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Pubertät ist eine Tatsache, keine Krankheit


Pubertät
Pubertät ist eine Tatsache, keine Krankheit

t-online, Simone Blaß

21.05.2010Lesedauer: 4 Min.
Eltern sollten die Pubertät nicht zum Problem machen. (Bild: Imago)Vergrößern des BildesEltern sollten die Pubertät nicht zum Problem machen. (Bild: Imago) (Quelle: imago-images-bilder)
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Noch bis Mitte der Neunzigerjahre war sich die Wissenschaft sicher, dass die Hormone allein der Grund dafür sind, dass in der Pubertät plötzlich ein Krieg der Gefühle ausbricht. Durch die immer besser werdende bildgebende Darstellung zeigt die Hirnforschung aber heute, dass das Gehirn einen maßgeblichen Anteil daran hat. Es wird komplett umgebaut, neu vernetzt und es wird auf seine Nützlichkeit hin überprüft. Tausende von Nervenverbindungen, die aussortiert wurden, sterben ab. Gleichzeitig wird die Effizienz erhöht. Wenn diese Dauerbaustelle beendet ist, dann bleibt ein sehr viel schnelleres, weil sozusagen von Unrat befreites Gehirn übrig. Was nach außen wirkt wie das absolute Chaos, folgt tatsächlich einem sehr sinnvollen Plan, der zu Risikofreudigkeit, Kreativität aber auch zur extremen Emotionalität führt. Nicht einfach für die Umwelt, aber auch kein Grund, die Pubertät zum Problem zu machen, meint der bekannte dänische Familientherapeut Jesper Juul in seinem neuen Buch "Pubertät - Wenn Erziehen nicht mehr geht".

Jugendliche haben das Zeug zum Helden

Es gibt viele Kulturen, in denen die so genannte Geschlechtsreife ein Grund zur Freude ist und mit Initiationsriten begrüßt wird. Und das war auch früher schon so. Jahrtausendelang kam niemand auf die Idee, Jugendliche auszugrenzen aus der Gesellschaft, stattdessen nutzte man ihr an Schärfe gewinnendes Denkvermögen, ihre Sucht nach Abenteuer und ihren vor Kraft strotzenden Körper dazu, sie an das Erwachsenwerden heranzuführen. Was die jungen Leute kaum erwarten konnten. Dass sie das kaum erwarten können, das ist auch heute noch so, aber in unserer Gesellschaft werden sie immer mehr in eine Nische voller Vorurteile gedrängt, in der sie für Jahre verharren müssen. Pubertierend - ein Wort, das bei uns wie die Heraufbeschwörung aller Probleme klingt. Und genau das könnte die eigentlichen Probleme erst zur Folge haben.

Zwischentöne ernst nehmen

Heute ist es zugegebenermaßen schwierig, Jugendlichen den richtigen Weg vorzugeben, denn einen gesellschaftlichen Konsens gibt es kaum mehr. Eltern merken schnell, dass weder der Kumpeltyp noch das Gegenteil davon besonders viel Erfolg verzeichnen. Jesper Juul selbst sieht sich nicht als Erziehungsexperte, da es, so sagt er, in der Erziehung von Kindern nicht nur einen Weg gibt. Die Meinungen darüber, was richtig oder falsch ist, klafften noch nie so weit auseinander wie heute. Stattdessen geht es dem Familientherapeuten darum, Eltern und Kindern beziehungsweise Jugendlichen, die mit einer Situation in der Familie nicht zufrieden sind, zu helfen, eine konstruktive Lösung zu finden. Schließlich ist Erziehung ein wechselseitiger Lernprozess. In seinem Buch erklärt er, was wirklich wichtig ist: "Das, worauf es ankommt, geschieht häufig gleichsam zwischen den Zeilen. Es ist die Stimmung, wie wir als Menschen miteinander umgehen, wie wir mit anderen Menschen in unserer Umgebung umgehen, der Prozess, wie wir als Familie miteinander sind: All das erzieht. Wenn die Kinder in die Pubertät kommen, haben wir die Möglichkeit zu sehen, was wir zusammen geschaffen haben."

Erziehungsversuche in letzter Minute sind sinnlos

Wer jetzt mit dem Ergebnis nicht zufrieden ist und eine Art Turboerziehung einschaltet, wird damit wenig Erfolg haben. „Das ist nicht nur furchtbar, das ist auch unverschämt. Und es funktioniert nicht.“ Es macht keinen Sinn, in eine erzieherische Torschlusspanik zu verfallen und jetzt noch schnell das vermeintlich Versäumte nachholen zu wollen. Verzweifelten Eltern rät der Familientherapeut, den Fokus zu ändern und dabei nicht mit Selbstkritik zu sparen. "Wenn Sie Perfektion suchen, dann stellen Sie sich doch ein paar Minuten vor den Spiegel und schauen Sie sich selbst an. Das sollte eigentlich genug sein, um sich von der Wunschvorstellung 'Perfektion' zu verabschieden." Statt nur darauf zu achten, was noch nicht richtig ist, macht es deutlich mehr Sinn, sich zu überlegen, was man an seinem Kind wundervoll findet. "Was unsere Kinder in der Pubertät von uns brauchen, ab zwölf, mit 13, 14 Jahren, ist eigentlich nur das: zu wissen, auf dieser Welt gibt es einen oder zwei Menschen, die wirklich glauben, dass ich okay bin. Das brauchen sie."

Von der Erziehung zur Beziehung

Konfliktgespräche, lange Monologe und endlose Diskussionen zehren nur an den Nerven, führen dazu, dass sich Fronten verhärten und halten von dem ab, was in der Kommunikation wirklich wichtig ist: vom Dialog. Der, richtig geführt, einem selbst die Möglichkeit gibt, seine Standpunkte klarzumachen, der aber auch eine Offenheit für den Standpunkt der anderen Seite voraussetzt. Von der Erziehung zur Beziehung - so fasst es Jesper Juul zusammen. Ihm ist es wichtig, Eltern dazu zu ermutigen, neue Wege zu gehen und dazu gehört auch, Vertrauen in sich, die eigene Erziehungsarbeit und vor allem in die eigenen Kinder zu haben. Da sein, wenn man gebraucht wird und ansonsten einfach auch mal zurücklehnen und seine Kinder ein Stück weit in die Eigenverantwortung entlassen.

Die Meinung der Eltern ist nach wie vor wichtig, man kann es nur nicht zugeben

Strafen haben selten einen konstruktiven Effekt und in diesem Alter erst recht nicht. Sie haben höchstens Gleichgültigkeit, im schlimmsten Fall sogar selbstzerstörerisches Verhalten zur Folge. Das heißt aber nicht, dass Eltern nicht auch ihre eigenen Grenzen wahren müssen, sich im Klaren darüber sein müssen, womit sie leben können und womit nicht. "Wir können uns auch fragen: Will ich meine Kinder lieben, oder will ich bei meinen Kindern beliebt sein? Beides gleichzeitig ist oft nicht möglich", erklärt der Däne. "Wir sind noch wichtig als Sparringspartner, wir sind noch wichtige Vorbilder und Modelle für unsere Kinder." Man sollte seine wahren Grenzen, seine eigenen Werte, seine eigenen Gefühle aber nicht für seine Kinder opfern. "Es ist für Jugendliche sehr wichtig zu wissen: Was denkt mein Vater? Was denkt meine Mutter? 99 Prozent der Jugendlichen nehmen die Meinung ihrer Eltern sehr ernst, wenn sich die Eltern die ersten Jahre in der Familie auch nur ein bisschen qualifiziert haben. Jedoch gibt es kaum Jugendliche, die ihren Eltern gegenüber offen zugeben, was sie denken." Schließlich müssen sie ihr Gesicht wahren. Was aber noch lange nicht heißt, dass die Worte der Eltern keinen Einfluss mehr haben.

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