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"Anne Will": Heiko Maas nennt Erdogan-Vorwürfe "abstrus"


Klare Worte bei Anne Will
Maas nennt Erdogan-Vorwürfe "abstrus, infam und abwegig"

t-online, Von David Heisig

Aktualisiert am 06.03.2017Lesedauer: 4 Min.
Bundesjustizminister Heiko Maas bei Anne Wills TV-Talk.Vergrößern des BildesBundesjustizminister Heiko Maas bei Anne Wills TV-Talk. (Quelle: Jürgen Heinrich/imago-images-bilder)
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Nach Erdogans provokantem Nazi-Vergleich hat Anne Will in ihrem Sonntags-Talk gefragt, wie man die deutsch-türkische Kuh wieder vom diplomatischen Eis bekommt. Bundesjustizminister Heiko Maas plädierte zwar für Besonnenheit. Er fand aber auch deutliche Worte für Erdogans Vorwürfe.

Die Gäste

  • Armin Laschet (CDU), stellv. Bundesvorsitzender
  • Heiko Maas (SPD), Bundesjustizminister
  • Sevim Dagdelen (Die Linke), Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags
  • Günter Verheugen (SPD), ehemaliger EU-Kommissar
  • Can Dündar, türkischer Journalist

Harsche Vorwürfe

Der türkische Staatspräsdident Recep Tayyip Erdogan hatte deutschen Behörden vorgeworfen, mit der Untersagung von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in Deutschland wie in der Nazi-Zeit zu handeln. Den Vorwurf nannte Maas "abstrus, infam und abwegig". Auch Laschet konnte kaum an sich halten. Wahlkampf für das türkische Verfassungsreferendum dürfe es in Deutschland nicht geben.

Die Fronten

Klare Kante für ein Einreiseverbot für türkische Politiker wollten weder Laschet noch Maas zeigen. Zu viel diplomatisches Porzellan ruht im deutsch-türkischen Wohnzimmer. Weitere Gespräche müssten abgewartet werden. Auch wenn man beiden anmerkte, dass ihre diplomatischen Nerven schon sehr gespannt sind. Man müsse klar sagen, was man von der Türkei wolle, ohne die Gesprächsbrücken abzubrechen, so Maas. Aufstachelung sei Erdogans Geschäft, urteilte er.

Viel Kopfnicken in der Runde. Auch vom Diplomatie-Profi Verheugen. Allerdings dürfe man sich über die türkische Haltung nicht wundern, zeigte er auch Verständnis. Man lasse die Türkei in der Flüchtlingspolitik die "Drecksarbeit" machen. Zudem sei die Politik gegenüber der Türkei unehrlich. Immerhin verspreche man seit 60 Jahren die Aufnahme in die EU. Einen Plan, von dem man sich seit 2005 immer weiter verabschiede.

Allerdings sei die Meinungsfreiheit die "größte Errungenschaft". "Sind wir ein Land, in dem Meinungsfreiheit gilt oder nicht?", fragte der SPD-Mann. Auch wenn die Türkei Journalisten einsperre, dürfe man das nicht mit gleicher Münze zurückzahlen.

Aufreger des Abends

Spätestens da war Dagdelen auf 180. Dialog sei eine Illusion. "Ich möchte nicht, dass Deutschland zur Wahlkampfarena der türkischen Despotie wird", schimpfte sie. Sie forderte eine klare Aussage der Bundesregierung, statt die Regulierung durch Veranstaltungsverbote den Kommunen zu überlassen. Maas konterte, Einreiseverbote würden nichts bringen. "Wo ist denn ihre rote Linie?", empörte sich Dagdelen, sichtlich genervt von Maas Besonnenheit. Die Bundesregierung betreibe eine Politik der Leisetreterei, ihre Türkeipolitik sei gescheitert. Maas polterte zurück: Welche Konsequenz sie denn ziehen würde. "Ich würde einiges hier machen", ätzte sie: Der Türkei den EU-Geldhahn zudrehen, keine Waffen mehr liefern, Wahlkampfauftritte verbieten. Dafür gab es Szenenapplaus.

Will-Momente

Will war sichtlich angespannt. Kaum eine Spur des Charmant-Schelmischen, das sie sonst gerne an den Tag legt. Erscheint Nachbohren bei ausweichenden Antworten eigentlich ihre sportliche Herausforderung zu sein, ging ihr das Rumlavieren der Kundschaft dieses Mal auf den Geist. Etwa als Laschet auf mehrmaliges Nachfragen, warum er und die Bundesregierung keine klare Kante in Bezug auf Auftrittsverbote für türkische Politiker in Deutschland zeige, immer wieder ausweichend antwortete. Da konnte sie sich den kleinen Seitenhieb, sie verstünde nicht, was Laschet eigentlich sagen wolle, nicht verkneifen. Als Dagdelen Laschet in wildem Aufruhr vorwarf, "Sprachrohr" des türkischen Regimes zu sein und dieser vor Empörung fast explodierte, blieb Will nur ein: "Ich breche hier ab".

Höhepunkt des Abends

Auch die Schalte nach Istanbul zu Yücels Schwester Ilkay blieb für Will schwierig. Sie wollte mit ihr über deren Versuch sprechen, ihren Bruder in der U-Haft zu besuchen. Yücel war sichtlich angespannt, die Antworten fielen schwer. "Kann ihr Bruder das irgendwie durchhalten?", fragte Will zum Beispiel. "Das vermag ich nicht zu sagen." Man spürte förmlich, wie Yücel mit den Tränen kämpfte.

Will sah man an, wie es hinter ihrem verständnisvollen Lächeln ratterte. Sie wollte die Gefühle der Gesprächspartnerin nicht überstrapazieren und aus der Nummer heil rauskommen. Dennoch war das Gespräch der Höhepunkt des Abends. Führte es doch ganz klar vor Augen, wie absurd die Situation ist.

Yücel und viele andere sitzen im Gefängnis, weil sie ein Grundrecht wahrgenommen haben: ihre Meinung zu sagen. Angehörige wissen nicht, wie es ihren Lieben geht, welcher Prozess sie erwartet oder wann sie wieder in die Arme geschlossen werden können.

Was schade war

Das machte auch die Crux aus, unter der die Sendung litt. Da saß mit Dündar einer, der ebenso Schreckliches in türkischer Haft erfahren hatte. Ob Yücel eine Chance auf einen fairen Prozess habe? Nein. Die Türkei sei kein Rechtsstaat mehr.

Doch die Runde schaffte es nicht, diese Erfahrungswerte mit in die Diskussion aufzunehmen. Mag es ob der holprigen Simultanübersetzung schwer gewesen sein, Dündars Gedankengängen immer zu folgen. Mit ins Diskussionsboot wurde er jedenfalls nicht geholt.

Als Laschet und Verheugen sich am Ende stritten, ob die Bundeskanzlerin 2005 mit ihrer Forderung nach einer "privilegierten Partnerschaft" statt EU-Mitgliedschaft das Abwenden der Türkei von Europa eingeläutet habe, konnte Maas nur noch mal besonnen die Frage aufwerfen: "Wie verhalten wir uns jetzt?" Darauf bekam er keine Antwort mehr. Solidarität könne helfen, mutmaßte Dündar daraufhin immer noch ein wenig hoffnungsvoll.

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