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Absinth-Museum im Val de Tavers eröffnet


Leben
Ein Tempel für die "Grüne Fee"

Aktualisiert am 22.07.2014Lesedauer: 5 Min.
Absinth war das Getränk der Dichter und DenkerVergrößern des BildesAbsinth war das Getränk der Dichter und Denker (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Die "Grüne Fee" wird durch ein eigenes Museum geehrt: Im "" im schweizerischen Môtiers können Einsteiger und Kenner einen Blick in die Geschichte des Getränks werfen. Und natürlich auch probieren.

Welch eine Karriere: Von der Medizin zum Getränk der Bohème, verbotenen Rauschmittel und nun zum Exponat eines eigenen Museums. Das Haus freut sich seit der Eröffnung Anfang Juli über einen enormen Zulauf, wie Sprecherin Christiane Didier auf Anfrage von wanted.de erläuterte. Kein Wunder: Selbst die "New York Times" hatte berichtet. Zwar ist die Homepage www.maison-absinthe.ch nur schwer zu finden und auch leider nur auf Französisch gehalten. Doch Genießer dürfte das nicht stoppen, denn die Faszination des Kultgetränks ist ungebrochen.

Medizin von Pernod

Das Wort "Absinth" geht zurück auf die lateinische und die griechische Bezeichnung für Wermuth - absinthium und apsinthion. Erste Texte über den Einsatz dieses Artemisia-Krautes finden sich in Texten aus der Zeit bis 1500 vor Christus - die Pflanze wurde zur Entwurmung und als Magen-Medizin eingesetzt. Erfunden worden sein soll der bittere Kräuter-Schnaps in der heutigen Form im Jahr 1769 von Madame Henriette Henriod in der Schweiz. >>

Andere Quellen sprechen von einem royalistischen Arzt, der in den Revolutionswirren in die Schweiz geflüchtet war. Ein gewisser Monsieur Henri-Louis Pernod brachte das berauschende Getränk schließlich im Jahr 1805 auf den Markt.

Französische Ärzte sorgten für den großen Boom, als sie in den 1830ern in den Algerien-Feldzügen den Soldaten Absinth verabreichten, um die Folgen von verdorbenem Wasser und Malaria zu bekämpfen - und um den Kampfgeist zu steigern.

Vom Militär in die Bohème

Die Truppe machte die "Fee Verte" schließlich in Frankreich bekannt - so wurde der Trunk zur "Grünen Stunde" zwischen 17 und 19 Uhr ausgeschenkt. Vor allem die Künstlerszene im Paris des 19. Jahrhunderts schwor auf Absinth - die Spirituose galt als Droge der Intelektuellen. Der Stoff soll die Kreativität anregen: Oscar Wilde schenkte sich gerne ein Gläschen ein, Ernest Hemingway war ihm nicht abgeneigt und auch Vincent van Gogh zählt zu den Genießern. >>

Begleitet wird der Genuss traditionell durch ein wenig Theater: Über das Glas wird gerne ein Absinthlöffel gelegt, darauf Würfelzucker, der dann mit Wasser übergossen und so aufgelöst wird. Die milchig weißen Schlieren bilden einen hübschen Kontrast zur giftgrünen Farbe. Und beim "tschechischen" oder auch "böhmischen Ritual" wird der Absinth über den Zucker gegossen und angezündet.

Zahlreich sind die Berichte über den Absinthrausch. Bei großen Mengen kommt es zu Halluzinationen, der Absinth soll zudem eine aphrodisierende Wirkung haben. Thujon ist ein Bestandteil des ätherischen Öls des Wermuts und ein Nervengift, das sogar Blindheit und epileptische Krämpfe hervor rufen kann. Neben dem auch Bitterer Beifuß genannten Kraut wird Absinth auch aus Anis und Fenchel destilliert - daher auch die grüne Farbe. Mitunter werden auch Muskat, Koriander und Wacholder verwendet.

Die berauschende Wirkung hatte aber in erster Linie mit dem hohen Alkoholgehalt der Spirituose zwischen 45 und 85 Volumenprozent zu tun - und vor allem durch billigen Fusel. Im 18. Jahrhundert wuchs europaweit die Angst vor dem grassierenden Alkoholismus: Während in England die Gin Craze tobte und in Deutschland der Rausch durch den Kartoffelschnaps weit verbreitet war, geriet in Frankreich und in der Schweiz die "Grüne Fee" in den Fokus.

Ein spektakulärer Mordfall im Sommer 1905 in der Waadtländer Gemeinde Commugny brachte das zwischenzeitliche Aus für den Schnaps: Der Weinbergarbeiter Jean Lanfray war starker Alkoholiker und ermordete seine schwangere Frau und seine zwei kleinen Töchter. Und er soll an diesem Tag Absinth getrunken haben. 1910 wurde Absinth schließlich in der Schweiz verboten, wenig später folgte Frankreich und zuletzt fast ganz Europa. Aufgehalten hat das die Hersteller nicht: Die Produktion wanderte in den Untergrund und der Schwarzmarkt florierte - allein im Val de Tavers sollen sich zu Hochzeiten rund 80 Schwarzbrennereien befunden haben. Mittlerweile ist das Verbot lange schon Geschichte und Absinth längst wieder Teil jeder guten Bar - wenn auch mit einer gehörig reduzierten Menge Thujon. Und natürlich mit hochwertigem Alkohol. >>

Allein im Val de Tavers werden jährlich über 120.000 Liter Absinth produziert. Natürlich wurde der Absinth-Tempel hier im Kanton Neuenburg - oder auch Neuchatel - gebaut. Ein Teil der Ausstellung widmet sich dem Verbot des Absinths, der sich auf dem Höhepunkt des Booms Ende des 19. Jahrhundert zu einer regelrechten Volksdroge entwickelt hatte. Und natürlich klären die Schweizer auf.

Historisch belegt sind fünf Qualitätsstufen: Absinthe des essences, also Absinth-Auszüge; Absinthe ordinaire, gewöhnlicher Absinth, Absinthe demi-fine (Absinth halb-fein), Absinthe fine (Absinth fein) und Absinthe Suisse, (Schweizer Absinth). Zur Klärung: Absinthe des essences enthält den geringsten Alkoholgehalt und die niedrigste Qualität. Absinthe Suisse verweist nicht auf das Herstellungsland, sondern auf einen besonders hohen Alkoholgehalt und eine hohe Qualität. Museums-Sprecherin Didier empfiehlt ansonsten den Absinthe Verte - je länger die Kräuter im Alkohol eingelegt sind, desto grüner ist der Trunk.

Ironie der Geschichte: Das "Haus des Absinths" befindet sich in jenem Gebäude, das früher das Bezirksgericht beherbergte. Dort erhielten zahlreiche Schwarzbrenner ihre Verurteilung. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1750 und wurde für zwei Millionen Franken aufwändig restauriert. Im Museum selbst erwartet Besucher eine vielseitige Reise durch die Geschichte des Absinths.

Absinth-Verkostung im Museum

Zu sehen sind außerdem Unikate aus dem Regionalmuseum Val de Travers. Interaktion steht dabei im Vordergrund: Verschiedene Filme und Touchscreens laden zum Ausprobieren ein. Für die Sinne ist natürlich auch etwas dabei: Mehr als 1200 Kräuter dürfen beschnuppert werden, an einer Bar warten 18 regionale Produkte bis zum Preis von 90 Franken pro Flasche. Der Eintritt beträgt zehn Schweizer Franken (rund 8,00 Euro); mit einer Probe sind es 14, mit drei Proben 16 Franken. Eine praktische Übersicht aller Destillen rund um Môtiers gibt es ebenfalls.

Zwischen dem nahegelegenen Noiraigue und dem in Frankreich liegenden Pontarlier wurde zudem die "Route de l'Absinthe" etabliert, eine 40 Kilometer lange Route, auf der es allerlei Köstlichkeiten und natürlich auch jede Menge Absinth gibt. In Boveresse gibt es ein weiteres, wenn auch kleineres Museum, das sich dem Absinth widmet. Mehr dazu in unserem Reisebericht. Wenn Sie nun auf den Geschmack gekommen sind, können Sie sich in unserer Fotoshow weiter informieren.

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