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Menschliche Embryonen wachsen im Labor


Ethisch umstritten
Forscher lassen Embryonen außerhalb des Mutterleibs wachsen

Von dpa
04.05.2016Lesedauer: 3 Min.
Menschlicher Embryo im Alter von fünf Tagen.Vergrößern des BildesMenschlicher Embryo im Alter von fünf Tagen. (Quelle: dpa-bilder)
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Ganz ohne "mütterliches Zutun" haben Forscher aus Großbritannien und den USA menschliche Embryonen für zwei Wochen im Labor heranwachsen lassen. Die Studien dürften die Diskussion um die Forschung an Embryonen neu beleben.

Erstmals haben Forscher die Entwicklung menschlicher Embryonen zwei Wochen lang detailliert in Kulturschalen beobachtet. Die Embryonen setzten sich im Alter von etwa einer Woche an einer künstlichen Substanz statt in der Gebärmutter fest und entwickelten sich weiter.

In einem Prozess der Selbstorganisation schlügen die Embryozellen unterschiedliche Entwicklungswege ein, völlig unabhängig von mütterlichen Einflüssen, berichten die Wissenschaftler in zwei Studien, die in den Fachblättern "Nature" und "Nature Cell Biology" veröffentlicht worden sind. Ihre Arbeiten könnten unter anderem dazu beitragen, die Ursachen von sehr frühen Fehlgeburten besser zu verstehen.

Bisher waren solche Experimente nicht möglich

Wissenschaftlich hoch interessant findet Dieter Birnbacher, Vorsitzender der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer, die Experimente. Bisher sei es nicht möglich gewesen, die Vorgänge rund um die Einnistung des Embryos außerhalb des Mutterleibes zu untersuchen. "Wir sind aber dennoch meilenweit entfernt von der Vision einer Ektogenese, also dem Heranzüchten eines Kindes außerhalb des Mutterleibes", betont Birnbacher.

Interessant seien die Ergebnisse auch aus ethisch-philosophischer Sicht. Sie untermauerten die auch dem deutschen Embryonenschutzgesetz zugrundeliegende Annahme, dass ein Embryo das Potenzial zur Selbstorganisation aus eigenen Ressourcen mitbringt.

Die "14-Tage-Regel" steht zur Diskussion

In einem Kommentar zu den Studien fordern die US-Wissenschaftler Insoo Hyun, Amy Wilkerson und Josephine Johnston die bisher in vielen Ländern praktizierte "14-Tage-Regel" auf den Prüfstand zu stellen. Nach dieser Regel dürfen Embryonen maximal 14 Tage außerhalb des mütterlichen Körpers im Labor heranwachsen.

Die vorgestellten Untersuchungen befänden sich auf Kollisionskurs mit dieser Linie, schreiben die Kommentatoren in "Nature". Da nun die Kultivierung menschlicher Embryonen über den 14. Tag hinaus greifbar erscheine, müsse die Regelung überdacht werden, um auch in Zukunft der Forschung und eventuellen moralischen Bedenken gerecht zu werden.

Die "14-Tage-Regel" gelte für Embryonenforscher in Ländern wie Australien, Kanada und den USA, aber auch in einigen europäischen Ländern wie Dänemark, Schweden oder Großbritannien. In einigen dieser Länder sei sie im Gesetz verankert, in anderen Teil wissenschaftlicher Richtlinien.

In Deutschland ist diese Art der Forschung verboten

In Deutschland wären solche Versuche ohnehin nicht möglich. Das Embryonenschutzgesetz verbietet die Forschung an Embryonen komplett. Embryonen dürfen hier einzig mit dem Ziel erzeugt werden, eine Schwangerschaft herbeizuführen, also etwa im Rahmen einer künstlichen Befruchtung.

Befruchtete Eizellen nisten sich etwa am Tag sieben ihrer Entwicklung als kugeliger Zellhaufen in der Gebärmutterschleimhaut ein. Anschließend spezialisieren sich die Zellen. Aus einigen geht der Embryo selbst hervor, aus anderen die Plazenta, die seine Ernährung in der Schwangerschaft sicherstellt. "Dieser Teil der menschlichen Entwicklung war eine völlige Black-Box", berichten die Forscher um Ali Brivanlou von der Rockefeller University in New York, der das erste Team geleitet hat.

Spezielle Nährlösung macht es möglich

Um die Abläufe besser zu untersuchen, nutzten sie eine Technik, die Magdalena Zernicka-Goetz von der University of Cambridge, Leiterin der zweiten Forschergruppe, zuvor an Mäusen etabliert hatte. Dabei kultivieren die Wissenschaftler die Embryonen mit Hilfe einer optimierten Nährlösung und stellen ihnen ein Gerüst bereit, an dem sie sich anheften können. Durch chemische Markierungen verschiedener Zelltypen in dem Embryo verfolgten die Wissenschaftler dessen Entwicklung.

Sie wurden so Zeuge, wie sich der Epiblast - jene Zellen, aus denen im Verlauf der Schwangerschaft das komplette Kind entsteht - von den beiden Zell-Linien trennt, aus denen die Plazenta und der Dottersack hervorgehen. "Erstaunlicherweise verlief die Entwicklung in unserem System in der völligen Abwesenheit mütterlichen Inputs mindestens in den ersten zwölf Tagen normal", sagte Brivanlou in einer Mitteilung der Rockefeller University. Beide Teams stellten die Versuche in Übereinstimmung mit den internationalen Vereinbarungen zur Forschung an Embryonen nach zwei Wochen ein.

Forschung zu Schwangerschaft und künstlicher Befruchtung

Das Zellkultursystem ermögliche es zu untersuchen, warum einige Schwangerschaften so früh enden und warum die Methoden der künstlichen Befruchtungen so geringe Erfolgsraten haben. Außerdem könne die Technik genutzt werden, um die Entwicklung von Therapien mit embryonalen Stammzellen voranzubringen.

Die Studien seien die Grundlage für ein besseres Verständnis der embryonalen Entwicklung über die Einnistung hinaus, schreibt Janet Rossant vom Hospital for Sick Children in Toronto (Kanada) in einem Kommentar.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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