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Ein rätselhafter Patient: Plötzlich abgemagert


Rätselhafter Patient
Plötzlich abgemagert

spiegel-online, Dennis Ballwieser

21.07.2014Lesedauer: 3 Min.
So sieht das Bakterium Tropheryma, der Erreger von Morbus Whipple, aus.Vergrößern des BildesSo sieht das Bakterium Tropheryma, der Erreger von Morbus Whipple, aus. (Quelle: Pathology Education Informational Resource)
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Zehn Kilo verliert ein 39-jähriger Brite in zwei Monaten - ohne Diät. Den Ärzten fallen sofort die geschwollenen Lymphknoten des Mannes auf. Doch ihr erster Verdacht stellt sich als falsch heraus.

Seit einem halben Jahr schwitzt der Mann nachts unerträglich. In den vergangenen zwei Monaten hat der 39-Jährige zehn Kilogramm abgenommen, obwohl er gar kein Gewicht verlieren wollte. Mit seinen Beschwerden geht er zum Hausarzt.

Trotz seines Gewichtsverlusts hat der Patient keine Magen-Darm-Beschwerden. Er raucht nicht, trinkt wenig Alkohol und reist auch nicht in abgelegene Gebiete der Welt, in denen er sich mit exotischen Erregern anstecken könnte. Er ist eigentlich rundum gesund, wenn man von einer Reihe verheilter Knochenbrüche absieht, die er sich bei seinem Hobby zugezogen hat: Der Engländer brettert beim Motocross durch den Schlamm.

Bei der Untersuchung stellt sein Arzt fest, dass sowohl in der Leiste als auch am Hals die Lymphknoten des Patienten geschwollen sind. Das kann ein Zeichen für eine Infektion sein, auch bei bösartigen Erkrankungen können die Lymphknoten schwellen. Die Milz des Mannes ist dagegen normal groß - bei einer vergrößerten Milz wäre zum Beispiel eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus vorstellbar, dem Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers.

Im ganzen Körper sind die Lymphknoten geschwollen

Im Frenchay Hospital der britischen Stadt Bristol untersuchen Blutspezialisten den Patienten. Aufgrund der Symptome nehmen die Ärzte an, dass der Mann an einem Lymphom leidet, einem gut- oder bösartigen Tumor des Lymphgewebes. Das würde auch das nächtliche Schwitzen und den Gewichtsverlust erklären: Mediziner nennen diese Beschwerden gemeinsam mit Fieber eine sogenannte B-Symptomatik, die bei unterschiedlichen Krebserkrankungen auftreten kann.

In der Blutuntersuchung sehen die Mediziner allerdings hauptsächlich normale Laborwerte, die ihre Theorie vom Lymphdrüsenkrebs nicht unterstützen. Auch ein Test auf das HI-Virus, den Auslöser der Immunschwäche Aids, ist negativ.

Bei einer Computertomografie (CT) von Brustkorb, Bauch und Becken sehen die Ärzte im gesamten Körper die geschwollenen Lymphknoten. Aus einem der Knoten nehmen sie mit einer Nadel eine Biopsie. Unter dem Mikroskop sehen sie krankhafte Veränderungen in den Abwehrzellen, aus denen die Lymphknoten vor allem aufgebaut sind.

Mittlerweile haben die Ärzte einen anderen Verdacht. Sie färben die Biopsie mit Chemikalien ein und suchen schließlich nach Spuren für Krankheitserreger. Tatsächlich gelingt ihnen der Nachweis, dass die Abwehrzellen des Patienten mit dem Bakterium Tropheryma whipplei infiziert sind, wie Sarah Walters und ihre Kollegen im Fachmagazin "The Lancet" berichten. Anschließend entnehmen sie auch aus der Dünndarmschleimhaut des Mannes noch eine Probe und finden auch hier typische Spuren des Erregers, der den Morbus Whipple verursacht.

Eine sehr seltene Diagnose

Die Whipple-Krankheit, benannt nach dem US-Medizin-Nobelpreisträger, der sie 1907 als Erster beschrieb, ist eine selten diagnostizierte Infektionskrankheit, die bei den meisten Patienten Darmbeschwerden hervorruft. Die Erreger erschweren die Nahrungsverwertung im Darm, wodurch die Betroffenen abnehmen. Befallen die Bakterien andere Organe, kann es zum Beispiel auch zu Gelenkschmerzen, Lungen- oder Herzbeschwerden kommen, gelegentlich bereits Jahre, bevor der Darm betroffen ist. Bei vielen Patienten verdunkelt sich die Haut. Unbehandelt endet die Krankheit meist tödlich. Die Behandlung beim Morbus Whipple ist eine ein- bis zweijährige Therapie mit Antibiotika, um einen Rückfall zuverlässig zu verhindern.

Seit der Erstbeschreibung wurden bis 1987 gerade einmal knapp 700 Fälle der Krankheit beobachtet, berichten die britischen Ärzte. Betroffen sind vor allem weiße Männer - warum das so ist, wissen die Mediziner nicht.

Vermutlich hat der britische Patient sich bei seinem Hobby, dem Motocross, mit dem Bakterium infiziert, mutmaßen seine Ärzte. Untypisch an ihm ist, dass er zwar abgenommen hat, aber keine eindeutigen Magen-Darm-Beschwerden hat.

Bereits nach dem ersten Monat seiner Antibiotikatherapie hat der Brite keine Beschwerden mehr und bereits fünf Kilogramm an Gewicht wieder zugenommen. Bei der letzten Nachuntersuchung, mehr als ein Jahr nach dem ersten Arztbesuch, hat er keine Beschwerden mehr. Die Ärzte planen, noch einmal seine Darmschleimhaut auf den Erreger zu untersuchen. Sollten sie nichts mehr finden, kann die Behandlung beendet werden.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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