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Fall Skripal: Warum das Ausweisen von russischen Diplomaten so heikel ist


Warum das Ausweisen von Diplomaten heikel ist

Von dpa, job

Aktualisiert am 27.03.2018Lesedauer: 3 Min.
Die russische Flagge weht auf dem Gebäude der russischen Botschaft in Berlin: Auch Deutschland weist vier russische Diplomaten aus – allerdings mit Bauchschmerzen.Vergrößern des BildesDie russische Flagge weht auf dem Gebäude der russischen Botschaft in Berlin: Auch Deutschland weist vier russische Diplomaten aus – allerdings mit Bauchschmerzen. (Quelle: Britta Pedersen/dpa-bilder)
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Der Westen weist in einer konzertierten Aktion mehr als 100 russische Diplomaten aus. Ein Zeichen im Fall Skripal. In Berlin gibt es jedoch Bedenken. Zu Recht, sagt Russlandexperte Stefan Meister.

Der Westen versucht, im Konflikt mit Russland Härte zu zeigen – und wählt dafür eine Dramaturgie fast wie im Kalten Krieg. Erst verkünden die USA um Punkt 15 Uhr deutscher Zeit die Ausweisung von 60 angeblichen russischen Geheimdienstmitarbeitern wegen des Giftanschlags auf den früheren Doppelagenten Sergei Skripal in Großbritannien. Kurz darauf teilt EU-Ratspräsident Donald Tusk mit, dass neben Großbritannien mindestens 16 weitere EU-Staaten russische Diplomaten ausweisen. Deutschland ist dabei, wenn auch wohl mit Bauchschmerzen.

"Eine so umfangreiche, abgestimmte Aktion hat es meines Wissens bislang noch nicht gegeben", sagt Stefan Meister t-online.de. Er ist Russlandexperte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Was als Zeichen der Entschlossenheit und Solidarität mit Großbritannien gedacht sein dürfte, macht zugleich eine Spaltung innerhalb der EU deutlich: Denn nicht alle Mitgliedstaaten schlossen sich der diplomatischen Ohrfeige für Kreml-Chef Wladimir Putin an.

Experte: Ausweisungen stärken Putin im Inland

Der Riss im Bündnis dürfte auch einer der wesentlichen Gründe sein, warum Berlin bei der konzertierten Aktion mitmacht. Nichts anderes sei vor diesem Hintergrund möglich gewesen, heißt es in der Bundesregierung hinter vorgehaltener Hand. Hätten Deutschland und auch Frankreich nicht mitgemacht, wäre die Spaltung der EU noch deutlicher geworden. Zugleich wird betont, die Zahl von vier ausgewiesenen Diplomaten liege am unteren Rand dessen, was möglich sei. Auch sei Deutschland nicht die treibende Kraft.

Die Skepsis den Ausweisungen gegenüber ist aus Sicht von DGAP-Russlandexperte Meister angebracht: "Das wird nicht dazu führen, dass Russland einlenkt. Es verhärtet die Situation weiter", sagt er. Die Ausweisung von Diplomaten treffe Russland weder ökonomisch noch politisch wirklich. "Sie stärken die Wagenburgmentalität in Russland und damit die Position von Wladimir Putin im Inland." Die Ausweisungen passten in das Bild, das Putin gerne zeichne: vom Westen, der Russland schwächen wolle.

Diese Staaten wiesen am Montag russische Diplomaten aus:
USA: 60
Ukraine: 13
Deutschland, Frankreich, Polen, Kanada: je 4
Litauen, Tschechien: je 3
Dänemark, Niederlande, Italien, Spanien, Albanien: je 2
Estland, Lettland, Schweden, Rumänien, Finnland, Kroatien, Ungarn: je 1

Die Erklärung des neuen Bundesaußenministers Heiko Maas zeigt dann auch eine Gratwanderung zwischen Solidarität mit London und dem Bemühen, die Möglichkeit eines Dialogs mit Moskau nicht zu verbauen. "Wir haben die Entscheidung zur Ausweisung der russischen Diplomaten nicht leichtfertig getroffen", sagt Maas. "Aber die Fakten und Indizien weisen nach Russland." Der Kreml habe bisher keine der offenen Fragen beantwortet. Doch Maas betont: "Wir sind weiterhin offen für einen konstruktiven Dialog mit Russland."

Seit 2014 verschlechtern sich die Beziehungen

Derzeit ist dieser Dialog nicht sonderlich ausgeprägt – um es vorsichtig auszudrücken. Seit 2014 geht es mit den Beziehungen bergab: Erst der Konflikt um die Annexion der Krim, dann um den Abschuss der Passagiermaschine MH17, und nun der Fall Skripal. Gerade weil die Beziehungen so schlecht seien, falle die Reaktion so hart aus, glaubt Russlandexperte Meister. "Das ist eine gefährliche Situation. Beide Seiten sind bereit, weiter zu eskalieren."

US-Präsident Donald Trump zeigt sich besonders hart, und das in einem Fall, der eigentlich nichts mit den USA zu tun hat. 60 russische Staatsbürger, die nach Darstellung der USA alle für russische Geheimdienste arbeiten, werden des Landes verwiesen.

Wollen USA und Großbritannien von der Innenpolitik ablenken?

Russlandexperte Meister glaubt, dass in den USA und in Großbritannien auch innenpolitische Gründe eine Rolle dabei spielen, dass dieser Fall nun so weitreichende Folgen hat. "Man bläst diesen Fall zu einem Kampf des Westens gegen Russland auf, weil er innenpolitisch instrumentalisiert werden kann", sagt Meister.

Für Trump ist das Thema Russland derzeit besonders heikel – angesichts der Affäre um mögliche russische Wahlmanipulationen in den USA, von denen Teile seines Lagers gewusst haben könnten. Gut möglich, dass die Härte Trumps nun auch ein Versuch ist, sich in Sachen Russland reinzuwaschen. "Und auch Theresa May ist innenpolitisch so angeschlagen, dass ihr der Fall gelegen kommt. So kann sie vom Brexit ablenken", sagt Meister.

Der Russlandexperte glaubt: "Irgendwann muss man aufhören mit der Eskalation und in einen Gesprächsmodus kommen." Anders als andere Experten hält Meister Wirtschaftssanktionen nicht für zielführend. Man könne Russland zwar bei der Energie treffen oder vom Finanzmarkt abkoppeln. "Aber das wäre eine weitere Eskalation, bei der man sich überlegen muss, ob man sie eingehen und damit die russische Führung so isolieren will, dass sie möglicherweise Dummheiten macht und militärisch eskaliert."

Meister spricht sich stattdessen dafür aus, mit allen Mitteln des Rechtsstaats den konkreten Fall aufzuklären – und gleichzeitig stärker gegen Korruption und Geldwäsche von Russen in Großbritannien aber auch anderen europäischen Staaten vorzugehen. Großbritannien sei einer der wichtigen Orte, an denen kriminelles russisches Staatsgeld gewaschen werde – gerade weil es dort im Finanzwesen so laxe Gesetze gebe. "Wenn man gegen die Oligarchen und die Geldwäsche vorgeht, trifft man das Regime."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • dpa
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