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Langzeitbabys: Wenn der Abschied von Gewohnheiten schwer fällt


Erziehung
"Langzeitbabys": Wenn der Abschied von Gewohnheiten schwer fällt

t-online, Jenni Zwick

Aktualisiert am 01.02.2013Lesedauer: 6 Min.
Nuckeln gibt Sicherheit - auch noch "im hohen Alter".Vergrößern des BildesNuckeln gibt Sicherheit - auch noch "im hohen Alter". (Quelle: imago-images-bilder)
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Ja es gibt sie - die Kinder, die mit sechs Jahren abends nach ihrer Milchflasche verlangen, die mit sieben noch mit ihrem Fantasiefreund sprechen oder die mit acht Jahren noch am Daumen lutschen. Die Eltern schämen sich oft für das Verhalten ihrer Sprösslinge und haben das Gefühl, irgendetwas stimmt doch da nicht. "Warum ist unser Kind so ein Langzeitbaby?!?" Falls Sie zu dieser Elternschaft gehören, lassen Sie sich gesagt sein: Sie sind nicht die einzigen, die sich über solche Verhaltensweisen ihrer Kinder Gedanken machen (müssen).

Nuckeln gibt Sicherheit - auch noch "im hohen Alter"

Ob Flasche, Schnuller oder Daumen, das Abgewöhnen vom Nuckeln fällt schwer. Stellen Sie sich vor, Sie dürften sich im Auto nicht mehr anschnallen und müssten ständig mit hundert Sachen durch die Stadt fahren. So ungefähr muss sich die Abgewöhnung des Nuckelns für unsere Kinder anfühlen. Denn Nuckeln ist ein Beruhigungsmittel, das Kindern durch den Nuckelreflex in die Wiege gelegt wird. Auch ältere Kinder beruhigen und trösten sich deshalb noch gerne mit dem Schnulli, der Flasche oder dem Daumen: Nuckeln entspannt und hilft, die Hektik des Alltags abzubauen - eigentlich eine feine Sache.

Dauernuckeln schadet den Zähnen

Dauernuckeln schadet allerdings den Zähnen und eine spätere Behandlung des Kieferorthopäden bleibt oftmals nicht aus. Bauen Sie trotzdem nicht zu viel Druck auf und seien Sie geduldig mit Ihrem Kind. Spätestens, wenn es in die Schule kommt, wird es in der Öffentlichkeit nicht mehr nuckeln, weil es ihm peinlich ist. In den Zeiten, in denen es alleine ist, motivieren Sie Ihr Kind durch Lob und kleine Anreize, das Lutschen zu lassen. Sitzt es nach der Schule im Auto und schafft es, den Daumen nicht direkt in den Mund zu schieben, freuen Sie sich mit ihm und sagen Sie ihm, dass Sie das toll finden. Malen Sie einen Wochenplan mit Ihrem Kind und tragen Sie gemeinsam mit Smileys oder kleinen Sonnen ein, zu welchen Zeiten Ihr Kind nicht den Daumen oder den Schnuller gebraucht hat.

Beruhigungsalternativen anbieten

Ist eine gewisse Anzahl an Sonnen angesammelt, darf es sich eine neue Kassette oder ein Kuscheltierchen aussuchen. Bieten Sie Ihrem Kind Beruhigungsalternativen an: Beispielsweise können Sie sich gemeinsam hinsetzen, einen Kakao trinken und über die Situationen sprechen, die es zum Nuckeln verleitet hat. Oder es macht sich eine Entspannungs-CD an (gibt es auch schon für Kinder) um sich eine kurze Auszeit zu nehmen. Oder es lässt sich von Ihnen kurz den Nacken massieren, um dem Bedürfnis des Nuckelns zu widerstehen. Sie werden merken, Ihr Kind möchte die Angewohnheit selbst los werden, unterstützen Sie es und seien Sie verständnisvoll, dann schaffen Sie es gemeinsam.

Kleine große Angsthasen

Kinder sind kleine Träumer und Fantasten - die sogenannte magische Phase zwischen dem dritten und dem fünften Lebensjahr ist ein ganz normaler Entwicklungsschritt. Doch was tun, wenn sie andauert und auch Grundschüler noch verträumt Luftschlösser bauen, Fantasiefreunde haben oder abends nicht alleine einschlafen wollen, weil sie Angst vor dem Monster im Schrank haben? Wichtig ist, dass solche Kinder langfristig lernen, was Realität ist und was eben nicht - doch das muss nicht schon morgen sein. Denn ihr psychologisches Profil ist häufig sehr positiv. Viele kleine Träumer neigen weniger zu aggressivem Verhalten, sie gehen ruhig an neue Dinge heran und sind auch bei anderen Kindern häufig beliebt, weil sie sie mit phantasievollen Spielen überraschen.

Schwierig wird es allerdings, wenn sich Kinder in ihre Traumwelt flüchten, weil sie mit neuen Gegebenheiten wie einem Umzug, einem neuen Geschwisterchen, Problemen in der Schule oder gar dem Tod eines geliebten Menschen nicht umgehen können. In diesen Fällen sind häufige Albträume oder ein fantastischer Freund ein Warnzeichen für die Eltern, die sich stärker mit den Problemen ihres Kindes beschäftigen sollten. Träumt Ihr Kind über eine Dauer von einem halben Jahr ein- oder mehrmals pro Woche schlecht und ist tagsüber verängstigt, raten Experten einen Kinderarzt aufzusuchen.

Wutanfälle - auch nach der Trotzphase

Kinder haben sich noch nicht so gut im Griff wie Erwachsene. Deshalb kommt es auch nach der Trotzphase noch zu Ausfälligkeiten oder richtigen Anfällen, weil die Gefühle mit den Kleinen durchgehen. Trotzdem sind viele Eltern überrascht, wenn ihr Achtjähriger gegen Türen oder gar Schienbeine tritt oder seinen Zorn durch lautes Schreien und Schimpfen kundtut. Bedenklich wird ein solches Verhalten erst, wenn es an der Tagesordnung ist und Sie als Eltern auch nach dem Wutanfall keinen Zugang zu Ihrem Kind finden. Ansonsten gilt: Augen zu und durch, das Kind, wenn möglich, im eigenen Zimmer toben lassen und, nachdem es sich wieder beruhigt hat, darüber sprechen, was ihn oder sie so aufgeregt hat.

Aggressionen nicht unterdrücken

Wenn Sie neben den positiven Gefühlen und Verhaltensweisen auch die Wut Ihres Kindes ernst nehmen, fühlt es sich verstanden und aufgehoben und es hat langfristig weniger Grund, zornig zu sein. Kinder sollten natürlich lernen, ihre Aggressionen zu kontrollieren und ein anderes Ventil für ihre starken Gefühle finden. Doch dürfen sie nicht grundsätzlich die Aggressionen verleugnen oder ständig unterdrücken, damit sie lieb und nett sind. Denn dann lernen sie nicht, die Aggressionen angemessen zu kanalisieren und die Wut baut sich auf, um irgendwann unerwartet stark auszubrechen. Aggressives Verhalten ist natürlich dann nicht akzeptabel, wenn Dinge dabei zerstört oder Menschen verletzt werden.

Wahrnehmungsübungen können helfen

Greift Ihr Kind andere Kinder an, während es einen Wutanfall hat, müssen Sie es natürlich augenblicklich von dem anderen Kind trennen und ihm zeigen, dass dieses Verhalten nicht akzeptabel ist. Tobt es bei Ihnen zu Hause, entziehen Sie sich der Situation und lassen Sie sich nicht auf Provokationen ein. Hat Ihr Kind keine Angriffsfläche, verzieht sich die Wut so schnell, wie sie gekommen ist. Manche Kinder erschrecken sich über sich selbst, wenn sie die Wut packt - ihr Charakter ist sehr impulsiv und sie spüren ihren Zorn erst, wenn sie schon mitten drin stecken und alleine aus dem Anfall nicht mehr heraus kommen. Helfen Sie Ihrem Kind mit Wahrnehmungsübungen, die Wut besser kennenzulernen.

Beim Versöhnen helfen

Besprechen Sie gemeinsam, wie sich die Wut anfühlt, wann sie langsam kommt oder wann sie plötzlich da ist. Welche Gefühle sie außerdem auslöst und was im Köper Ihres Kindes passiert, wenn es wütend ist. Spürt es dann das Kribbeln im Bauch als erstes Wutanzeichen, kann es vielleicht seinem Ärger Luft machen, ohne direkt an die Decke zu gehen. Das Wichtigste am Streiten ist natürlich das Versöhnen - und hier sind häufig Sie als Eltern gefragt. Gerade jüngere Kinder können sich noch nicht selbst überwinden, den ersten Schritt zu gehen, auch wenn sie sich schuldig fühlen und sich deshalb auch gerne entschuldigen würden. Geben Sie ihm und sich selbst einen liebevollen Stups und helfen Sie ihm oder ihr die richtigen Worte zu finden, indem Sie zuerst auf Ihr Kind zugehen.

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"Nicht ohne meinen Bumba-Bär"

Am ersten Schultag muss er mit, am zweiten auch noch und am dritten sowieso - der heiß geliebte Teddybär. Manche Kinder haben ein Kuscheltier, das sie am liebsten noch im Grundschulalter überall mitnehmen würden. Manche Eltern sehen das nicht gerne, zeigt es doch, dass ihr Kind noch nicht so eigenständig ist, wie sie es sich wünschen würden. Doch das ist ein falscher Rückschluss. Genauso wie das Nuckeln bedeutet ein Kuscheltier, das quasi von der ersten Stunde im Leben eines Kindes da war, Sicherheit. Und diese Sicherheit brauchen manche Kinder eben länger als andere.

Oftmals sind diese Kinder genauso stark wie andere, sie brauchen nur ein kleines bisschen mehr Zeit, um sich an neue Situationen zu gewöhnen. Um dies zu können, haben sie am liebsten ihren kleinen Freund dabei, denn mit ihm fühlen sie sich nicht so allein. Haben Sie ein solches Kind, seien Sie geduldig und geben Sie ihm Zeit. Sie werden merken: Bekommt es die Gelegenheit, sich ohne Rechtfertigung in seinem eigenen Tempo in der Schule, in der Nachmittagsbetreuung oder im neuen Sportverein einzugewöhnen, wird es nach kurzer Zeit den "Bumba-Bär" zu Hause lassen - und gestärkt aus der neuen Situation heraus gehen.

Blick auf das Positive

Nicht erst beim Lesen werden Sie gemerkt haben, dass es in der Erziehung vor allem um Geduld und Einfühlungsvermögen geht. Viele Probleme, mit denen man sich als Eltern beschäftigt, erscheinen nach ein, zwei Monaten als kleine Problemchen. Beim zweiten oder dritten Kind macht man sich vielleicht schon keine Gedanken mehr um sie. Vielleicht kennen Sie auch das Phänomen, dass Sie Verhaltensweisen, die Sie bei Ihren eigenen Kindern stören, bei anderen Kindern gar nicht so schlimm finden.

Das liegt meistens an unserer Wahrnehmung, denn wir Eltern neigen zu einem häufig ungesundem Perfektionismus. Wir nehmen die Defizite unserer Kinder stärker wahr als die vielen kleinen und großen Fortschritte, die sie ansonsten machen. Wir sollten deshalb den Blick vom vermeintlich Negativen zum Positiven wandern lassen und ihn für die tollen Dinge, die unsere Kinder können, schärfen. Denn dann fühlen sich die Kinder akzeptiert und geliebt - die beste Grundlage, um aus Kindern starke, einfühlsame und selbstbewusste Erwachsene zu machen - egal, wie lange sie auch am Daumen gelutscht haben mögen.

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