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Mukoviszidose: Wie Antonia (14) mit der unheilbaren Krankheit lebt


Mukoviszidose
Antonia (14) lebt mit der unheilbaren Krankheit

t-online, Anja Speitel

16.03.2015Lesedauer: 6 Min.
Antonia an ihrem zweiten Geburtstag und heute.Vergrößern des BildesAntonia an ihrem zweiten Geburtstag und heute. (Quelle: privat)
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In Deutschland kommen jedes Jahr rund 200 Kinder mit Mukoviszidose auf die Welt: Zäher Schleim verstopft bei ihnen lebenswichtige Organe. Werden sie nicht therapiert, sterben Betroffene noch im Kindesalter. Durch Fortschritte in der Medizin ist die Lebenserwartung der Patienten aber stark gestiegen und liegt bei rund 40 Jahren. Etwa 8000 Patienten leben hierzulande mit der bislang unheilbaren Krankheit. Die 14-jährige Antonia aus Bonn ist eine von ihnen.

Wenn man Antonia mit ihren beiden Hunden um die Wette rennen sieht, ahnt man nicht, dass sie an Mukoviszidose leidet. Das war nicht immer so: Vor der Diagnose zeigte sie typische Warnzeichen, war klein und schlapp. Antonia ist zwar immer noch "ein zartes Püppchen", wie ihre Mutter Sandra sagt, doch seit ihre Mukoviszidose konsequent therapiert wird, geht es Antonia gut.

Warnzeichen der Mukoviszidose

"Antonia war ein sehr dünnes, kleines Baby", erinnert sich Sandra. "Wenn ich mir Fotos von damals anschaue, sehe ich, dass sie typische Symptome für Mukoviszidose zeigte." Antonias Bauch war ständig aufgebläht, dazu machte sie großen Mengen an Stuhl in die Windeln. Und sie hatte ständig Hunger. "Mich als Mutter begeisterte ihr Appetit", resümiert Sandra. "Antonia war ansonsten auch ein recht fröhliches Baby. Nur, dass alles was oben rein ging, in fettigen, abnorm großen Portionen unten wieder rauskam und sie kaum zunahm, fand ich ein wenig seltsam."

Bereits mit drei Wochen und im Alter von einem Jahr erkrankte Antonia an einer Lungenentzündung. Häufige Infektionen der Atemwege und anhaltender Husten, vor allem in der Nacht, sind wie die Verdauungsstörungen ebenfalls Warnzeichen für Mukoviszidose.

"Eltern kennen ihr Kind am allerbesten. Wenn ihnen etwas komisch vorkommt, sollten sie den Kinderarzt immer darauf hinweisen und notfalls darauf pochen, dass eine weitere Abklärung erfolgt", appelliert Miriam Schlangen, Neurobiologin und Geschäftsführerin des Mukoviszidose Instituts in Bonn, das sich für Forschung und Therapieentwicklung zu der seltenen Erkrankung einsetzt.

Mukoviszidose entsteht durch eine Genmutation

Der Begriff Mukoviszidose setzt sich aus den lateinischen Wörtern mucus (Schleim) und viscidus (zäh) zusammen. Die Krankheit wird auch zystische Fibrose, auf Englisch cystic fibrosis (kurz CF) genannt. Die Ursache ist ein Gendefekt, der auf dem Chromosom 7 im so genannten CFTR-Gen liegt.

"Die Veränderungen im Erbgut führen zu einem gestörten Salz- und Wassertransport. Infolge wird in vielen Organen des Körpers ein sehr zäher Schleim produziert und verstopft diese quasi. Davon sind vor allem die Lunge und die Bauchspeicheldrüse betroffen, weshalb Lungenentzündungen, Verdauungsprobleme und starkes Untergewicht die wichtigsten Kennzeichen einer Mukoviszidose sind", erklärt Schlangen.

Auch weitere sekretbildende Organe, etwa die Leber oder Gallenblase, können von der Erkrankung betroffen sein. "Mittlerweile sind knapp 2000 Mutationen im CFTR-Gen bekannt. Je nach Ausprägung sind der Krankheitsverlauf und die Schwere der Krankheitsausprägung individuell sehr unterschiedlich. Es können nur einzelne oder auch viele Organe betroffen sein", so Schlangen. Auch Folgeerkrankungen kann Mukoviszidose nach sich ziehen - die häufigsten sind Diabetes, Osteoporose und Lebererkrankungen.

Diagnose über den Schweiß

Die kleine Antonia kränkelte als Baby oft. "Sie fing zwar zu einem normalen Zeitpunkt an zu krabbeln, aber das Stehen und Laufen kam einfach nicht in Gang", erinnert sich die Mutter. "Heute weiß ich, dass Antonia schlicht die Kraft dazu fehlte, weil ihre Mukoviszidose noch unentdeckt war." Nach Antonias zweiter Lungenentzündung innerhalb des ersten Lebensjahres schickte der Kinderarzt die Familie zur Abklärung in die Unikinderklinik Bonn.

Dort führten die Mediziner den sogenannten Schweißtest durch; er ist Goldstandard für die Diagnose von Mukoviszidose. Denn der Schweiß von CF-Patienten weist einen erhöhten Salzgehalt auf.

"In einigen deutschen Bundesländern, in Österreich und der Schweiz wird der Schweißtest bereits als Neugeborenen-Screening durchgeführt, um eine Mukoviszidose auch ohne auffällige Symptomatik früh zu erkennen. Wir arbeiten mit dem Verein Mukoviszidose e.V. sowie den Fachgesellschaften daran, dieses Neugeborenen-Screening flächendeckend in Deutschland zu etablieren", sagt die Neurobiologin Schlangen. Denn je früher die Krankheit erkannt und behandelt wird, desto günstiger entwickelt sie sich im weiteren Lebensverlauf.

Nach der Diagnose ging es mit Antonia steil aufwärts

Schlussendlich gibt aber nur ein Gentest die absolute Gewissheit. Er wird durchgeführt, wenn der Schweißtest positiv ausfällt. "Aber schon nach dem Schweißtest sagten mir die Ärzte, dass Antonia wohl Mukoviszidose habe."

Bis Sandra mit ihrem Baby einen Termin bei Spezialisten bekam, dauerte es ein paar Tage. "Die waren der absolute Horror", erinnert sich die Mutter. "Ich hatte im Krankenhaus eine Broschüre in die Hände bekommen und nahm daraus nur mit: Mukoviszidose ist unheilbar, die Lebenserwartung liegt bei zehn Jahren. Ich bin zusammengebrochen, wusste überhaupt nicht, was da jetzt alles auf mich zukommt. Ich hatte auch Angst vor dem Termin in der Spezial-Ambulanz. Die sagen mir doch nur 'Suchen Sie schon mal einen Sarg aus'", gibt Sandra zu.

Als sie mit Antonia dann in einer zertifizierten CF-Einrichtung auftauchte, änderte sich für die Mutter alles. "Die Ärzte dort haben mich genau aufgeklärt. Ich bekam einen Behandlungsplan und kehrte mit zwei großen Tüten voller Medikamente, Inhalator und Nahrungsergänzungsmitteln heim. Endlich konnte ich etwas tun und war Antonias Krankheit nicht mehr hilflos ausgeliefert. Ab da konnte man ihr förmlich beim Wachsen und Zunehmen zugucken", freut sie sich.

"Schon nach vier Wochen Therapie raste Antonia voller Energie durch die Gegend. An ihrem zweiten Geburtstag war sie ein richtig schön knubbeliges Baby. Mit ihren dicken Backen und wirren blonden Locken sah sie aus wie ein Engelchen."

Die Therapie frisst täglich viel Zeit

"Die moderne Therapie hat dazu geführt, dass Betroffene, die heute geboren werden, das Rentenalter erreichen können", weiß Schlangen. "Vor 50 Jahren lag die durchschnittliche Lebenserwartung noch bei fünf Jahren." Doch die Behandlung ist aufwendig: Um die Lungenfunktion zu erhalten und um zu vermeiden, dass sich Keime in dem verschleimten Organ festsetzen, muss Antonia mindestens dreimal pro Tag inhalieren und danach spezielle Turnübungen machen. "Das kostet sie jedes Mal eine Stunde, deshalb beginnen wir morgens um 5:30 Uhr mit dem Programm."

Denn nur so kann sich der zähe Schleim, der sich bei Mukoviszidose in den Atemwegen befindet, gelockert und ausgeschieden werden. Die Atemphysiotherapie ist deshalb unabdingbarer Bestandteil des täglichen, lebenslangen Behandlungsplans. "Als Antonia noch klein war, habe ich ganz spielerisch mit ihr geturnt: Unser Heavy-Metal-Hoppe-Reiter auf dem Petziball gehörte zu Antonias Lieblingsübungen", erzählt die Mutter schmunzelnd.

Auch bei der Ernährung muss Antonia darauf achten, dass ihr Körper alles Nötige bekommt. Denn Mukoviszidose-Betroffene haben eine gestörte Energiebilanz, durch die leicht eine Mangelernährung entsteht. Die Ernährungstherapie ist neben der Inhalationstherapie mit Medikamenten und Physiotherapie eine gleichwertige Säule des modernen Behandlungskonzepts.

"Bei nachgewiesener Funktionsschwäche der Bauchspeicheldrüse müssen Enzympräparate zu den Mahlzeiten genommen werden", so Schlangen. "Diese enthalten Enzyme für die Verdauung von Eiweiß, Kohlenhydraten und Fett und schaffen so eine Voraussetzung, dass ein guter Ernährungsstatus erreicht werden kann, der mit einer Verbesserung der Lebenserwartung und Lebensqualität einhergeht."

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Diszipliniert in die Zukunft

Antonia weiß mittlerweile selbst sehr genau, dass sie durch die konsequente Befolgung ihres Behandlungsplans dafür sorgen kann, dass es ihr gut geht. "Da gibt es kein Murren und kein Meckern", sagt die Mutter. "Antonia ist sehr diszipliniert. Wenn es ihr nicht so gut geht, fragt sie auch nach, wann sie wieder inhalieren und turnen kann. Denn das darf man auch nur alle vier Stunden tun, damit die Medikamente richtig wirken."

Manchmal plagt den Teenager auch die Sorge um ihre chronische Erkrankung: "Sie würde sehr gerne Tierärztin werden, aber der Stallstaub ist zu gefährlich für Mukoviszidose-Betroffene, weil er Schimmelsporen enthält. Deshalb darf sie auch nicht reiten. Abends bekommt Antonia jetzt öfter einen Heulkrampf, weil sie Angst hat, nicht mehr aufzuwachen", sagt die Mutter. "Darum ist sie jetzt auch in psychotherapeutischer Behandlung."

Die Familie gibt Antonia Kraft

Die aufwendige Therapie bestimmen den Alltag von Antonia. Für die Achtklässlerin steht zudem bald das erste Betriebspraktikum an. "Wir haben mit Antonia gesprochen, dass sie einen Beruf wählen muss, den sie auch ausüben kann, wenn es ihr mal nicht so gut geht, sie zum Beispiel ein Sauerstoffgerät braucht", so die Mutter. Durch ihre unheilbare Erkrankung muss sich Antonia schon früh mit Lebensplänen und Zukunftsperspektiven auseinandersetzen.

Kraft für all das spendet ihr vor allem ihre Familie: Antonia führt gerne lange Gespräche mit ihrem Papa. Und sie hat einen ganz tollen großen Bruder. "Wenn Matthias heimkommt, fragt er gleich 'Wo ist Mäuschen?' und nimmt Antonia erst mal in den Arm. Die beiden sind ein Herz und eine Seele", freut sich Sandra.

Wenn Antonia mal die Motivation für ihre Therapie fehlt, turnt Sandra, wie früher auch, wieder mit. Auch die beiden Hunde der Familie spenden Antonia viel Trost. "Mit Jamie und Rocky kuschelt unsere Maus viel. Wenn sie ins Körbchen passen würde, läge Antonia mit darin."

Infos zum Thema

Hilfe und weiterführende Informationen bietet Mukoviszidose e.V.: www.muko.info

Ziele des Vereins sind die Qualität der Behandlung zu sichern und ständig zu verbessern. Er ist Ansprechpartner für Patienten und vermittelt an spezialisierte CF-Einrichtungen. Diese werden zertifiziert, um die Qualität der Behandlung zu sichern. Um Projekte, Forschung und Therapieentwicklung weiter voranzutreiben, ist der Verein auf Spenden angewiesen. Spendenkonto: IBAN: DE 59 3702 0500 0007 0888 00 ,BIC: BFSWDE33XXX (Bank für Sozialwirtschaft Köln).

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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