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Gegen IS und PKK: Türkei startet Zwei-Fronten-Krieg


Angst vor IS und PKK
Erdogans Türkei startet Zweifrontenkrieg

t-online, Eine Analyse von Özkan Canel Altintop

25.07.2015Lesedauer: 3 Min.
Die Türkei fliegt Angriffe gegen IS-Stellungen und PKK-Ziele.Vergrößern des BildesDie Türkei fliegt Angriffe gegen IS-Stellungen und PKK-Ziele. (Quelle: dpa-bilder)
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Am Freitag hat die Türkei erstmals IS-Stellungen in Syrien angegriffen. Gleichzeitig bombardierte die türkische Luftwaffe aber auch Ziele der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Die Reaktionen kamen prompt. Die Radikalislamisten kündigten Vergeltung an. Und die PKK sprach von einer Aufkündigung der Waffenruhe aus dem Jahr 2013. Nun steht die Türkei vor einer Zerreißprobe - und muss handeln.

Die Türkei ist nach dem Selbstmordanschlag in Suruc (Südtürkei) mit 32 Toten offiziell der US-geführten internationalen Koalition gegen die Terrororganisation Islamischer Staat beigetreten. Damit ist die tolerante und abwartende Haltung Ankaras gegenüber den Dschihadisten an der Grenze vorbei. Doch warum hat die türkische Regierung so lange gewartet?

Der heutige Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan war es, der einst den Friedensprozess mit den Kurden anstieß. Sein Plan: die Kurden erhalten kulturelle Anerkennung und politische Rechte. Im Gegenzug legt die PKK, die den Nordirak als Rückzugsgebiet nutzt, die Waffen nieder. Aber seitdem lauert ein neuer Feind.

Denn dann erreichte im Jahr 2011 der arabische Frühling Syrien. Die Proteste in Damaskus gegen Staatspräsident Baschar al-Assad eskalierten. Der Konflikt wurde zum Bürgerkrieg zwischen Sunniten, Schiiten, Assads Getreuen und Terroreinheiten der Al-Kaida und IS sowie Kurden. Erdogan wollte seinen einstigen Freund Assad lieber heute als morgen stürzen sehen und glaubte, die Gunst der Stunde nutzen zu können.

Sunnitische Achse unter Führung der Türkei

Der Grund: Erdogan und sein damaliger Außenminister und heutige Ministerpräsident Ahmet Davutoglu wollen in der Region eine sunnitische Achse unter Führung der Türkei schmieden. Syriens Diktator Assad ist Alawit - und der Hass gegenüber dieser Religionsgemeinschaft ist unter vielen Sunniten tief verankert.

Deswegen unterstützte Ankara offiziell gemäßigte sunnitische Rebellen im syrischen Bürgerkrieg. Tausende Kämpfer sind dazu in Camps in der Türkei ausgebildet worden. Wirklich effektiv gegen Assads gut ausgerüstete Truppen waren die Kämpfer aber nicht. Also blieb nur der sunnitische Islamische Staat als Verbündeter gegen Assad. Er ist ebenso gut ausgerüstet und vor allen Dingen viel entschlossener als die gemäßigten Rebellen.

Zudem befürchtete die Türkei von Beginn an, dass die Kurden als Sieger aus den Kämpfen hervorgehen könnten. Ein De-Facto-Kurdenstaat in Nordsyrien würde auch die Autonomiebestrebungen der Kurden im eigenen Land befördern.

Daher war die Türkei auch gegen eine Bewaffnung der Kurden in Kobane, um sie im Kampf gegen den IS zu stärken. Nur mit Hilfe der USA konnte der IS in der syrisch-türkischen Grenzstadt zurückgedrängt werden.

"Kein Kurdenstaat in Syrien"

Wie tief die Furcht vor einem Kurdenstaat in großen Teilen der Türkei sitzt, lässt sich Erdogans Aussagen ablesen: "Wir werden die Gründung eines Staates im Norden Syriens, im Süden von uns, niemals erlauben“, sagte er an dem Tag, als die kurdische Volksschutzeinheiten (YPG) im Kampf gegen den IS einen Sieg nach dem anderen vermeldeten.

Dafür ließ Ankara dem IS weitgehend freie Hand im Land. Die Terrormiliz konnte ein regelrechtes Netzwerk in der Türkei aufbauen und in Großstädten wie Istanbul und Gaziantep ihre Zellen organisieren. Die türkische Opposition spricht sogar von logistischer Unterstützung wie Waffen und medizinische Versorgung durch die Regierung.

Umdenken bei Erdogan?

Der jüngste Anschlag in Suruc durch den IS im Süden der Türkei hat jetzt offenbar zu einem Umdenken in Ankara geführt. Wohl auch deswegen, weil Erdogan eingesehen haben muss, was passieren kann, wenn er den IS weiter gewähren lässt. Denn die IS-Terrorgruppe hat nicht nur viele Sympathisanten in der Türkei. Im Land sollen Experten zufolge zwischen 1500 bis 3000 gewaltbereite Personen leben. Von ihnen geht eine erhebliche Gefährdung aus. Es drohen Anschläge auf belebte Märkte, Touristengebiete und U-Bahnen.

Wie groß das Potential ist, sieht man auch an den Polizeiaktionen der vergangenen Tage. Die Anti-Terror-Einheiten sollen bei Razzien mittlerweile fast 600 mutmaßliche Mitglieder der Dschihadistenmiliz festgenommen gehaben.

Konflikt mit PKK könnte eskalieren

Gleichzeitig richteten sich die Razzien aber auch gegen die PKK. "Wir werden der PKK nicht erlauben, die Gunst der Stunde zu nutzen und ihre Präsenz in unserem Land auszubauen“, sagte Davutoglu. "Wir werden unabhängig davon, welche terroristische Organisation eine Bedrohung für die Grenzen der Türkischen Republik darstellt, ohne zu zögern Maßnahmen treffen“, so der Ministerpräsident weiter.

Der Konflikt zwischen PKK und türkischer Regierung dauert seit über 30 Jahren an – und er droht nun erneut zu eskalieren. Am Mittwoch waren zwei Beamte in Sanliurfa getötet worden. Am Freitag wurden ein Polizist in Diyarbakır und 15 Arbeiter in Silopi an der Grenze zum Irak entführt. Türkische Terror-Experten befürchten Anschlagsserien, die selbst das schlimmste Kriegsjahr 1991 in den Schatten stellen könnten.

Mit zwei Gegnern wird es die Türkei schwer haben, ihrer Bevölkerung dauerhaften Schutz zu bieten. Erdogan muss sich entscheiden: Nur mit den Kurden gemeinsam kann er den Kampf gegen die Radikalislamisten gewinnen. Sonst verliert er die Kontrolle über die Türkei.

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