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Immunsystem unserer Kinder: ZDF-Doku "Schutz durch Schmutz" rüttelt auf


ZDF-Doku "Schutz durch Schmutz"
Zu viel Antibiotika, zu wenig Bakterien - deshalb werden unsere Kinder immer kränker

Aktualisiert am 05.05.2015Lesedauer: 4 Min.
ZDF-Film "Schutz durch Schmutz": Klara (5) leidet unter autoaggressivem Diabetes.Vergrößern des BildesKlara (5) leidet unter autoaggressivem Diabetes - wie rund 30.000 weitere Kinder in Deutschland. (Quelle: ZDF/Christian Roth)
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Verwandeln sich die Segnungen von Hygiene, moderner Medizin und industrieller Lebensmittelproduktion in einen Fluch? Bringt unser Lebensstil Generationen chronisch kranker Kinder hervor? Eine sehenswerte ZDF-Doku rüttelt auf und regt zum Umdenken an. Die 90 Minuten lange Version "Alte Freunde - neue Feinde" war auf Arte zu sehen. Eine kürzere Fassung mit dem Titel "Schutz durch Schmutz" lief in der ZDF-Reihe "planet e." .

Einige Fakten vorab:

  • Jedes dritte Kind in Deutschland ist von einer chronischen Krankheit wie Allergien, Asthma oder Diabetes betroffen.
  • 30.000 Kinder in Deutschland haben Diabetes Typ 1 und bei Kleinkindern steigt die Zahl der Erkrankungen europaweit stark an.
  • In den USA tritt Autismus bei einem von 42 Jungen und einem von 200 Mädchen auf.
  • Jedes dritte Kind in Deutschland kommt per Kaiserschnitt zur Welt.
  • Experten warnen vor den gesellschaftlichen Folgen, wenn ein Drittel einer Generation junger Menschen durch chronische Krankheiten im (Erwerbs)Leben beeinträchtigt ist.

Es fehlt die gesunde Portion Schmutz

"Es ist ein Paradoxon: Noch nie gab es so viel Wohlstand wie heute - gleichzeitig so viele Allergien und Autoimmunerkrankungen. Trotz aller Hygiene, trotz aller Arztbesuche, trotz aller Obhut und Fürsorge werden die Kinder immer kränker," sagt der Autor der Dokumentation, Bert Ehgartner.

Eine Kernaussage des Films ist, dass die westliche Lebensweise das Immunsystem unterfordert, weil wir es damit übertrieben haben, sowohl Bakterien als auch nützliche Mikroorganismen aus unserem Lebensraum zu vertreiben. Kann sich das Immunsystem nicht ausreichend mit äußeren Bedrohungen auseinandersetzen, besteht das Risiko, dass es überreagiert. Viele Zivilisationskrankheiten wie Allergien, Zöliakie oder Neurodermitis haben ihre Ursache in einer Fehlreaktion des Immunsystems. Chronisch entzündliche Darmkrankheiten oder Diabetes Typ 1 zählen zu den Autoimmunerkrankungen, bei denen das Immunsystem körpereigenes Gewebe angreift und zerstört.

Die ganze Familie leidet unter der Krankheit des Kindes

Die Dokumentation zeigt, wie sehr diese Krankheiten das Leben der Kinder und Familien beeinträchtigen. Klara (5), Esther (11) und Jonas (13) leiden an Diabetes und müssen mehrmals täglich Insulin spritzen. Jonah (5) wurde nach einer unüblichen Mehrfachimpfung heftig krank und ist seitdem Allergiker und neigt zu Knochenbrüchen. Die Autismus-Diagnose im Kleinkindalter hat die Familie des heute zwölfjährigen David in einen dauerhaften Extremzustand versetzt. Und die Erzieherinnen in Kitas müssen heute auch Ernährungswissenschaftlerinnen und Krankenschwestern sein, weil so viele Kinder Lebensmittelunverträglichkeiten und Allergien haben. Die Notfallinjektion gegen allergische Schocks liegt immer bereit.

Vorteil der Bauernkinder und DDR-Kinder

Lange war die Allergieforschung auf dem Irrweg. Die Annahme, dass Luftverschmutzung und enger Kontakt mit Tieren krank macht, ist widerlegt worden. Unter anderem durch die Forschung der renommierten Münchner Kinderärztin und Allergieforscherin Erika von Mutius. Sie hat sich intensiv mit dem so genannten Bauernhof-Effekt beschäftigt, nachdem Ärzten aufgefallen war, dass es kaum Bauernkinder mit Heuschnupfen gibt. Die Mikrobenvielfalt auf einem Bauernhof mit vielen Tierarten enthält schützende Substanzen für das Immunsystem.

Augenfällig war auch das Allergiegefälle zwischen West und Ost nach der Wende. Obwohl viele DDR-Kinder in Städten mit hoher Luftverschmutzung lebten, litten nur halb so viele an Allergien und Asthma wie im Westen. Außerdem waren die Kinderkrippen ein perfektes Trainingslager für das Immunsystem, denn dort kamen schon die Kleinsten mit vielen anderen Kindern - und Krankheitserregern - in Kontakt.

Einer uralten Schmutz- und Schutzformel auf der Spur

Wo aus westeuropäischer Wahrnehmung sehr unhygienische Zustände herrschen, geht die niederländische Parasitologin Maria Yazdanbakhsh auf Spurensuche: in einem abgelegenen Teil der indonesischen Insel Flores, wo die Menschen weder Kanalisation noch Leitungswasser haben und sich ein Großteil des Lebens im Freien abspielt. Fast alle Kinder haben dort Darmparasiten. Kinder mit Wurmbefall sind zwar oft kleiner und dünner, andererseits scheinen die Würmer im menschlichen Organismus durchaus nützlich zu sein: Yazdanbakhsh entdeckte, dass typische Zivilisationskrankheiten bei diesen Kindern nicht vorkommen und dass das Immunsystem im Vergleich zu europäischen Kindern ein vielfaches an Antigenen aufweist. Allerdings ist nicht zu vergessen, dass in tropischem Klima andere Krankheiten wie Malaria und Durchfallerkrankungen das Leben der Menschen gefährden.

Kaiserschnitt - die "antibakterielle Geburt"

Schon die Art unserer Geburt hat Auswirkungen auf das Immunsystem. Der Kinderarzt Herbert Renz-Polster hat Daten von 13.000 Kindern analysiert. Ein Ergebnis: Kinder, die per Kaiserschnitt auf die Welt kommen, haben ein erhöhtes Risiko für Allergien, Asthma und Diabetes. Für den Arzt wenig überraschend, denn bei einer natürlichen Geburt nimmt das Baby Bakterien aus dem Vaginaltrakt der Mutter auf. "Das ist ein enormer Startvorteil." Dagegen würden Kaiserschnittkinder aus einem sterilen Milieu geboren "und lesen sich Bakterien später irgendwo anders auf."

Jeder Mensch hat unzählige Mitbewohner

Mikroorganismen - und dazu gehören auch Bakterien - sind für den Menschen lebenswichtige Helfer, die unter anderem im Darm die Aufnahme von Vitaminen und Spurenelementen ermöglichen oder Zucker verdauen. "Der Mensch hat zehnmal mehr Mikroben als eigene Zellen", erklärt von Mutius. Diese Symbiose von Mensch und Mikroorganismen ist so alt wie die Menschheit selbst. "Alte Freunde" nennt sie der Immunologe Harald Renz von der Uniklinik Marburg in der ZDF-Doku. Das Immunsystem hat sich zu einer Zeit entwickelt, als es noch keine Hygienevorschriften gab.

Die Erkenntnis daraus: Die Medizin muss "zurück in die Zukunft". Es gilt, die immunologisch wirksamen Substanzen der Mikroorganismen und Parasiten zu identifizieren und daraus neuartige Medikamente zu entwickeln.

"Jetzt probieren wir das mal ohne Antibiotika"

Unsere Mitbewohner sind empfindlich. Bei jeder Antibiotika-Therapie gegen krankmachende Bakterien werden auch Kolonien nützlicher Mikroben zerstört, die sich nicht immer erholen. Seit Jahren warnen Wissenschaftler eindringlich vor übermäßigem und oft nutzlosem Einsatz von Antibiotika, zum Beispiel bei Erkältungskrankheiten oder Mittelohrentzündung, die nicht durch Bakterien, sondern durch Viren ausgelöst werden.

Kinderarzt Renz-Polster fordert ein Umdenken bei den Kollegen: "Wenn Eltern in die Praxis laufen mit der klaren Erwartung, nur ein Antibiotikum könne ihr Kind retten, dann ist der Druck auf den Arzt ein ganz anderer. Wir müssen neu lernen, dass wir auf manche gängige Mittel verzichten und das Rückgrat haben, zu sagen: 'Ihr Kind ist bei dem Befund gar nicht so schwer erkrankt. Jetzt probieren wir das mal ohne Antibiotika'".

Umstrittene Substanzen in Impfstoffen

Als Segen der Medizin gelten Impfungen, die zweifellos geholfen haben, viele lebensbedrohliche Krankheiten auszurotten oder einzudämmen. Trotzdem fordern Skeptiker eine vorurteilsfreie Prüfung, insbesondere der Auswirkungen von Impfstoffverstärkern wie Aluminiumsalzen. Im Film kommt der Mediziner Klaus Hartmann zu Wort, ehemaliger Mitarbeiter des Paul-Ehrlich-Instituts, das für die Prüfung von Impfstoffen zuständig ist. Er warnt vor Pauschalisierung, hält es aber für einen Fehler, Impfungen bei der Suche nach Ursachen chronischer Erkrankungen von Kindern auszuklammern.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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