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Angela Merkel lotet Alternative zu den USA aus


Treffen mit Indiens Premier Modi
Merkel lotet Alternativen zu den USA aus

Von dpa-afx, t-online, rok

Aktualisiert am 30.05.2017Lesedauer: 4 Min.
Angela Merkel diskutiert mit dem indischen Premierminister Narendra Modi im Garten des Gästehauses der Bundesregierung in Meseberg.Vergrößern des BildesAngela Merkel diskutiert mit dem indischen Premierminister Narendra Modi im Garten des Gästehauses der Bundesregierung in Meseberg. (Quelle: dpa)
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Kurz nachdem Angela Merkel die USA unter Präsident Donald Trump als nicht mehr verlässlichen Partner beschrieben hat, traf sich die Kanzlerin mit dem indischen Premier Narendra Modi. Indien könnte sich für Deutschland und die EU als Teil einer Alternative zu den USA erweisen, in der "America First" gilt. Vor allem die deutsche Wirtschaft könnte von einem EU-Indien-Handelsabkommen enorm profitieren. Noch gibt es aber Hindernisse für eine engere Zusammenarbeit.

Das 1,3 Milliarden-Einwohner-Land Indien sei ein Partner, "an dessen guter Entwicklung wir umfassend interessiert sind", sagte die Kanzlerin, die auch auf das deutsche Interesse an engen Kontakten zu China verwies. Diese Kontakte seien "in keiner Weise gegen irgendwelche anderen Beziehungen gerichtet und schon gar nicht gegen die transatlantischen Beziehungen, die historisch für uns von großer Wichtigkeit sind und auch in Zukunft bleiben werden".

In den vergangenen Tagen hatte Merkel mit Äußerungen, die als Distanzierung zu US-Präsident Donald Trump verstanden wurden, für Aufsehen gesorgt. Bei dem Treffen mit Modi bekräftigte sie ihre Argumentation, dass die Europäer angesichts einer weniger berechenbaren US-Politik ihr Schicksal stärker in die eigenen Hände nehmen müssten.

"Europa muss ein Akteur sein, der sich auch einmischt international", sagte sie. Dies gelte etwa für die Lösung der Krise in Libyen und die Krise um die Flüchtlingsbewegungen in Richtung Europa.

Die Verwerfungen in den internationalen Beziehungen, die durch Trumps turbulente Europareise offensichtlich wurden, beeinflussten auch die deutsch-indischen Gespräche. In Abgrenzung zu den Problemen im transatlantischen Verhältnis hoben Merkel und Modi demonstrativ hervor, dass sie auf der Weltbühne die gleichen Ziele anstrebten.

Merkel dankte Modi dafür, dass Indien das Pariser Klimaabkommen "sehr engagiert umsetzt". Indien sei ein Land, dass darauf setze, "dass die Welt vernünftig gestaltet wird". Modi betonte, beide Länder träten ein für Demokratie und Freiheit "als Pfeiler, auf die eine regelbasierte Welt sich stützt". Indien wolle, "dass Europa stark bleibt". Dies sei die Vision der Kanzlerin, "und wir teilen diese Vision".

Indiens Premierminister Narendra Modi war mit Teilen seines Kabinetts für die vierten deutsch-indischen Regierungskonsultationen nach Berlin gekommen. Merkel sagte Modi auch für dieses Jahr einen Entwicklungsetat im Umfang von einer Milliarde Euro zu.

Die deutsch-indischen Regierungskonsultationen finden seit 2011 im Zwei-Jahres-Rhythmus statt. Indien ist für die deutsche Wirtschaft ein wichtiger Wachstumsmarkt: Der Handelsaustausch hat sich binnen zehn Jahren auf rund 17 Milliarden Euro verdreifacht - zehn Milliarden davon sind Exporte nach Indien. Deutschland ist Indiens wichtigster Handelspartner innerhalb der EU.

"Wir haben, was die wirtschaftlichen Beziehungen angeht, einen Quantensprung erlebt", sagte Modi. Besonderes Interesse zeigte Modi an deutschem Know-how bei der Berufsqualifizierung. Davon könnten in Indien 800 Millionen junge Menschen profitieren.

Im Haushaltsjahr 2016/2017 verzeichnete Indiens Wirtschaft ein kräftiges Wachstum von 7,1 Prozent. Ökonomen erwarten, dass das Land Mitte des Jahrhunderts die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt nach China und den USA sein wird.

Deutschland würde von einem Abkommen enorm profitieren

Nach einer aktuellen Studie würde die deutsche Wirtschaft von solch einem Freihandelsabkommen enorm profitieren. Deutschland könne in diesem Fall mit einem um jährlich 4,6 Milliarden Euro höheren Bruttoinlandsprodukt kalkulieren, berechnete das Ifo-Institut im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung. Dies sei das höchste mögliche Plus innerhalb der EU nach Großbritannien, das aufgrund seiner Kolonialgeschichte besondere Beziehungen mit Indien pflegt.

Ein Abkommen hätte nicht nur ökonomische Vorteile für beide Seiten, sondern würde ein wichtiges Zeichen für den Freihandel setzen, sagte Bertelsmann-Asienexpertin Cora Jungbluth mit Blick auf den Brexit und Abschottungstendenzen der US-Regierung unter Präsident Donald Trump.

In Deutschland würden besonders Hersteller von Kraftfahrzeugen, Maschinen und Ausrüstung profitieren. Sie könnten ihre Wertschöpfung um bis zu 1,5 Milliarden Euro im Jahr steigern. Verlierer wären demnach Dienstleister sowie die Textil- und Bekleidungsindustrie mit einem erwarteten Minus von jeweils mehreren Hundert Millionen Euro. Indien habe in diesen Bereichen - vor allem aufgrund niedrigerer Löhne - einen deutlichen Wettbewerbsvorteil.

Probleme in der Auto- und Pharmabranche

Bereits seit 2007 laufen die Verhandlungen zwischen Indien und der EU, sie liegen jedoch seit 2013 auf Eis. Die größten Hemmnisse aus deutscher Sicht liegen im Auto- und Pharmasektor. Wer fertig montierte Pkw nach Indien einführt, zahlt dafür je nach Größe des Fahrzeugs zwischen 60 und 100 Prozent des Neupreises. In der Pharmabranche hakt es besonders beim geistigen Eigentum. Indiens gigantische Industrie für Generika (Nachahmer-Medikamente), die nach Ablauf des Patentschutzes von Originalmitteln günstiger auf den Markt kommen, wird geschützt durch sehr strikte Gesetze.

Indien ist eines der am schnellsten wachsenden Schwellenländer. In diesem Jahr wird ein Wirtschaftswachstum von 7,4 Prozent erwartet. Das Handelsvolumen zwischen Deutschland und Indien betrug laut APA im vergangenen Jahr rund 17 Milliarden Euro. Davon waren knapp zehn Milliarden Euro deutsche Exporte. Der Bestand deutscher Investitionen in Indien belief sich Ende 2015 auf knapp 13 Milliarden Euro.

Indien soll sich stärker öffnen

Als Voraussetzung für eine engere Zusammenarbeit hat die deutsche Wirtschaft von Indien weitere Reformen und eine stärkere Marktöffnung verlangt. "Mangelnde Rechtssicherheit, eine schwerfällige Verwaltung und fehlende Infrastruktur" machten Unternehmen Investitionen in dem Land sehr schwer, sagte der Vorsitzende des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (APA), Hubert Lienhard. Dies gelte besonders für kleine und mittelständische Firmen.

Lienhard fordert "Mit Blick auf Zölle und weitere Handelshemmnisse muss Indien sich stärker öffnen, damit unsere Unternehmen ihr Engagement im Land ausbauen." Die Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien müssten schnell wieder aufgenommen werden.

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