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Milch: Moleküle in Milch sollen Diabetes und Krebs begünstigen


Umstrittenes Lebensmittel
Macht Milch krank?

spiegel-online, Nina Weber

10.09.2015Lesedauer: 5 Min.
Milch: gesund oder schädlich?Vergrößern des BildesIst Milch gesund oder schädlich? Darüber streiten sich Wissenschaftler. (Quelle: dpa)
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Milch liefert Proteine, stärkt die Knochen, gilt als gesund. Aber greift sie auch in unser Erbgut ein? Kritiker fürchten, das Getränk begünstige die Entstehung von Krankheiten wie Diabetes und Krebs. Was ist dran?

Was sich mit Sicherheit über Kuhmilch sagen lässt: In Deutschland ist sie beliebt. Rund 57 Liter Milch, dazu mehr als 24 Kilo Käse sowie gut sechs Kilo Butter verzehrt jeder Deutsche durchschnittlich in einem Jahr, teilt die Branche mit. Milch ist ein lange etabliertes, gut untersuchtes Lebensmittel, sagen viele Ernährungsforscher. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt pro Tag einen Viertelliter Trinkmilch.

Spricht man über Vorzüge und Nachteile der Milch, dreht es sich meist um:

  • Kalzium, das die Knochen stärken soll,
  • Proteine, die die Milch in hochwertiger Form bereitstellt,
  • gesättigte Fette, die nur in Maßen erwünscht sind, weshalb die DGE zu fettarmen Milchprodukten rät,
  • schädliche Transfette, die nicht nur künstlich durch Teilhärtung entstehen, sondern auch im Verdauungstrakt von Kühen,
  • den Milchzucker Laktose, der bei Menschen mit Laktoseunverträglichkeit Verdauungsprobleme auslöst.

Diese Liste ist jedoch nicht erschöpfend. Forscher diskutieren unter anderem über mögliche Vor- und Nachteile von in der Milch enthaltener MicroRNA (miR). Dabei handelt es sich um kleine, Erbgut-ähnliche Moleküle, die höchst spezifisch die Aktivität von Genen in unserem Körper beeinflussen können.

Ist das gesund?

Bodo Melnik, Dermatologe und Professor an der Universität Osnabrück, hat einige kritische Fachartikel zum Thema Milch veröffentlicht. "Milch wirkt wie ein Virusinfekt", schreibt der Forscher in einer E-Mail an SPIEGEL ONLINE. Dafür macht er unter anderem die miR verantwortlich.

Er sieht Kuhmilch nicht als simples Nahrungsmittel, sondern als ein "mächtiges evolutionäres Programm für eine schneller wachsende Spezies", wie er etwa 2013 im "Nutrition Journal" schrieb.

Anders gesagt: Für Säuglinge und Kälber ist Milch das optimale Nahrungsmittel, das sie vollständig versorgt und schnell wachsen lässt. Für Erwachsene ist sie laut Melnik dagegen schädlich, weil es weder für dieses Lebensalter noch für unsere Art gedacht ist.

Milch, so seine These, aktiviert im Körper einen bestimmten Signalweg, der mit der Entstehung von Akne, Arterienverkalkung, Diabetes, Übergewicht, Krebs und neurodegenerativen Krankheiten in Verbindung gebracht wird. Dies passiere unter anderem durch einige in der Milch besonders konzentriert vorkommende Proteinbausteine sowie eben die MicroRNA. Im Zuge dieser Prozesse steigere Milch die Konzentration des Wachstumsfaktors IGF-1, der unter anderem in Kindheit und Jugend das Wachstum steuert.

Riskante Wachstumsförderung?

"Wer viel Milch trinkt, hat einen höheren IGF-1-Spiegel, das haben mehrere Studien gezeigt", bestätigt Katharina Nimptsch, die sich am Max-Delbrück-Centrum in Berlin auch mit epidemiologischen Studien zum Milchkonsum beschäftigt.

Dass Milch übers Ankurbeln der Wachstumshormone das Risiko für verschiedene Zivilisationskrankheiten erhöhen könnte, ist aus ihrer Sicht eine interessante Hypothese. Aber: "Ein plausibler biologischer Mechanismus ist ja nur das eine. Die andere Frage ist: Gibt es tatsächlich einen relevanten Effekt im menschlichen Körper?"

Bisher stützen große Studien eher nicht den Ansatz, dass Milch ein grundsätzlich schädliches Lebensmittel für Erwachsene ist. "Milchkonsum erhöht nach aktuellem Wissenstand nicht das Risiko von Diabetes Typ-2, sondern hat sogar einen gewissen schützenden Effekt. Bei Herzkreislauferkrankungen sieht es ähnlich aus", sagt Nimptsch.

Eine Ausnahme ist Prostatakrebs: Hier scheint Milchkonsum das Risiko etwas zu erhöhen, berichtet der World Cancer Research Fund (WCRF).

Trotzdem gibt es Indizien für Nachteile des Milchkonsums. So zeigte eine schwedische Studie, dass Menschen mit Laktoseintoleranz, die Milchprodukte meiden müssen, seltener an Brust-, Eierstock- und Lungenkrebs erkranken - auch im direkten Vergleich mit nicht von der Unverträglichkeit betroffenen Angehörigen.

Zur Gefahr von Darmkrebs gibt es widersprüchliche Untersuchungen: Einerseits haben Forscher in Metaanalysen Hinweise darauf gefunden, dass das Risiko für Darmkrebs durch den Konsum von Milch sinkt. Andererseits wirft eine kürzlich veröffentlichte Studie die Frage auf, ob der Konsum von Fleisch und Milch des in Europa verbreiteten Hausrinds das Risiko für Brust- und Darmkrebs beeinflusst, der von Yak- und Zebu-Milch beziehungsweise -Fleisch dagegen nicht. Dies wäre im Einklang mit auffällig niedrigen Brust- und Darmkrebsraten in Indien, der Mongolei sowie Bolivien, wo die Mehrheit entweder Milch meidet oder solche von Yak oder Zebu trinkt. Die beiden Studienautoren, einer von ihnen ist der Nobelpreisträger Harald zur Hausen, werfen die Frage auf, ob in Hausrindern vorkommende Viren dies erklären können.

MicroRNA: Du bist, was du isst

Melnik verweist zudem darauf, dass Milch-MicroRNAs die Aktivität von Genen im menschlichen Körper verändern können. Er zitiert unter anderem die Arbeiten von Janos Zempleni von der University of Nebraska-Lincoln, dessen Labor an MicroRNAs forscht. Zemplenis Team konnte nachweisen, dass Menschen mit normal konsumierten Milchmengen so viel MicroRNA aufnehmen, dass diese die Genaktivität tatsächlich beeinflussen kann. Und dass die MicroRNA von Darmzellen aufgenommen wird. Die RNA ist nämlich so stabil verpackt, dass sie nicht nur das Pasteurisieren der Milch, sondern auch die Passage durch den Magen übersteht.

Die Gruppe Zempleni bewertet ihre Ergebnisse jedoch anders als Melnik: Während Melnik etwa betont, dass die MicroRNA-29b mit einem erhöhten Diabetes-Risiko in Verbindung gebracht werde, nennen Zempleni und Kollegen diese als potenziellen Förderer der Knochengesundheit.

Milch ist nicht das einzige Lebensmittel, das MicroRNAs enthält. Sie finden sich zum Beispiel auch in Eiern oder in Pflanzen - bei letzteren ist aber umstritten, ob sie in ausreichend hohen Mengen aufgenommen werden, um einen Effekt im Körper zu erzielen.

Was genau die mit der Nahrung aufgenommenen MicroRNAs in menschlichen Zellen bewirken, lässt sich bisher nicht sagen. Die vielen verschiedenen in der Milch enthaltenen MicroRNAs könnten mehr als 11.000 Gene beeinflussen, schreiben Zempleni und Kollegen. Ein Mensch hat weniger als 25.000 Gene.

Milch nicht verteufeln

Zempleni rät auf Basis seiner Forschung nicht vom Milchkonsum ab. Im Gegenteil: Versuche mit Mäusen, berichtet er, deuten sogar darauf hin, dass ein Mangel von miR in der Nahrung schadet. Er gehe fest davon aus, dass Milch-MicroRNA überwiegend positive Effekte habe, schreibt der Forscher in einer E-Mail an SPIEGEL ONLINE.

Gerhard Rechkemmer vom Max-Rubner-Institut für Ernährung und Lebensmittel betont, dass Melniks Thesen auf Grundlagenforschung beruhen. Man müsse dem nachgehen, aber die bisherigen Ergebnisse lieferten noch keinen Grund, vom Milchkonsum abzuraten.

Das Argument, dass Milch für Kälber und nicht für Menschen gedacht sei, lässt Rechkemmer nicht durchgehen. "Viele unserer Nahrungsmittel dienen in der Natur einem anderen Zweck." Das gilt fürs Salatblatt genauso wie für den Hühnerschenkel.

Auch Katharina Nimptsch meint, man solle die Milch nicht verteufeln. "Gegen ein, zwei Gläser Milch pro Tag ist nichts einzuwenden."

Aus den Augen verlieren sollte man die Kritik an der Milch trotzdem nicht.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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