

HU - das sind zwei Buchstaben, die den betroffenen Familien ein bisschen Hoffnung auf ein Leben mit mehr Normalität geben und ein wenig die Angst vor dem Tod nehmen.

Alle Kinder und Jugendlichen unter 16 Jahren in Deutschland, die bei Eurotransplant gelistet sind, haben automatisch diesen Status, sie stehen ganz oben auf der Warteliste für eine Spenderniere, -leber oder -lunge. Rund 200 sind es insgesamt, davon warten mehr als 30 wie Marc auf ein neues Herz. Hinter jeder Zahl in dieser Statistik steckt ein Schicksal - ausgelöst durch eine Autoimmun- oder Stoffwechselerkrankung, einen Gendefekt oder einen Herzfehler.

In Deutschland gibt es 50 Transplantationszentren, aber nur wenige sind auf Kinder spezialisiert, denn das erfordert ein besonders hohes Maß an Aufwand und medizinischen Kenntnissen. Dazu gehören die Transplantationszentren in Gießen, München und Leipzig.

Herzmuskelschwäche blieb bei Marc unentdeckt

Oft beginnen die Krankengeschichten der Kinder, die auf der Warteliste stehen, unspektakulär. Bei Marc fing es vor zwei Jahren auch scheinbar harmlos an. Der damals 14-Jährige litt oft unter Übelkeit und fühlte sich schwach. "Wir dachten an einen verschleppten Infekt", sagt seine Mutter.

Marc trug bereits einen Herzschrittmacher, dieser konnte aber die eigentliche Ursache der Beschwerden nicht unter Kontrolle halten, nämlich eine unerkannte angeborene Herzmuskelschwäche, die sehr selten vorkommt und nun in einer lebensbedrohlichen Situation mündete. Aus dem Teenager, der gern Tischtennis spielte, wurde ein sterbenskranker Junge.

Kunstherz im Rollkoffer ist Marcs ständiger Begleiter

Nach mehreren Operationen und einem Multiorganversagen rangen die Ärzte in der Universitätsklinik Erlangen wochenlang um Marcs Leben. "Die Einblutungen verfärbten seine Haut bläulich", erzählt Claudia. Der Junge überlebte nur knapp, ihm wurde ein Kunstherz in die linke Herzkammer eingesetzt. Von dort wird sein Blut nun über einen Rotor in den Körperkreislauf gepumpt. Die Energie dafür liefern große Akkus, die sich außerhalb des Körpers in einem Rollkoffer befinden.

Darüber hinaus muss Marc seitdem dreimal in der Woche zur Dialyse ins Klinikum. Seine Nieren arbeiten nicht mehr, irgendwann wird er auch eine Spenderniere brauchen.

Ein Jahr lang lag Marc im Krankenhaus

Marc erholte sich nur langsam. "Mal ging es zwei Schritte vorwärts, dann wieder drei rückwärts", erzählt die Mutter. Als das Immunsystem ihres Jungen so geschwächt war, dass sich die Eltern nur noch im Schutzanzug nähern konnten, konfrontierte das Ethikteam des Krankenhauses sie mit der Frage, wann sie bereit sein würden, die Maschinen abzustellen. Doch die Eltern gaben nicht auf. "Unser Kind wird leben!", war ihr einziger Gedanke. Nach einem Jahr konnte Marc das Krankenhaus verlassen.

Der erste Jugendliche mit einem Kunstherz zu Hause

Seit mehr als einem Jahr lebt Marc nun wieder zu Hause in Amberg. Als erster Jugendlicher mit einem Kunstherz in Deutschland kann er in seinem Zimmer und nicht in einer Klinik schlafen, doch er muss rund um die Uhr betreut werden. Eine durchsichtige Plastikkugel liegt auf seinem Bauch, angeschlossen an zwei Schläuchen, die in den Brustraum führen. Seine Mutter nennt die Kugel "Perle".

Mehrmals am Tag kontrolliert sie, wie das Blut fließt und ob sich ein Gerinnsel gebildet hat. Zweimal in der Woche wechselt sie den Verband der Kabelaustrittsstellen. Dann zieht sich Claudia eine Haube, sterile Handschuhe und einen Mundschutz an, denn es darf sich nichts entzünden.

Trotz aller Widrigkeiten eine Lehrstelle gefunden

Marcs Familie ist inzwischen in den belastenden Alltag mit Kunstherz und Dialyse hineingewachsen. "Doch die Angst, dass etwas passieren könnte, begleitet mich täglich", sagt Claudia. Erst hat die Mutter ihren Sohn extrem verwöhnt, heute muss Marc lernen, alltägliche Dinge selbst zu schaffen.

Trotz aller Widrigkeiten hat er im vergangenen Jahr seinen Quali mit der Note 1,7 bestanden und kann bald eine Lehrstelle als Produktdesigner in der Firma antreten, in der sein Vater arbeitet. Seit einigen Wochen hat er sich einen langersehnten Wunsch erfüllt: Er lernt Schlagzeug. "Wir lassen uns nicht hängen. Aus jedem Tag machen wir das Beste", ist sich die Familie einig.

800 Menschen in Deutschland hoffen auf sein Spenderherz

Wie Marc warten mehr als 800 Patienten in Deutschland jedes Jahr auf ein Spenderherz, aber nur die Hälfte bekommt eine Transplantation. Dabei wäre für Marc ein Spenderherz der erste Schritt in ein normales Leben. "Den Gedanken habe ich nicht, dass kein Herz kommen könnte. Diese Frage stellen wir uns gar nicht erst." Marcs Eltern verstehen nicht, dass viele Deutsche so gedankenlos mit dem Thema Organspende umgehen: "Inzwischen liegen überall Organspendeausweise aus, man kann sie sich kostenfrei im Internet runterladen - trotzdem überlassen viele den Hinterbliebenen die Entscheidung, ohne je darüber gesprochen zu haben."

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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