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Sizilien: Übernachten beim Mafia-Paten


Reisen
Übernachten beim Mafia-Paten

Frank Lansky

10.09.2012Lesedauer: 4 Min.
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Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.

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Dieses Angebot können Sie unmöglich ablehnen: Auf Sizilien bietet ein Urlaub auf den Spuren der Mafia einen ganz besonderen Nervenkitzel. Touristen unterstützten damit den Kampf gegen die Cosa Nostra. wanted.de hat sich umgehört und einige interessante ehemalige Mafia-Gebäude ausgesucht.

Die Mafia lebt: Ende August liquidierten zwei Killer der neapolitanischen Camorra am Strand von Terracina einen abtrünnigen Boss. Immerhin ist die "ehrenwerte Gesellschaft" auf Sizilien ein Stück auf dem Rückzug – was früher unmöglich war, ist nun Realität: Touristen können in verstaatlichten Gütern der sizilianischen Cosa Nostra entspannen.

Betten bei den Mafia-Bossen

Langsam greift die schärfste Waffe im Kampf gegen die Mafia: Seit 1982 ist die Enteignung von Mafia-Gütern möglich – seit 1996 können sie auch für soziale Zwecke genutzt werden. So wurden inzwischen mehr als zehn Milliarden Euro sowie rund 15.000 Gebäude, Villen, Grundstücke und Fabriken beschlagnahmt und teils in Genossenschaften umgewandelt.

Und genau davon profitiert heute der Tourismus: So sind im unauffälligen Anwesen "Terre di Corleone" 16 Betten für Touristen untergebracht. >>

Im hübsch renovierten Schafstall versteckte sich einst der Mafiaboss Toto Riina. Ganz besonderer Gruselfaktor: In der Nähe erwürgte Riinas Handlanger Giovanni Brusca den kleinen Jungen Giuseppe di Matteo nach monatelanger Gefangenschaft und löste die Leiche anschließend in Salzsäure auf – ein Racheakt an dessen Vater, der mit der Justiz kooperierte.

Weitere Mafia-Güter, in der Touristen übernachten können, sind "Placido Rizzotto" in San Guiseppe Jato und die Residenz "Calamancina" in San Vito lo Capo.

Auch für das leibliche Wohl sorgen die ehemaligen Paten: Das Weingut "I Cento Passi" (100 Schritte) verschafft arbeitslosen Jugendlichen ein legales Auskommen. Auf dem Wein einiger Ex-Mafiagüter steht auf dem Etikett eine Kampfansage: "Per fare questo vino si sono sporcati le mani ma non la coscienza": "Um diesen Wein herzustellen, haben wir zwar unsere Hände, aber nicht unser Gewissen beschmutzt." >>

Betreiber vieler Ex-Mafia-Güter ist die Organisation "Libera Terra", die von dem katholischen Priester Don Ciotti gegründet wurde – Einschüchterungen gibt es bis heute. Trotzdem hat "Libera" auf ehemaligen Ländereien des Mafiosi Giovanni Brusca eine Reitschule aufgebaut – sie trägt den Namen des Mordopfers Giuseppe di Matteo.

"Libera" verkauft zudem Linsen, Tee oder Nudeln aus "mafia-freiem Boden" mit garantiert viel "Vitamin-L": Mit einer großen Portion Legalität. Beim Olivenöl haben die Kunden die Wahl: Eines stammt von enteigneten Bäumen der Mafia-Organisation Sacra Corona Unita, das andere von beschlagnahmten Ländereien der Cosa Nostra.

Wer zudem beim Restaurant-Besuch den Widerstand unterstützen will, sollte bei Lokalen mit Schildern der Organisation "Adiopizzo" einkehren – pizzo ist Schutzgeld. Etwa 700 Unternehmer zahlen nicht an die Mafia, Adiopizzo bietet auch Reisen an. Allerdings zahlen 80 Prozent der Geschäfte noch immer Schutzgelder.

Blutspur aus Corleone

Rückblende: Bis in die späten 70er Jahre hatten auf Sizilien noch Mafia-Clans geherrscht, für die Gewalt nur die Ultima Ratio war. Dann jedoch übernahm die brutale und ländlich geprägte Mafia aus der Kleinstadt Corleone die Macht. Die Bosse Toto Riina, Michele Navarra, Luciano Liccio und Bernardo Provenzano stammen alle aus Corleone. In ihrem Auftrag wurden hier mehr als 300 Menschen ermordet und in den Höhlen der sonnenverbrannten Insel verscharrt.

Dann gelang den Ermittlern in Palermo der große Durchbruch: Nach dem Tod von Angehörigen des hochrangigen Mafioso Tommaso Buscetta brach dieser mit der Omerta. Am 29. September 1984 nahmen die Fahnder im "Blitz di San Michele" rund 400 Mafiosi fest, die meisten wanderten im spektakulären Maxi-Prozess in einem Hochsicherheits-Bunker im berüchtigten Gefängnis Ucciardone hinter Gitter. >>

Kopf der Anti-Mafia-Einheit war Giovanni Falcone. Am 23. Mai 1992 wurde der Untersuchungsrichter durch eine 500-Kilo-Bombe getötet. Auch seinen Spuren können Sizilien-Besucher folgen: Eine rote Granitsäule an der Autobahn in Capaci erinnert an das Attentat. Am 19. Juli 1992 fiel auch sein engster Vertrauter Paolo Borsellino einem Sprengstoffanschlag zum Opfer.

Der Staat schlägt zurück

Mit dem Tod der beiden Mafia-Jäger überspannte das Syndikat den Bogen – selbst in Palermo demonstrierten Hunderttausende gegen die Mafia. Der Staat nahm die Kriegserklärung an und drängte die Mafia mit Hilfe einer neuen Kronzeugen-Regelung zurück.

Nun ging es Schlag auf Schlag: 1993 fasste die Polizei den Auftraggeber des Attentats auf Falcone, Toto Riina, in der Cosa Nostra nur als "Die Bestie" bekannt. Sein Nachfolger als "Capo di tutti Capi", Bernardo Provenzano, wurde am 11. April 2006 in seiner Hütte drei Kilometer außerhalb von Corleone geschnappt - er schlief wie ein einfacher Bauer auf einem Feldbett. Provenzano befahl mehr als vier Jahrzehnte lang nur schriftlich aus Verstecken heraus, wer ermordet, erpresst oder entführt werden sollte; die Namen der Opfer schrieb er auf kleine Zettel, sogenannten "pizzini". In diesem Frühjahr wurde Mafia-Boss Salvatore Madonia festgenommen, der als Auftraggeber des Mordes an Borsellino gilt.

Und was tut sich in Corleone, wo es nie Demonstrationen gegen die Cosa Nostra gab? Die Heimat der Paten profitiert nun selbst vom Mafia-Tourismus. Zum einen erinnert das Anti-Mafia-Museum CIDMA an die unrühmliche Geschichte. In der "Central Bar" auf der Piazza Garibaldi erinnert zudem viel an den Film "Der Pate", das Meisterwerk von Francis Ford Coppola. Als Souvenir wird gerne ein Kräuterlikör mit dem Stadtbild auf dem Etikett gekauft. Der Name: "Il Padrino" - Der Pate.

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