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Katalonien-Rebell Puigdemont: Warum seine Flucht erst in Deutschland endete


Katalonien-Rebell in Haft
Warum Puigdemonts Flucht erst in Deutschland endete

Eine Spurensuche von Daniel Schreckenberg

Aktualisiert am 27.03.2018Lesedauer: 4 Min.
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Carles Puigdemont bei einem Vortrag in Genf. Bis Freitag konnte sich der katalanische Politiker frei in Europa bewegen.Vergrößern des Bildes
Carles Puigdemont bei einem Vortrag in Genf. Bis Freitag konnte sich der katalanische Politiker frei in Europa bewegen. (Quelle: Salvatore Di Nolfi/dpa)

Drei Tage war der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont auf der Flucht. Er durchquerte vier Länder, bevor er festgenommen wurde. Warum ihn erst die deutsche Polizei stoppen konnte.

Wenige Kilometer hinter der deutsch-dänischen Grenze, an einer Autobahnraststätte im norddeutschen Niemandsland, wo Felder und Wiesen sich abwechseln mit Ortschaften mit schrulligen Namen wie Frörup oder Tarp, endet seine Flucht. Ziemlich lange sitzt Carles Puigdemont da schon im Auto: Von der Universität in Helsinki, in Sichtweite der finnischen Fjorde, heimlich immer Richtung Süd-Osten. Mit der Fähre vorbei am Bottnischen Meerbusen, über Stockholm, vorbei an Malmö und Kopenhagen. 1.500 Kilometer hinter sich, noch 800 bis ins belgische Exil.

Es ist Sonntagvormittag, seit mindestens 24 Stunden ist Puigdemont unterwegs. Bei Schuby wird sein Auto angehalten, deutsche Polizeibeamte nehmen den katalanischen Separatistenführer fest. Die spanische Regierung hatte ihn mit einem europäischen Haftbefehl gesucht. Aufruf zur „Rebelión", wie es im spanischen Recht heißt, und Veruntreuung von Staatsgeldern wird ihm vorgeworfen. Puigdemont kommt in ein Gefängnis in Neumünster, aus dem er am Dienstag seine Landsleute zum Kampf aufruft und verkündet, er werde sich "nie ergeben". Das Oberlandesgericht wird in den kommenden Tagen über seine Auslieferung entscheiden.

Doch warum endet seine Flucht ausgerechnet in Deutschland auf der A7, der einzigen Autobahn zwischen Flensburg und Schleswig. Immerhin hielt sich Puigdemont zuvor unbehelligt in Finnland auf, war dann stundenlang auf skandinavischen Straßen und auf einer Fähre unterwegs? Der Versuch einer Rekonstruktion.

Puigdemont reist für Vorträge durch Europa

Eigentlich ist Carles Puigdemont seit Herbst letzten Jahres auf der Flucht. Die spanische Justiz wollte ihm damals den Prozess machen, deshalb flüchtete der Separatistenführer nach Belgien. Spanien wollte Puigdemont zurück, stellte einen Europäischen Haftbefehl aus. Doch Belgien machte klar: Wir liefern nicht aus. Die Strafbehörden in Madrid gaben auf und zogen den Haftbefehl zurück. Wohl auch aus Sorge, dass ihr Hauptvorwurf der Rebellion in anderen Ländern so nicht als Straftat angesehen wird. Für Puigdemont bedeutete das zunächst einmal: Sicherheit. Er lässt sich in Waterloo nieder, reist für Vorträge durch Europa.

So auch in der vergangenen Woche. Finnland ist das Ziel. Ein paar Tage will er dort bleiben. Er trifft sich in Helsinki mit Politikern der regierenden Zentrumspartei. Am Freitagvormittag hält er eine Rede in der Universität. "Soziale Medien und Katalonien" soll das Thema sein. Die Veranstaltung ist öffentlich, auf der Homepage der Uni wird sie eifrig beworben. Die Rede wird Live im Netz gezeigt, ein Service für alle, die keinen Platz im Hörsaal des Sozialwissenschaftlichen Instituts bekommen haben. Über zwei Stunden redet er dort. Gegen Mittag endet sein Vortrag.

Freitagabend beginnt die Flucht

In etwa zeitgleich muss es ein Umdenken bei der spanischen Justiz gegeben haben. Das Oberste Gericht in Madrid erklärte 13 namhaften Führern der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung den Prozess, auch sieben Politiker, die sich ins Ausland abgesetzt haben – darunter Puigdemont – werden erneut per Europäischem Haftbefehl gesucht. Der geht am Abend bei den finnischen Behörden ein.

Puigdemont hat jetzt ein Problem. Um wieder zurück nach Belgien zu kommen, kann er nicht mehr einfach ins nächste Flugzeug steigen. Bei jeder Passkontrolle wäre er aufgeflogen. Und überhaupt: Jede Minute könnten finnische Polizeibeamte auf den Plan treten und ihn festnehmen.

Doch Puigdemont scheint zunächst Glück zu haben. Um kein Aufsehen zu erregen, ist im Haftbefehl nur von einem "spanischen Bürger", der zu Besuch in Finnland sei, die Rede, zitiert das ARD-Studio in Stockholm die finnischen Behörden. Diese hätten allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, wo genau sich die gesuchte Person aufhalte.

Puigdemont hat "mächtige Beschützer"

Puigdemont hilft, dass er Freunde hat. Die schwedische Zeitung "Dagens Nyheter" berichtet gar von mächtigen Beschützern: Ministerpräsident Juha Sipilä habe mit Erfolg versucht, den Reiseplan des katalanischen Gastes so lange "in Nebel zu hüllen, bis er das Land wieder verlassen hatte", so die Zeitung.

Dennoch wird es knapp. Anscheinend verlässt Puigdemont erst im letzten Moment das Land. Sein finnischer Gastgeber, der Abgeordnete Mikko Kärnä, schreibt am Samstagmorgen auf Twitter, dass der Gesuchte "auf unbekanntem Wege" abgereist sei.

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Am Flughafen von Helsinki wäre seine Flucht vorbei. Von dort hatte Puigdemont am Abend einen Flug nach Belgien gebucht. Die Beamten wären vergebens gekommen. Denn Puigdemont ist längst mit dem Auto und der Fähre unterwegs. Ungestört. Aber nicht unbeobachtet.

Dänische Polizei wird überrascht

Am Sonntag kommt Puigdemont in Dänemark an. Dort ist die Polizei überrascht. Sie hatte nach eigenen Angaben praktisch keine Chance, Puigdemont vor der Ausreise festzunehmen, erklärte sie am Montag. Denn: Erst am Sonntagvormittag hätten sie einen Hinweis bekommen, dass sich Puigdemont überhaupt in Dänemark aufhalte. Der Tippgeber: Deutschland.

Erst zehn Minuten, bevor Puigdemont über die Grenze fährt, weiß die Polizei, in was für einem Auto er unterwegs ist: "Dadurch war es praktisch unmöglich, Puigdemont festzunehmen, bevor er die Grenze nach Deutschland überquerte", erklärte die Polizei.

Das wirkt wie Kalkül. Denn der spanische Geheimdienst war Puigdemont wohl während seiner gesamten Flucht auf den Fersen. Und hat bewusst Deutschland so früh informiert, berichtet das Nachrichtenmagazin "Focus". In Spanien heißt es, das mache Sinn, schließlich sei Deutschland das europäische Land, mit dem man in Rechtsfragen am längsten zusammenarbeite. Und: Damit es überhaupt zu einer Auslieferung kommen kann, müssen die Vorwürfe in beiden Ländern strafbar sein. Anders als Belgien kennt das hiesige Strafgesetz so etwas wie Rebellion. Der deutsche Hochverrat-Paragraf kommt der Anklageschrift ziemlich nah.

Verwendete Quellen
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