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Sind Gourmetprodukte von Aldi, Lidl und Co. gut?


Essen & Trinken
Luxus light: Was Gourmet-Produkte vom Discounter taugen

Uwe Kauss

01.02.2017Lesedauer: 4 Min.
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Fast ein bisschen edel wirkt die Filiale der Zukunft von Aldi Süd. Da dürfen ein paar feine Produkte nicht fehlen: Eigenmarken etwa bei Champagner, Lachs, Whisky sollen die Kunden animieren, etwas mehr auszugeben.Vergrößern des Bildes
Fast ein bisschen edel wirkt die Filiale der Zukunft von Aldi Süd. Da dürfen ein paar feine Produkte nicht fehlen: Eigenmarken etwa bei Champagner, Lachs, Whisky sollen die Kunden animieren, etwas mehr auszugeben. (Quelle: Aldi Süd)

Wer Wildlachs genießen will, muss ihn nicht mehr im Feinkostgeschäft kaufen. Die Discounter haben ihn inzwischen ebenso im Angebot wie Champagner, Whisky, Barbarie-Entenbrust und Serrano-Schinken. Die Preise sind deutlich niedriger als an der Feinschmeckertheke. Wie ist das möglich? WANTED.DE erklärt es.

Wie wär's mit einem Glas Champagner? Ein Veuve Cliquot für knapp 50 Euro pro Flasche – oder lieber ein Veuve Monsigny für 12,99 Euro? Viele Konsumenten entscheiden schnell und schlicht: Sie nehmen die günstige Flasche, wie sie seit einigen Jahren bei Aldi im Regal steht. Manche sind felsenfest überzeugt: Der 13-Euro-Champagner kommt aus dem Hause Veuve Cliquot und trägt deswegen einen ähnlich klingenden Namen. Aldi habe für die Überproduktion des renommierten Hauses besonders günstige Konditionen ausgehandelt. Man bekomme echten Top-Champagner für rund ein Viertel des Preises – ein echtes Schnäppchen für Gourmets. Doch davon stimmt – nichts.

Schnäppchen-Schampus? Die bittere Wahrheit

Ein kleines Detail am unteren Rand des Etiketts schafft Aufklärung: Neben dem Namen des Abfüllers, des Champagnererzeugers und -händlers E. Michel in Vertus, findet sich das Kürzel "MA", gefolgt von einer Kontrollnummer. Die Buchstaben bezeichnen die unterste der sieben definierten Qualitätskategorien des Erzeugerverbandes "Comité interprofessionnel du vin de Champagne" (CIVC). Demnach steht "MA" für "Marque d'Acheteur", auf deutsch: Handelsmarke. Der Erzeuger – ein Händler, ein Weingut oder eine Genossenschaft – verkauft gefüllte Flaschen mit einem Namen und Etikett auf Kundenwunsch. Dabei kommt es nicht einmal darauf an, ob der Champagner von nur einem oder von mehreren Produzenten erzeugt worden ist. (Weitere Infos zur am Etikett ablesbaren Qualität eines Champagners lesen Sie hier)

Die Tricks der Discounter

Das ist für Aldi auch nicht wichtig, denn die Filialkette hat den Markennamen erfunden und sich alle Rechte daran gesichert. Diese Strategie nutzen inzwischen alle Discounter für ganz unterschiedliche Lebensmittel und Getränke. Der Discounter definiert mit seinen Weinexperten, welcher Geschmackskorridor der richtige ist, welche Perlage er haben soll und wie hoch der Verkaufspreis sein darf.

Der Vertragspartner – bei Aldi ist es E. Michel – lässt nach diesen Kriterien die passenden Weine bei großen Erzeugern produzieren, füllen und mit dem Aldi-Etikett versehen. Dabei geht es um riesige Mengen: Aldi Süd etwa betreibt allein in Deutschland etwa 1900 Filialen, weltweit sind es inzwischen 5600. Zum Konkurrenten Lidl gehören inzwischen fast 10.000 Filialen in mehr als 20 europäischen Ländern. Würde Aldi in jeder Filiale pro Woche die Mini-Menge von nur sechs Flaschen verkaufen, wären das schon etwa 10.000 Flaschen, pro Jahr hochgerechnet eine halbe Million. Bei diesen Mengen darf niemand auf Top-Qualität hoffen.

Fazit zum Discount-Champagner

Der Lidl-Champagner wird übrigens auf dieselbe Weise ins Regal gebracht und trägt den edel klingenden Fantasienamen "Comte de Brismand". Er stammt vom international agierenden Champagnerkonzern Vranken Pommery Monopole, der neben seinen Luxusmarken viele Discount- und Hotelketten Europas mit großen Mengen günstiger Flaschen versorgt. Daher gilt eine einfache Formel: Die Discount-Champagner sind ihr Geld wert. Aber auch nicht mehr. Sie sind meist handwerklich sauber gemacht, im besten Sinne schlicht und günstig.

Lachs vom Feinkost-Händler oder aus dem Supermarkt?

Wer dazu einen Teller Räucherlachs serviert, hat ebenso die Wahl: Entweder man lässt ihn beim Feinkosthändler frisch auswiegen und zahlt dafür seinen Preis – oder er holt küchenfertig verpackte Portionen vom Discounter, die deutlich weniger kosten. Lachs ist Lachs. Oder doch nicht? Im guten Feinkostgeschäft wählt der Eigner selbst beim Großhändler aus, was er seinen Kunden anbietet und was nicht. Er kennt Feinheiten und Unterschiede, seine Geschmacksnerven bewahren die Kunden vor Enttäuschungen. Beim Discounter gilt: Gekauft wie gesehen.

Der Aldi-Lachs der Eigenmarke Almare wird beispielsweise auch von der "Laschinger Aqua Group" beliefert, die unter eigenem Namen auch bei Lidl und bei Edeka im Regal steht. 3000 Mitarbeiter verarbeiten den Fisch zentral in Polen, der auch aus weit entfernten Fanggebieten mit Kühl-LKW ins Verarbeitungszentrum gebracht wird. Das Unternehmen gehört zum börsennotierten norwegischen "Marine Harvest"-Konzern in Oslo – nach eigenen Angaben einem der größten Seafood-Produzenten der Welt. Laut Zahlen des Unternehmens werden weltweit pro Tag sechs Millionen Portionen Fisch und Seafood aus dem Fang von Marine Harvest und seinen Töchtern verzehrt. Damit spielt der Konzern in der richtigen Liga, um Discountketten zu beliefern.

Stiftung Warentest zeigt: Massenware auch bei Olivenölen

Bei diesen Größenordnungen wird klar: Gourmet-Produkte, die mit höchster Sorgfalt in kleiner Menge produziert werden, kann es im Discounter niemals geben. Die benötigten Mengen sind riesig und Durchschnitt das höchste Niveau. Die Stiftung Warentest etwa testete kürzlich Olivenöl. Das Ergebnis: Von 24 Ölen aus dem Discounter oder Supermarkt fielen zehn wegen schlechter Qualität durch. Die Oliven stammten bei keinem der Öle aus einem einzigen Anbauland oder sogar einer Region. Oft stammten sie "aus europäischen Anbauländern". Das beste Öl kostete 6,25 Euro pro Flasche und kam von Aldi Nord. Es erhielt allerdings nur die Schulnote 2,9 – nicht besser als Durchschnitt.

Die Spirituosen von Aldi, Lidl und Co.

Selbst Whisky wird auf diese Weise vermarktet: Lidl etwa führt schottischen Whisky von Clydesdale und Ben Bracken, bei Aldi ist es Blackstone. Alle drei haben eins gemeinsam: Es sind Handelsmarken wie beim Champagner. Die beiden Lidl-Whiskys sollen laut Experten von der großen und wenig renommierten Brennerei Tamnavulin erzeugt worden sein, die nach eigenen Angaben pro Jahr etwa vier Millionen Liter reinen Alkohol erzeugt. Das ergibt bei etwa 40 bis 50 Volumenprozent und den üblichen 0,5- bis 0,7l-Liter-Whiskyflaschen die stattliche Menge von vielen Millionen Flaschen pro Jahr. Da sind Handelsfüllungen ein willkommenes Geschäft.

Aldi lässt seinen Blackstone in der Brennerei Glen Ord produzieren. Ihr Eigentümer: der brititsche Spirituosenkonzern Diageo, zu dem bis Ende 2014 auch Tamnavulin gehörte. Er vertreibt etwa Smirnoff, Johnnie Walker, Tanquerai Gin, Bailey's und Guinness sowie über 30 weitere Labels weltweit – darunter auch namhafte, teure Whisky-Sorten.

Die Einkäufer von Aldi, Lidl und Co verhandeln mit Großerzeugern wie Diageo, Marine Harvest oder Vranken Pommery meist Rahmendeals aus, mit denen sehr unterschiedliche Produkte aus dem Konzernverbund in ganz Europa in die Stahlregale der vielen Filialen geliefert werden. Das beschert hohe Umsätze für die Erzeuger und günstige Preise für die Einkäufer. So findet auch ein eigens gefüllter Whisky für wenig Geld in der richtigen Menge seinen Platz. Ob's ein Gourmet-Schnäppchen ist oder Durchschnittsware, entscheiden allein die Kunden. Wenn sie nicht mehr kaufen, wird die Ware ersetzt. So einfach ist das.

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