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Kinderzimmer-Messies: Wenn Kinder nichts wegwerfen und nicht aufräumen wollen


Aufräumen
Leben im Chaos: Kinderzimmer-Messies im Haus

t-online, Simone Blaß

Aktualisiert am 23.12.2013Lesedauer: 6 Min.
Manche Kinder können einfach nichts wegschmeißen.Vergrößern des BildesManche Kinder können einfach nichts wegschmeißen. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Chaos im Kinderzimmer ist in vielen Familien alltäglich. Aber es gibt Unterschiede zwischen Kindern, die nicht aufräumen wollen und solchen, die sich von gar nichts mehr trennen können. Bei denen man das Gefühl hat, man reiße ihnen ein Bein aus, wenn man nur ausmisten will. Betrachtet man die Sache mal aus psychotherapeutischer Sicht, ist diese Annahme übrigens gar nicht so verkehrt.

Es gibt sie tatsächlich, die "echten" Kinderzimmer-Messies. Kinder, die sich von nichts trennen können, was je ihr Eigentum gewesen ist. Die irgendwann gefühlt mehr auf einer Müllhalde als in einem Kinderzimmer leben. Folgt man den Pfaden des berühmten Psychoanalytikers Sigmund Freud, dann sind diese Kinder sozusagen hängengeblieben in der analen Phase, in der Eigentum und Körper vergleichbar sind.

Der Verlust von Eigentum ist also deswegen so schlimm, weil das Kind das Gefühl hat, es sei ein Teil von ihm selbst, den es aufgeben müsste. Akut ist die anale Phase im zweiten und dritten Lebensjahr. Verläuft alles in normalen Bahnen, dann verliert auch diese Entwicklungsphase mit der Zeit ihre Dominanz und wirkt lediglich in abgeschwächter Form nach. In Bezug auf das Kinderzimmer würde das bedeuten, dass man eben nur manche Dinge einfach nicht wegschmeißen kann, weil das Herz dran hängt. So viel zur Theorie.

Manchmal verstecken sich psychische Probleme ziemlich gut

Doch wie geht man in der Praxis mit einem Kind um, das sich von gar nichts mehr trennen will? Für das kleinste Schnipsel von irgendetwas Undefinierbarem noch Jahre später eine Bedeutung haben? Das Spielzeug und Kuscheltiere hortet und bei jedem Versuch, das Chaos zu lüften, massiven Widerstand auffährt? "Kann das Kind gar nicht loslassen, dann steckt möglicherweise tatsächlich ein Problem dahinter, das sich hier seinen Ausdruck sucht", erklärt der Diplompsychologe Ulrich Gerth im Gespräch mit der Elternredaktion von t-online.de. "Manche Kinder haben den Eindruck, es sei notwendig, viele Gegenstände um sich zu scharen, um überhaupt glücklich sein zu können. Hier drängt sich dann schon der Verdacht auf, dass das Kind durch das dauernde 'Habenwollen' etwas kompensiert."

Ein Kinderzimmer ist kein Ausstellungsstück

In der Regel sammeln alle Kinder gerne, scharen ganze Kuscheltierfamilien in ihrem Zimmer und tun sich schwer, sich von etwas zu trennen - auch ganz ohne seelische Probleme. Ausmisten gehört eben nicht gerade zu den Kinderlieblingsbeschäftigungen. Eigentlich ist es ja auch viel praktischer, wenn man am nächsten Tag genau da weiterspielen kann, wo man am Abend vorher aufgehört hat, ohne wieder Stunden darauf zu verwenden, etwas neu aufzubauen. Dinge, die gerade erst mühsam gebaut oder gebastelt wurden, sollten das Recht haben, das Kinderzimmer eine Zeitlang zu verzieren. Denn letztendlich, so Ulrich Gerth, muss man sich ja auch immer bewusst machen: "Ein Kinderzimmer ist ein Kinderzimmer und kein Ausstellungsstück!"

Aber trotzdem braucht es natürlich eine gewisse Grundordnung, die es dem Kind möglich macht, seine Spielsachen selbst aufzuräumen und auch wieder zu finden oder seine Hausaufgaben in einer Umgebung zu machen, die nicht allzu sehr vom Wesentlichen ablenkt. "Das Kinderzimmer sollte", so fasst es der Diplompsychologe kurz und knapp zusammen, "nutzbar und putzbar sein."

Sich an Kindergärten ein Beispiel nehmen

Klare Aufforderungen helfen auch hier. Erklären Sie dem Kind, dass Sie einmal in der Woche bei ihm saubermachen möchten und es seine Aufgabe ist, am Tag vorher den Boden aufzuräumen. Auch die Strecke zwischen dem Bett und der Tür sollte auf jeden Fall am Abend immer freigeräumt werden, denn nichts ist unangenehmer, als nachts schlaftrunken in Legosteinchen oder auf Barbieschuhe zu treten. Letztendlich kann man sich an den Kindergärten orientieren. Denn auch hier wird gespielt, was das Zeug hält und trotzdem ist am Ende des Tages alles wieder an seinem Platz. Das Geheimnis: genügend übersichtliche Verstaumöglichkeiten und eine gemeinsame Aufräumzeit.

"Jetzt räum doch endlich mal auf!" Ein Satz ohne jede Wirkung

Kleine Kinder sind noch gar nicht in der Lage, Ordnung ohne klare Ansagen wieder herzustellen. Ein "Räum jetzt endlich dein Zimmer auf!" wird keinen Erfolg bringen, das Kind ist damit überfordert. Es braucht überschaubare Strukturen, genaue Arbeitsanweisungen und auch ein bisschen Hilfe: am besten in spielerischer Form. Aber auch für die Größeren ist es happig, wenn die Freunde zum Spielen da waren und sie hinterher mit dem entstandenen Schlachtfeld in ihrem Zimmer alleine klarkommen sollen. Zuviel Durcheinander überfordert sie. Oft liegt das Problem auch darin, dass Eltern und Verwandte Unmengen an Spielzeug anschaffen und dieses dann nicht nur keinen vernünftigen Platz mehr findet, sondern die Kinder vor allem den Überblick verlieren.

Aus den Augen, aus dem Sinn?

Hier kann es die bessere Methode sein, ab und zu mal einen Teil auszusortieren - in Absprache mit dem Kind. In vielen Familien wird für jedes neue Teil zum Beispiel ein altes weggegeben. Andere gehen gemeinsam einmal im Jahr zum Flohmarkt und gönnen sich dann vom Erlös des Verkauften etwas Schönes in Form eines Ausflugs zum Beispiel. Und auch die Methode, gemeinsam auszusortieren und manches erst einmal in einem bestimmten Karton aus dem Blickfeld zu räumen, funktioniert. Wenn man nämlich diesen nach einer Weile wieder durchsieht - und zwar gemeinsam - gibt es einiges, was endgültig wegdarf. Leider auch manches, was wieder einzieht im Kinderzimmer.

Nicht in die Autonomie des Kindes eingreifen

Die einzige Möglichkeit, das zu verhindern, wäre, energisch auszumisten, wenn das Kind nicht da ist und die Sachen sofort zu eliminieren. Doch diese Radikalmethode hat, so der Vorsitzende der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke), zwei gravierende Nachteile: "In erster Linie halte ich ein solches Vorgehen für einen schlimmen Eingriff in die Autonomie des Kindes. Und zweitens ist die Lernerfahrung gleich null." Irgendwie ist es verständlich, wenn sich ein solches Kind nie von etwas trennen möchte. Es weiß schließlich auch nie, wie lange es noch da sein wird. Hinzu kommt, dass Erwachsene oft gar nicht beurteilen können, welches Spielzeug wichtig ist und welches nicht. Denn mit Wert oder Optik hat das überhaupt nichts zu tun.

Ein User im Netz geht sogar so weit, ein solches Verhalten mit "Eltern-Sozialismus" gleichzusetzen, bei dem Eigentum willkürlich umverteilt wird und das automatisch Widerstand hervorrufe. "Wer hier meint, das sei eigentlich alles seins, und er könne damit machen, was er will, und er brauche seine Entscheidungen weder begründen noch auf die Bedürfnisse des Kindes Rücksicht nehmen, dem wünsche ich nicht nur eine fröhliche Pubertät, sondern auch ein lustiges Altenheim."

"Was sollen denn die anderen denken, wenn es bei mir aufgeräumt ist?"

Apropos Pubertät: Bei Jugendlichen verhält es sich mit der Ordnung ein wenig anders. "Man muss auf jeden Fall einen Unterschied machen zwischen Kindern und Jugendlichen", erklärt Ulrich Gerth, "denn bei denen gehört Chaos dazu. Es ist schließlich ein gutes Ausdrucksmittel, um Opposition gegen die Eltern zu starten." Wäre die logische Konsequenz dann, dass man selbst eigentlich nur genug Chaos produzieren müsste, um seinen flügge werdenden Kindern Ordnung nahezubringen? "Theoretisch könnte das funktionieren", bestätigt der erfahrene Erziehungsberater im Interview. "Aber praktisch fragt sich, wer den längeren Atem hat. Und ich fürchte, das werden nicht Sie sein!" Wahrscheinlich hat er recht und daher sollte man lieber auch hier auf ein paar Grundregeln zurückgreifen.

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Ein paar einfache Regeln entschärfen die Situation

Ein Behälter für die dreckige Wäsche, ein paar Haken an der Wand für Klamotten, die man noch mal anziehen kann und ganz wichtig: eine Regel, damit nichts Essbares im Zimmer verrottet! Damit ist beiden Seiten bereits schon ziemlich geholfen. Über alles andere sollte man hinwegsehen können und es ähnlich halten wie bei den Kleinen: Im eigenen Zimmer ist Chaos durchaus mal erlaubt, in den gemeinsamen Räumen nicht beziehungsweise nur in Maßen. Und wie sagt es Jesper Juul, der bekannte Familientherapeut, so schön: "Kinder müssen lernen mit der einen oder anderen Macke ihrer Eltern zu leben - genauso wie wir uns auf die Eigenheiten unserer Kinder einzustellen haben."

Das Ordnungsthema immer in Ruhe ansprechen

Aber egal, ob bei kleinen, großen oder fast erwachsenen Kindern: Es bringt grundsätzlich nie etwas, über ein Thema wie Ordnung zu diskutieren, wenn man sich gerade über die Nichteinhaltung derselben aufregt. Man wird viel mehr erreichen, wenn man die Sache mit Ruhe und vor allem mit einem System angeht, das das Kind versteht und das es mit einfachen Mitteln - seinem Alter angemessen - anwenden kann.

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