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Kommentar zur Frankreich-Wahl: Franzosen geben der EU eine Gnadenfrist


Kommentar zur Frankreich-Wahl
Franzosen geben der EU eine Gnadenfrist

t-online, Patrick Diekmann

07.05.2017Lesedauer: 3 Min.
Franzosen feiern in Paris den Sieg von Emmanuel Macron.Vergrößern des BildesFranzosen feiern in Paris den Sieg von Emmanuel Macron. (Quelle: dpa-bilder)
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Mit Angst blickten Europas Politiker auf die Präsidentschaftswahl in Frankreich. Ihr Favorit Emmanuel Macron triumphiert letztlich, aber das gute Ergebnis von Marine Le Pen ist ein deutlicher Warnschuss. Wenn so viele Menschen eine rechtsextreme Partei wählen, muss die Politik etwas verändern. Die EU braucht Reformen, aber nicht um jeden Preis.

Ein Kommentar von Patrick Diekmann

Entwarnung in Frankreich: Emmanuel Macron setzt sich in der Stichwahl gegen Marine Le Pen durch und wird neuer französischer Präsident. Europas politische Führung jubelt, war die Wahl doch zuvor als "Schicksalswahl für Europa" bezeichnet worden. In Brüssel und Berlin wird jedoch vergessen, dass in Frankreich 34,5 Prozent der Wähler für die Kandidatin des rechtsextremen Front National stimmten.

Das Wahlergebnis von Marine Le Pen muss besorgt zur Kenntnis genommen werden. Ihr Wahlkampf lief alles andere als vorteilhaft: Die anderen politischen Kräfte und Medien mobilisierten gegen sie und eine Plagiatsaffäre tat ihr Übriges.

Trotz des immensen politischen Widerstandes im Land und in Europa haben über ein Drittel der wählenden Franzosen für Le Pen gestimmt. Darunter waren Menschen, die sich abgehängt und von der Politik nicht mehr repräsentiert fühlen. Das Wahlergebnis ist auch ein Spiegel der Probleme, die die Europäische Union schon lange vor sich her trägt.

Lediglich Zeit gewonnen

Sollte die EU nicht aufwachen, wird sie wegen dieser Probleme zerbrechen, vielleicht schon nach der nächsten Frankreich-Wahl in fünf Jahren. Frankreich und die EU haben lediglich Zeit gewonnen, jetzt müssen Reformen her.

Das Spardiktat und die nationalen Haushalte in Europa müssen flexibler gestaltet werden, um Investitionen besonders in den Länder der Peripherie zu ermöglichen. Die steigende Jugendarbeitslosigkeit ist ein so großes Problem, dass auch in Frankreich viele junge Menschen ihre Stimme Le Pen gaben. Diese Perspektivlosigkeit bringt dem Front National und anderen extremistischen Kräften Wählerstimmen.

Werden hier keine Lösungen gefunden, ist die EU bei der nächsten Wahl erneut akut in Gefahr. Die EU-Länder sollten jedoch auch Abstand davon nehmen, die nationalen Wahlen in einem Land zu beeinflussen, denn genau das könnte auf Dauer zu Trotzreaktionen in einigen Ländern führen.

Wahl zwischen Pest und Cholera

Dies sind aber nur einige Punkte, mit denen sich Macron als Präsident und auch die Politik in Deutschland umgehend beschäftigen müssen. Der designierte französische Präsident muss der zunehmenden Spaltung der französischen Gesellschaft entgegenwirken, sich um die Arbeitslosigkeit und die schwächelnde Wirtschaft kümmern und eine an vielen Stellen fehlgeschlagene Integrationspolitik reformieren.

Hier liegt auch eine Gefahr: Sollte sich Macron dazu gedrängt fühlen, eine französische "Agenda 2010" nach dem Vorbild von Gerhard Schröder umzusetzen, wird er viele Wähler-Hoffnungen enttäuschen, weil er so "den Schwachen" in der französischen Gesellschaft noch mehr abverlangen würde.

Laut einer Umfrage vor der Stichwahl trafen 65 Prozent der Macron-Wähler ihre Entscheidung, um Le Pen zu verhindern. Für viele Franzosen war die Stichwahl die Wahl zwischen Pest und Cholera. In der nächsten Legislatur müssen Macron und die EU das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen – einen großen Vertrauensvorschuss bekamen sie nicht.

Keine Stimme für Fremdenfeindlichkeit

Aber auch die Bürger in Frankreich und Europa sollten ihr Wahlverhalten hinterfragen. Wir haben in Europa zu viel aufgebaut, um dies mit einer Stimme für Radikale zu riskieren. Auch in Deutschland machten einige politische Strömungen Werbung für Le Pen. Diese Menschen müssen akzeptieren, dass sich die EU und auch die nationalen Gesellschaften nicht auf einen Schlag verändern werden.

Wir müssen alle gemeinsam daran arbeiten, das System zu verbessern. Es gehört zur Demokratie, Werbung für die eigenen Positionen zu machen, aber auch andere Mehrheiten zu akzeptieren. Bei der nächsten Wahl gibt es immer einen neuen Versuch – auch für die Linken unter Jean-Luc Mélenchon in Frankreich.

Eine Stimme für Intoleranz und für eine Politik der Abschottung darf dagegen nie die Lösung sein. Denn Unzufriedenheit mit der politischen Führung und Wunsch nach Wandel rechtfertigen nicht die Wahl von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus.

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