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Lebensmittelimitate: Enzym pappt Fleischreste zu "ganzen" Stücken zusammen


Enzym pappt Fleischreste zu "ganzen" Stücken zusammen

ap

02.09.2010Lesedauer: 3 Min.
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Ist es Mogel-Fleisch oder echtes Rinderfilet? (Foto. imago)Vergrößern des Bildes
Ist es Mogel-Fleisch oder echtes Rinderfilet? (Foto. imago)

Nach Analogkäse, Garnelen- und Schinken-Imitaten müssen Verbraucher jetzt auf eine weitere Mogelpackung in Kühltheken, Kantinen oder Gaststätten gefasst sein: auf Klebefleisch. Das natürliche Enzym Transglutaminase macht es möglich: Kleine Fleischreste und -fetzen werden zu einem ganzen Stück zusammengefügt, etwa zu einer täuschend echten Scheibe Rinderfilet oder zu einem Nußschinken. Der Kunde kann die Mogelei nicht erkennen. Selbst Lebensmittelkontrolleure könnten Geklebtes erst im Labor ausmachen, sagt Katrin Grimmer, Sprecherin des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL).

Legal und trotzdem Verbrauchertäuschung

Verboten sind die Enzyme nicht. Gesundheitsbedenklich auch nicht. Ihr Einsatz in der Lebensmittelindustrie ist völlig legal und laut LGL auch bereits üblich. Doch die neue Technik wird ganz offensichtlich nicht an die große Glocke gehängt, der Endkunde kaum darüber informiert, was er kauft und isst. Das bringt Verbraucherschützer auf die Palme. "Das ist nichts anderes als Verbrauchertäuschung", kritisiert Matthias Wolfschmidt von der Organisation "Foodwatch".

So macht man ein Puzzle-Steak

Wie ein Puzzle-Steak aus Rindfleischresten im Labor auf wundersame Weise entsteht, hat das ZDF-Verbrauchermagazin "Wiso" vor kurzem gezeigt: Fleischfetzen in eine Schüssel, weißes Enzym-Pulver plus Wasser dazu und in Form bringen. Dann ab in den Kühlschrank und fertig sind die frisch geformten Fleischscheiben. Im Internet wirbt ein deutscher Vertreiber von Transglutaminase damit, dass das Enzym aus "Abschnitten, Kleinstücken (gewolfte Ware) ein ganzes Stück in beliebiger Form wieder" herstellen könne. Das klappt auch mit Fisch und Geflügel. Das Zusammenfügen von kaltem, rohen Fleisch sei eine neue Qualität der Irreführung, kritisiert Jutta Jaksche vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Die Verbraucher würden darüber im Dunkeln gelassen, dass sie kein gewachsenes Stück Rind, Schwein, Huhn oder Pute auf den Teller bekämen.

Lebensmittel müssen gekennzeichnet sein

Eigentlich müsste es immer auf der Verpackung draufstehen, wenn beispielsweise ein Nussschinken aus mehreren Teilen zusammengeklebt ist und dafür Transglutaminase verwendet wurde. Die Kennzeichnung sei eindeutig vom Gesetzgeber vorgesehen, sagt ein Sprecher des Bundesverbraucherministeriums: "Alle Lebensmittel müssen so gekennzeichnet werden, dass Irreführung ausgeschlossen ist." Eine vorsätzliche Täuschung sei eine Straftat.

Fetzen billiger als das Stück

Die gleiche Transparenz sollte auch in Gaststätten und Kantinen herrschen: Wird dort ein Klebe-Steak serviert, müsste die Speisekarte entsprechend gekennzeichnet sein, erläutert auch Grimmer. Nur so kann der Verbraucher erfahren, was er isst - und notfalls darauf verzichten. Rein theoretisch scheint die Lage recht klar zu sein - auch wenn kein Gesetz explizit vorschreibt, dass ein Filet immer aus einem gewachsenen Stück stammen muss. Doch auch an die Kennzeichnungspflicht halten sich Erzeuger, Handel und Gastronomie in der Praxis offenbar vielfach nicht, wie Sabine Klein, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, bemängelt. Sie meint: Das Ausgangsmaterial für ein Mogel-Steak, also die Reste, seien billiger als ein gewachsenes Stück. Die staatlichen Lebensmittelkontrolleure seien schon auf der Jagd nach nicht gekennzeichnetem Klebe-Fleisch, versichert Grimmer: "Wir sind dran an dem Thema." Bislang allerdings noch ohne Ergebnis.

Würstchen knackiger

Im Bundesverbraucherministerium "liegen keine Informationen vor, dass Produkte auf dem Markt sind, die nicht gekennzeichnet sind", so der Behördensprecher. Matthias Horst, Hauptgeschäftsführer beim Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, sagt, seines Wissens sei Transglutaminase "derzeit" nicht im Einsatz. Auf den Seiten der Internet-Firma, die das Enzym vertreibt, heißt es dagegen: "Die Bandbreite der Möglichkeiten ist riesengroß." Nicht nur Fleisch sei rekonstruierbar. Auch Würstchen werden mit dem Stoff knackiger gemacht, Schinkenscheiben fester, Joghurt haltbarer.

Mogelfleisch auch beim Metzger?

Bitter für alle Verbraucher: Sie haben bislang keine Chance, Mogel-Fleisch zu erkennen. Nicht einmal beim Metzger um die Ecke sind sie davor gefeit, wie Verbraucherschützer fürchten. Viele schlachteten nicht mehr selbst und kauften von Großhändlern zu. Jetzt sei die Politik gefragt und die Einführung eines Reinheitsgebots für Fleischwaren, fordert vzbv-Vertreterin Jaksche.

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