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Oettingers Kampf um den Zaster – und um Europa


Poker beim EU-Gipfel
Oettingers Kampf um den Zaster – und um Europa

Peter Riesbeck

21.02.2018Lesedauer: 4 Min.
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Günther Oettinger: Als Haushaltskommissar der EU gilt sein Augenmerk dem lieben Geld.Vergrößern des Bildes
Günther Oettinger: Als Haushaltskommissar der EU gilt sein Augenmerk dem lieben Geld. (Quelle: Sophia Kembowski/dpa-bilder)

Am Donnerstag und Freitag beraten die Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel. Es geht um den neuen EU-Etat. Es geht mal wieder ums Geld – und um Europas Zukunft.

Eine Analyse von Peter Riesbeck

Die Lage: Welch' eine Szene zum Jahresbeginn in Wien. Österreichs Jung-Kanzler Sebastian Kurz hatte Hollands Premier Mark Rutte zum Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker geladen. Ein Tweet machte hernach die Runde, es zeigte Rutte und Kurz vertraut im Festsaal und das Statement des österreichischen Kanzlers ließ aufhorchen: Beide hätten das "klare Interesse, dass die EU nach dem Brexit auch schlanker wird".

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Das klingt nicht gut, was Europas konservativer Hoffnungsträger sagt. Zu Wochenbeginn legte das österreichisch-holländische Doppel nach. Die Niederlande lehnen höhere EU-Beiträge nach dem Brexit ab. Die EU habe "genügend finanziellen Spielraum", sekundierte Österreichs Finanzminister Hartwig Löger in Brüssel. Es wird also schwierig für den deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger, der den neuen Etat aufstellen muss. Den Anfang machen die Beratungen der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag in Brüssel.

Das Problem: Großbritannien geht, im März 2019 ist Schluss. Dann fehlen der EU zwischen zehn und dreizehn Milliarden Euro pro Jahr. Zudem soll die Gemeinschaft mehr Aufgaben übernehmen, die Außengrenze soll besser geschützt, die gemeinsame Verteidigung gestärkt und die Flüchtlinge integriert werden. Das kostet. Die großkoalitionäre Bundesregierung, so sie denn kommt, hat zwar ihre Bereitschaft zu höheren EU-Beiträgen im Koalitionsvertrag verankert. Aber Österreich und die Niederlande blockieren. "Wenn das Ziel immer nur ist, mehr Geld auszugeben, dann braucht es keine Politiker mehr", sagte Österreichs Kanzler Kurz der renommierten Wiener Zeitung "Standard".

Kurz geht also in Opposition zu Brüssel – in der Hoffnung, sich daheim zu profilieren. Bei den letzten EU-Etatberatungen hatte diese Rolle noch der britische Premier David Cameron übernommen. Im Frühjahr 2013 schenkten ihm die übrigen Staats- und Regierungschefs einen Sondergipfel und eine Beratungsverlängerung, nur damit Cameron daheim zeigen konnte, wie heldenhaft er für sein Land gekämpft hat. Cameron ist Geschichte, genutzt hat es ihm also wenig. Der EU aber auch nicht, die Briten gehen. Auch deshalb ist die neue Etatrunde so wichtig. Es geht um die Zukunft der EU und die Frage: Wie viel Europa darf's denn sein?

Der Haushaltszar: Günther Oettinger ist eine Schlüsselfigur im Haushaltsstreit. Der Mann ist EU-Haushaltskommissar. In Deutschland macht sich noch manch einer über das dürftige Englisch des einstigen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs lustig, in Brüssel gilt Oettinger längst als respektierter Global Playerle. Als EU-Energiekommissar entschärfte er nach der Annexion der Krim 2014 den Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine. Als Haushaltszar ist er nun einer der wichtigsten Politiker in der EU. Ohne ihn geht nix. Aber ohne die Zustimmung der Mitgliedstaaten läuft auch nix. Es wird mal wieder gefeilscht in Brüssel.

Die Haushaltslage: Europa kennt, wie Deutschland beim Finanzausgleich auch, Nettoempfänger und Nettozahler. Zu letzteren gehören Deutschland, Frankreich, Österreich, Holland, Finnland, Schweden, Dänemark, Belgien, Italien und (noch) Großbritannien. Die EU stellt immer siebenjährige Etatpläne auf, damit ist die langfristige Förderung von Projekten gesichert. Für den aktuellen Mehrjahreshaushalt von 2014 bis 2020 macht das rund 980 Milliarden Euro. Das sind rund 140 Milliarden Euro pro Jahr oder umgerechnet 1 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung.

41 Prozent der EU-Mittel fließen in die Landwirtschaft, 34 Prozent in Strukturhilfen für benachteiligte Regionen – auch im Osten Deutschlands. Wichtig: Die EU darf keine Schulden aufnehmen. Auch eigene Steuern sind ihr bislang verwehrt – auch wenn gerade geprüft wird, das zu ändern. Etwa durch eine Finanztransaktionssteuer auf Aktiengeschäfte, durch eine Plastiksteuer oder eine Abgabe auf Dieselkraftstoff.

Der Poker: Österreich und Holland stellen sich schon mal quer. Wird also schwierig. Der Abschied der Briten macht Kürzungen aber unvermeidlich. Verhandlungsmasse sind:

  • Agraretat: Um fünf bis zehn Prozent könnten die Agrarsubventionen sinken – doch droht der Widerstand der rauflustigen Bauern.
  • Konditionierung: EU-Fördergelder könnten zudem an die Aufnahme von Flüchtlingen oder die Einhaltung von Justizstandards gekoppelt werden. Doch droht hier heftiger Widerstand aus Ungarn und Polen. "Wir haben derzeit die Situation, dass sehr viel Geld in die osteuropäischen Staaten fließt, und viele von diesen Staaten sind gar nicht wirklich zufrieden", sagte Österreichs Kanzler Kurz dem "Standard".

Und warum ist das wichtig? Unabhängig davon drohen den östlichen Bundesländern kräftige Einschnitte, ebenso wie anderen Regionen im Osten Europas. EU-Fördergelder, etwa aus den wichtigen Strukturfonds, werden auf der Grundlage der durchschnittlichen Wirtschaftskraft einer Region ermittelt. Durch den Brexit und den Abschied ärmerer Regionen wie Wales und Nordengland ändert sich aber die Berechnungsgrundlage.

Für manche Region in Brandenburg, Sachsen und Thüringen dürften die liebgewonnenen Gelder aus Brüssel daher wegfallen. Kleiner Trost: Auch Regionen im östlichen Europa müssen bangen. Und: Weil sich die Autoindustrie dort kräftig entwickelt hatte, flog im letzten Etatplan Leipzig-Land aus der höchsten Förderstufe. Die Region hat's aber überlebt. Es gibt ein Leben nach den Subventionen aus Brüssel.

Fazit: Wenn's ums Geld geht, ist Schluss mit lustig. Politische Kollateralschäden nicht ausgeschlossen. Bislang standen die EU-Staaten in den Brexit-Verhandlungen geschlossen gegen Großbritannien. Doch emsig umwarb die britische Regierungschefin Theresa May zuletzt östliche EU-Staaten, etwa Polen. Die Etatberatungen werden hart, ein Auflösen der gemeinsamen Front gegen Großbritannien ist nicht ausgeschlossen. Dann droht mal wieder Chaos in Europa.

Der Haushaltsstreit wird giftig. Und langwierig. Der zuständige Haushaltskommissar Günther Oettinger will die Verhandlungen bis zur Europawahl im kommenden Mai abschließen. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat eine eigene Rechnung aufgemacht. Weniger als eine Tasse Cappuccino koste die EU einen Europäer am Tag. Die (britischen) Teetrinker müssen jetzt also ganz stark sein.

Verwendete Quellen
  • "Märkische Allgemeine Zeitung": EU-Fördergelder für Brandenburg auf der Kippe
  • "Politico": Der Cappuccino-Index
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