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Jasmin (19): Ein Hundebiss entstellt ihr Gesicht - 13 OP`s


Mit sechs von Hund ins Gesicht gebissen
Jasmin (19) musste schon 13 Mal operiert werden

t-online, Anja Speitel

Aktualisiert am 24.03.2016Lesedauer: 5 Min.
Die 19-jährige Jasmin wurde als Kind von einem Hund gebissen. In der linken Gesichtshälfte mussten damals alle Muskeln, Nerven und das Fettgewebe entfernt werden. Zwölf weitere OPs folgten bis heute.Vergrößern des BildesDie 19-jährige Jasmin wurde als Kind von einem Hund gebissen. In der linken Gesichtshälfte mussten damals alle Muskeln, Nerven und das Fettgewebe entfernt werden. Zwölf weitere OPs folgten bis heute. (Quelle: Noah, RKH-Kassel)
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Die Bisswunde war nur so groß wie ein Fingernagel – doch dann entzündete sie sich so massiv, dass die heute 19-jährige Jasmin auf der linken Gesichtshälfte komplett gelähmt war. 13 Operationen folgten bislang – aber gleichmäßig lächeln kann die junge Frau noch immer nicht.

Jasmin ist eine besonders positive, sehr fröhliche junge Frau. Doch wenn sie lacht, verzieht sich ihr Gesicht ungleichmäßig. "Ich wurde mit sechs Jahren von einem Hund ins Gesicht gebissen, als ich ihm versehentlich auf die Pfote trat", erinnert sich die 19-jährige Auszubildende. Obwohl die Wunde nur so groß war wie ein Fingernagel und ärztlich versorgt wurde, begann zwei Wochen nach dem Hundebiss der lange Leidensweg von Jasmin.

Eine Entzündung lähmte Jasmins Gesicht

"Nachdem es die ersten 14 Tage so aussah, als ob alles schön verheilt, schwoll Jasmins linke Gesichtshälfte dann plötzlich stark an und war sehr heiß", erzählt Jasmins Mutter Nicole. "Der Hausarzt schickte uns ins Krankenhaus, wo Jasmin mehrere Drainagen gelegt bekam und vier Wochen am Antibiotikum-Tropf hing. Aber immer wenn es abgesetzt wurde, kam die Entzündung wieder und entstellte Jasmins Gesicht."

Die Kinderärzte schalteten Professor Ernst Magnus Noah ein, damals leitender Oberarzt der Klinik für Plastische Chirurgie des Universitätsklinikums in Aachen. "Als ich Jasmin sah, hatte sie bereits Ausfallerscheinungen im Gesicht", erinnert sich Noah. "Ich operierte das kleine Mädchen noch am selben Tag: Ein tiefgreifender Infekt hatte das gesamte Fettgewebe, die Muskulatur und Nerven der linken Gesichtshälfte zerstört. Deshalb musste ich dies leider komplett entfernen."

Jasmins Gesicht würde nach dieser OP gelähmt sein, musste der Professor der Mutter mitteilen. "Meine Gedanken überschlugen sich", erinnert sich Nicole. "Ich fühlte mich total hilflos, weil ich nicht wusste, wie ich meiner Tochter in dieser Situation helfen könnte. Auch das lange Warten auf Nachricht aus dem OP zermürbte mich: Jasmin wurde acht Stunden operiert, brauchte eine Bluttransfusion und wurde danach drei Tage ins künstliche Koma versetzt. Da war ich dann einfach nur noch glücklich, als meine Kleine wieder die Augen aufschlug. Und wusste: Wir schaffen das."

Trotz entstelltem Gesicht gleich zurück ins Leben

Bereits zwei Wochen nach dem schweren Eingriff begann für das Mädchen die Schule. "Ich wollte Jasmin erst zurückstellen. Aber Professor Noah hat mir Mut gemacht, dass wir weiterhin ganz normal am Leben teilnehmen", sagt die Mutter. "Denn ich würde Jasmin auch nicht ein Jahr nach der OP vor komischen Blicken schützen können."

So habe Nicole sich dann darauf konzentriert, Jasmins Selbstbewusstsein zu stärken: "Wir haben viel mit Schminke ausprobiert und sind ständig unter die Leute gegangen. Ich habe Jasmin zum Beispiel auch auf Voltigier-Turniere geschickt – da starren die Menschen auf jede Reiterin", so Nicole. "Durch Professor Noahs Hilfe konnten wir Jasmins Gesicht auch immer weiter verbessern. Bei allem habe ich meine Tochter natürlich begleitet. Wir sind durch alles sehr zusammengewachsen."

Zwölf Operationen verbesserten Jasmins Gesicht

Da das gesamte Fettgewebe, die Muskulatur und Nerven der linken Gesichtshälfte aufgrund des schweren Infekts bei Jasmin entfernt werden mussten, war bereits nach dieser ersten OP klar, dass dem Mädchen weitere Eingriffe bevorstehen: "Mindestens drei Operationen sind nötig, um das Gesicht bei solch einer Lähmung wieder zu rekonstruieren", sagt Noah.

"Bei Jasmin habe ich erst Nerven aus ihrem Bein in das Gesicht verpflanzt. Sie werden mikrochirurgisch an die Nerven der funktionierenden Gesichtshälfte angeschlossen und dann wie Kabel auf die andere Hälfte verlegt", erklärt der Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC).

Als die Nerven nach sechs bis neun Monaten gut angewachsen waren, konnte der Arzt dann einen feinen Oberschenkelmuskel in Jasmins Gesicht transplantieren. Dieser wird an die Gesichtsnerven und Gefäße angeschlossen. Dann heißt es wieder drei bis sechs Monate warten, bis sich der Muskel anfängt zu bewegen. Schließlich muss man den Muskel dann noch anpassen, also etwa ausdünnen oder straffen.

Bei Jasmin mussten jedoch bislang noch neun weitere Operationen vorgenommen werden. Da ihr Fettgewebe entfernt wurde, gleitet der transplantierte Muskel nicht, verklebt immer wieder mit ihrer Haut, verzieht sich oder verrutscht und wirft tiefe Falten. "In den vielen Folge-OPs habe ich immer wieder versucht, eine Verschiebeschicht für den Muskel zu schaffen, also Fett unter die Haut auf den Muskel zu transplantieren", erläutert Noah die Komplikationen, mit denen Jasmin zu kämpfen hat.

Als Jasmin weiter wuchs und später durch die Pubertät Gewicht zu- und abnahm, kam es zu Fettgewebe-Verschiebungen. "Dem Muskel fehlt wieder die Gleitschicht, sodass er sich nicht verschieben kann, etwa wenn Jasmin lacht. Außerdem musste der Muskel auch weiter ausgedünnt und immer wieder nachgespannt werden."

Doch egal, wie viele Operationen Jasmin noch über sich ergehen lassen wird: Feine Gesichtsbewegungen, wie zartes Schmunzeln, wird sie nie wieder zurückgewinnen.

Ihr Makel macht Jasmin heute stark

Als kleines Mädchen litt Jasmin sehr unter ihrem veränderten Aussehen: "In der Grundschule hatte ich immer Angst vor anderen Kindern, weil die komisch guckten oder mich hänselten. Ich habe mir wenig zugetraut. Aber irgendwann stand ich da drüber und habe angefangen mein Gesicht so zu akzeptieren, wie es ist: Ich liebe meine rechte, die schöne Seite, aber mittlerweile auch die linke, den bösen Blick. Mittlerweile modele ich sogar ein wenig und setze diese zwei Seiten gezielt ein", erzählt die junge Frau, die im Mai ihren 20. Geburtstag feiert.

"Aber ich finde trotzdem immer wieder etwas, was mich noch stört. Auch Schmerzen hatte ich schon, weil der transplantierte Wangenmuskel ständig krampfte. Ich habe zwar vor jeder OP panische Angst, aber solange Professor Noah sagt, dass ich noch etwas verbessern kann, werde ich es tun. Denn es ist auch klar, dass der Hundebiss weiter Auswirkungen auf meine Erscheinung haben wird – meine Gesichtshälften werden beispielsweise unterschiedlich schnell altern. Heute weiß ich aber, dass ich auch das schaffen werde. Ich bin durch den Unfall stärker geworden – und er hat sogar meinen Berufswunsch geprägt."

Optimistisch in die Zukunft

Seit Sommer 2015 macht Jasmin eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten. "So verrückt es klingt: Durch meine vielen Krankenhausaufenthalte habe ich Interesse an der Medizin bekommen, nachdem ich lange nicht wusste, welchen Weg ich einschlagen sollte. Mein größter Wunsch ist jetzt, meine Ausbildung gut abzuschließen und vielleicht sogar irgendwann bei Professor Noah auf Station zu arbeiten. Ich habe ihm so viel zu verdanken und er hat mich schon als Kind immer ernst genommen."

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Noah, der mittlerweile im Roten Kreuz Krankenhaus Kassel als Chefarzt die Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie sowie Handchirurgie leitet, ist selbst Vater einer Tochter in Jasmins Alter.

"Ich behandele Jasmin nun schon seit 14 Jahren. Da entwickelt sich natürlich ein besonderes Arzt-Patienten-Verhältnis. Zudem ist die Behandlung von Gesichtslähmungen mein Steckenpferd. Auf diesem Gebiet helfe ich auch immer wieder Kindern aus Krisengebieten. So kann ich ein Stück zurückgeben, denn das Geld verdienen wir Ästhetisch-Plastischen Chirurgen ja mit Brustoperationen und Straffungen", sagt Noah. Bei diesem "Handwerk" wird gerne vergessen, dass es dabei auch oft um ernste medizinische Probleme geht, wie bei Jasmin.

Die junge Frau blickt heute auch dank der Hilfe des Arztes optimistisch in die Zukunft: "Ich stehe jetzt vollkommen zu mir und habe mittlerweile auch Freunde an meiner Seite, die sich nicht von Äußerlichkeiten blenden lassen – das sind zwar nicht viele, aber die besten, die ich mir vorstellen kann. Genauso wie meine Mama, die immer an meiner Seite war und mir Mut gemacht hat."

Weitere Infos:

Schönheitschirurgie, ästhetische oder kosmetische Chirurgie sind in Deutschland ungeschützte Begriffe, mit denen jeder werben darf. Daher sollten Patienten sich immer an einen Facharzt für plastische Chirurgie wenden. Nur die Facharztausbildung eines Plastischen Chirurgen enthält die ästhetische Chirurgie des gesamten Körpers als festen Bestandteil.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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