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Zwischen Lippenstift und Hakenkreuz | Mädchen in der rechten Szene


Mädchen in der rechten Szene

dpa, Nicole Walter

Aktualisiert am 12.03.2014Lesedauer: 3 Min.
Eine Freundin von ihren rechtsradikalen Ansichten abzubringen, ist nicht einfach.Vergrößern des BildesEine Freundin von ihren rechtsradikalen Ansichten abzubringen, ist nicht einfach. (Quelle: dpa-bilder)
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Komische Musik und Parolen gegen Ausländer: Schlittert die Freundin etwa ins rechtsextreme Milieu ab? Wichtig ist, als Freund oder Freundin den Mund aufzumachen. Denn wer schweigt, bestätigt die andere in ihren Ansichten.

Nazi-Frauen nicht mehr nur im Hintergrund

Junge Frauen treten in der rechtsextremen Szene nicht mehr nur als brave Freundin im Hintergrund oder als fürsorgliche Mutter auf. "Es gibt eine Vielzahl von Rollen", sagt Heike Radvan von der Amadeu Antonio Stiftung. Sie betreut das Projekt "Lola für Lulu" im mecklenburgischen Ludwigslust, das sich mit einem besonderen Blick auf Mädchen und Frauen gegen rechts einsetzt. Frauen seien als Liedermacher in der Szene aktiv und als Kameradschaftsführer, sie übernähmen politische Mandate, engagierten sich bei den Autonomen Nationalisten oder als Internetaktivisten.

"Frauen sind heute sichtbarer in der rechtsextremen Szene, weil sie mehr Funktionen übernehmen als früher", sagt auch Michaela Köttig, Professorin an der Fachhochschule Frankfurt am Main. So würden sie zu Vorbildern für Mädchen und junge Frauen, weil sie zeigten, wie man sich nicht vom Machogehabe der Männer in der rechten Szene abschrecken lasse.

Laut Verfassungsschutz gibt es rund 23.000 Rechtsextreme in Deutschland. Knapp 10.000 von ihnen werden zu den gewaltbereiten Neonazis gerechnet. Rund ein Viertel der Rechtsextremen sind Frauen, sagt Bernd Wagner von der Organisation Exit, die Aussteigern aus der Szene hilft.

Viele Gründe für den rechtsradikalen Einstieg

Drei Faktoren spielten laut Köttig oft zusammen, wenn Mädchen und junge Frauen in die rechtsradikale Szene einsteigen: "Wenn der Nationalsozialismus durch die Familiengeschichte positiv besetzt ist, durch soziale Kontakte, die den Einstieg leicht machen, und durch die eigene Biografie, wenn diese etwa durch brüchige Bindungen zu den Eltern geprägt ist oder durch eigene Gewalterfahrungen." Auch das Gefühl dazuzugehören, weil man sich dort stark fühle oder glaube, sich aufzuwerten, indem man andere abwerte, seien starke Motive, sagt Dennis Rosenbaum. Er ist Streetworker im Bremer Verein Vaja und beschäftigt sich mit rechtsradikalen Jugendlichen.

Gerade am Anfang gibt es viele Signale, wenn die Freundin, Schwester oder Mitschülerin anfängt, mit einer Naziclique zu sympathisieren: Neue Klamotten von in der Szene beliebten Marken wie Thor Steinar, Songs von rechten Bands wie Freiwild auf dem Handy oder abfällige Kommentare über Migranten. "Solange sie ihren Rassismus noch zeigt und auf Auseinandersetzungen eingeht, ist das, so ironisch es klingt, ein gutes Zeichen", sagt Isabell Stewen, ebenfalls Streetworkerin bei Vaja.

Zur eigenen Meinung stehen - auch ohne Zahlen und Fakten

Als Freund oder Freundin sollte man viel gemeinsam unternehmen - außerhalb der rechten Szene. Wenn die Freundin sich abfällig über Migranten äußert oder über die Antifa herzieht, dann müsse man nicht immer gleich die perfekte Antwort parat haben, sagt Kollege Rosenbaum. Zahlen und Details könne man nachreichen. Aber man sollte immer signalisieren, dass man anderer Meinung ist. Und sich Hilfe holen: bei Freunden, Eltern, Lehrern, in Beratungsstellen wie Exit-Deutschland oder den bundesweit engagierten Beratungsteams gegen Rechtsextremismus.

Redet die Freundin oder Schwester nicht mehr offen über ihre Sympathie für die rechtsextreme Szene, werde es schwieriger. Dann erleichtert zu denken: "Gott sei Dank, das ist jetzt abgehakt! ist ganz falsch", sagt Köttig. Denn tatsächlich seien die Mädchen dann meist tiefer in die Szene eingetaucht und ideologisch gefestigter. Aber auch dann sollte man nicht das Handtuch werfen: "Es ist gut dranzubleiben, und den Kontakt trotz eigener gegensätzlicher Positionen zu halten. Denn wenn sie später an ihren rechten Freunden zweifelt und raus will, braucht sie Menschen außerhalb der Szene, auf die sie wieder zugehen kann", sagt die Streetworkerin Isabell Stewen.

Exit hilft Aussteigern

Bernd Wagner hilft mit seiner Organisation Exit-Deutschland Aussteigern. Er sieht zwei Auslöser, die besonders Frauen zum Ausstieg bewegen: "Die Männer in der rechtsextremen Szene sind keine Softies. Die sehen Frauen nicht als gleichberechtigte Partnerinnen. Frauen sind dazu da, zu dienen." Wenn eine junge Frau sich in einen in der Szene verankerten Mann verliebe, dann merke sie oft früher oder später, dass sie nur das fünfte Rad am Wagen ist und ihm seine Kameraden und die Ideologie viel mehr bedeuten. Und bekommen Frauen Kinder, wollen sie ihren Nachwuchs schützen - und geraten dabei in immer stärkeren Widerspruch zu ihrem Mann und der rechtsextremen Clique.

Wie Tanja, die nach 20 Jahren im Rechtsextremismus ausstieg und sich noch immer vor Bedrohungen in Acht nehmen muss. Selbst als sie noch tief in der rechtsradikalen Szene drinsteckte, sei sie im Streit mit anderen schon ins Zweifeln über den eigenen Weg gekommen, räumt sie ein. Und wenn man ihr in der Schule nicht nur mit Verboten begegnet wäre, sondern intensiv mit ihr diskutiert hätte - wer weiß, vielleicht wäre sie doch früher umgedreht, sagt sie heute. So ist sie erst mit über 30 abgesprungen.

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