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Mittelschicht in Deutschland schrumpft wie in den USA


Einkommensverhältnisse
Deutschlands Mittelschicht schrumpft wie in den USA

Von t-online
Aktualisiert am 07.05.2016Lesedauer: 4 Min.
Einkaufsstraße Düsseldorfer Königsallee: Die deutsche Mittelschicht wird kleiner - und davon profitieren nur manche.Vergrößern des BildesEinkaufsstraße Düsseldorfer Königsallee: Die deutsche Mittelschicht wird kleiner - und davon profitieren nur manche. (Quelle: dpa-bilder)
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Die USA werden in Deutschland oft als Land der sozialen Ungleichheit wahrgenommen: Neben Superreichen leben dort viele Menschen, die sich nur mit drei oder gar vier schlecht bezahlten Jobs gleichzeitig über Wasser halten können. Eine Studie des DIW zeigt nun, dass die Unterschiede zwischen beiden Ländern gar nicht so groß sind.

In Deutschland wird die Mittelschicht als breit angesehen. Die Erwerbstätigkeit ist hoch, umfangreiche Sozialleistungen sorgen dafür, dass niemand in schlimmste Armut abrutscht. Gleichzeitig protzen Deutschlands Reiche in der Regel nicht, sodass soziale Ungleichheit nicht so stark empfunden wird.

Und dennoch: Die DIW-Studie zeigt, dass sowohl in Deutschland als auch in den USA der Anteil an Beziehern mittlerer Einkommen praktisch im Gleichschritt gesunken ist. In Deutschland ging der Wert von 1991 bis 2013 um sechs Prozentpunkte auf 54 Prozent zurück. In den USA zählten im Jahr 1981 59 Prozent zur Mittelschicht, 2001 waren es noch 54 und 2015 nur noch 50 Prozent.

Während in Deutschland bei den Einkommen zunächst Steuern abgezogen und Transfers wie Kindergeld hinzugerechnet werden, betrachten die Statistiker in den USA das Bruttoeinkommen vor Steuern und Sozialtransfers. Diese Zahlen hat das DIW vergleichbar gemacht.

Die mittlere Einkommensschicht

Zur Mittelschicht zählen demnach jeweils Menschen, deren gesamtes Haushaltseinkommen zwischen 67 und 200 Prozent des Medians beträgt. Der Median ist eine gedachte Linie, die die Bevölkerung in zwei gleich große Hälften teilt: die eine Hälfte verdient weniger, die andere Hälfte mehr. In den USA reden wir für 2013 über eine Summe von 98.000 Dollar (damals ca. 75.400 Euro), in Deutschland von 50.500 Euro. Die Statistiker gehen von einem Drei-Personen-Haushalt aus, der dieses Gesamteinkommen zur Verfügung hat.

In beiden Ländern ist die Zahl der Erwachsenen in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen, in den USA aufgrund von Zuwanderung allerdings stärker. Der Bevölkerungsanteil mit mittleren Einkommen sinkt dagegen, schreibt das DIW. Derweil bleibt jedoch das Einkommen der unteren Schicht (weniger als 67 Prozent des Medianeinkommens) über die Jahre fast gleich, während die Einkommensstarken (mehr als 200 Prozent des Medians) ihre Gesamteinkommen ausbauen können.

Vor allem jüngere Deutsche fallen aus der Mittelschicht

Das gilt jedoch nicht für alle Altersgruppen. In Deutschland schrumpft die Mittelschicht bei den 18- bis 30-Jährigen hauptsächlich, weil die Einkommensschwachen stark zunehmen: zwischen 1983 (nur Westdeutschland) und 2013 von 21 auf 33 Prozent. Die Einkommensstarken wachsen in der gleichen Zeit nur von 10 auf 15 Prozent Anteil an dieser Altersklasse - und die Mittelschicht schrumpft von 69 auf 52 Prozent - 17 Prozentpunkte Unterschied.

Bei den 30- bis 40-Jährigen reduziert sich die Mittelschicht derweil nur um 14 Prozentpunkte und bei den 45- bis 64-Jährigen nur um 8 Prozentpunkte. Und bei den über 64-Jährigen wächst die Mittelschicht in Deutschland sogar sehr stark von 24 Prozent 1983 (nur West) auf 41 Prozent im Jahr 2013 (17 Prozentpunkte Unterschied).

Zum Vergleich die USA: Hier sind die Werte für die Jungen annähernd gleich. Im mittleren Alter ist die Mittelschicht hauptsächlich deshalb schwächer ausgeprägt, weil es mehr Reiche gibt. Und bei den Menschen im Rentenalter findet man deutlich weniger Einkommensschwache, dafür tendenziell mehr mit mittleren Einkommen. 1971 gehörten hier 39 Prozent zur Mittelschicht, 2015 waren es 47 Prozent, also 15 bzw. 6 Prozentpunkte mehr als in Deutschland, ein eindeutiger Trend, auch wenn die Jahreszahlen nicht ganz deckungsgleich sind.

Das DIW hat auch die Mobilität innerhalb der Einkommensgruppen in Deutschland untersucht. Sie ist relativ gering. Zwei Drittel befanden sich nach sechs Jahren noch in der gleichen Schicht. Mehr als 15 Prozent wechselten allerdings im Durchschnitt von der Mitte nach unten, acht bis zehn Prozent nach oben.

Ausländer in Deutschland von Abstieg bedroht

Neben dem Alter spielt auch die Herkunft eine Rolle bei der Zugehörigkeit zu einer Schicht beziehungsweise beim Auf- und Abstieg. In den USA gehören Weiße und Asiaten häufiger zu den Einkommensstarken, Afro-Amerikaner und Lateinamerikaner sind eher unter den Einkommensschwachen zu finden. Vor allem Schwarze konnten sich hier im Lauf der Jahrzehnte von der unteren in die mittlere Schicht verbessern, während der Anteil der Lateinamerikaner an der Unterschicht am stärksten zunahm. Weiße und Asiaten verkleinerten dagegen ihren Anteil an der Einkommensmitte, weil sie in die obere Gruppe wechselten.

In Deutschland wird nicht nach Ethnien unterschieden, sondern nur danach, ob eine Person im In- oder Ausland geboren wurde. Hier zeigen die Zahlen, dass die Zahl der Ausländer in der Einkommensmitte besonders stark zurückgegangen ist - um 15 Prozentpunkte seit 1991, im Vergleich zu 5 Prozentpunkten für in Deutschland geborene Personen. Diese wechselten auch eher zu den Einkommensstarken, während bei den Ausländern vor allem der Anteil der Einkommensschwachen wuchs.

Niedriglöhne knabbern Mittelschicht ab

Die gute Entwicklung am Arbeitsmarkt mit einem deutlichen Zuwachs der Beschäftigung hat der deutschen Mittelschicht also kaum etwas genützt. Studien-Mitautor Markus Grabka erklärt das vor allem damit, dass es seit der Einführung der Arbeitsmarktreformen ab dem Jahr 2005 vermehrt schlecht bezahlte Jobs gibt.

Um die Mittelschicht in Deutschland zu stärken, schlagen die Studienautoren deshalb vor, beispielsweise Dienstleistungsberufe finanziell aufzuwerten. Für die gering entlohnten Minijobs solle es Anreize geben, diese in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu überführen. Auch Maßnahmen zur besseren Vereinbarung von Familie und Beruf sowie Aus- und Weiterbildung wären gut für einen Ausbau der Mittelschicht.

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