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Krieg in Mali: Die Schlacht von Konna


Krisen & Konflikte
Krieg in Mali: Die Schlacht von Konna

spiegel-online, Matthias Gebauer

29.01.2013Lesedauer: 5 Min.
Ein Soldat steht in Konna vor einer von Kugeln und Bombensplittern durchlöcherten Wand.Vergrößern des BildesEin Soldat steht in Konna vor einer von Kugeln und Bombensplittern durchlöcherten Wand. (Quelle: Reuters-bilder)
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Ohne Gegenwehr marschieren französische Soldaten inzwischen nach Nordmali, die Islamisten sind in die Wüste ausgewichen. Doch der Beginn des Feldzugs verlief dramatischer: Laut Augenzeugen bombardierten Kampfjets die Stadt Konna stundenlang, dann jagten und töteten Spezialeinheiten die Extremisten.

Als der Krieg gegen die Islamisten in Mali vor gut zwei Wochen begann, sah Dani Diarra das Ende ihrer Tage vor sich. Zitternd vor Angst versteckte sich die Mutter aus der kleinen Ortschaft Konna in Zentralmali unter Matratzen und Teppichen im Schlafzimmer ihrer Lehmhütte, ihre drei Kinder drückte sie fest an sich und hielt ihnen die Augen zu.

"Immer wieder erzitterte die Erde, die Mauern wackelten", erinnert sich die 30-Jährige, "aus dem Dach rieselte Sand auf uns herab." Diarra flüsterte ihren Mädchen zu, sie sollten mit aller Kraft beten, nur Gott könne sie jetzt noch retten. Stattdessen aber kamen die Einschläge der kreischenden französischen Kampfjets, die im Tiefflug über die Ortschaft Konna hinwegrasten, immer näher.

50 Soldaten brutal massakriert

Diarra hatte Glück. Am Montagmittag steht sie vor dem gelben Stahltor zu ihrem Hof, die Kinder scharen sich um sie. Gleich gegenüber ihrer Lehmhütte klaffen in der kleinen Moschee von Konna gewaltige Einschusslöcher. Dort, das jedenfalls hat Diarra von den Nachbarn gehört, hatte sich bis zuletzt eine Gruppe von Islamisten vor den Attacken aus der Luft versteckt.

Im Innenraum zeugen blutige Hemden und leere Magazine von der Anwesenheit der Kämpfer, die zuvor mit rund hundert Pick-ups auf ihrem Vormarsch in Richtung Zentralmali den kleinen Ort Konna im Sturm eingenommen, die desolate malische Armee überrannt und rund 50 Soldaten im Ort brutal massakriert hatten.

Schnelle Hilfe aus Frankreich

Der Einmarsch der Islamisten in Konna, einem kleinen Nest kurz vor der Armeebasis in Sévaré, war der Startschuss für die französische Intervention in Mali. Panisch hatte Präsident Dioncounda Traoré nach dem Fall von Konna die französische Botschaft in Bamako angerufen. Paris reagierte umgehend auf den Hilferuf aus Mali.

Noch am Nachmittag landeten französische Transall-Flugzeuge in Sévaré, gleichzeitig flogen französische Rafale-Kampfjets schon Attacken gegen die Islamisten in Konna. Diese hatten ein klares Ziel ihrer Operation ausgegeben. "Wir sind jetzt die Regierung hier", brüstete sich ihr Kommandeur auf dem Marktplatz, "mit Gottes Hilfe werden wir unser Freitagsgebet morgen schon in Sévaré abhalten."

Islamisten wurden in die Wüste vertrieben

Die Hoffnungen der Islamisten erfüllten sich nicht, stattdessen rückten die Franzosen in den vergangenen zwei Wochen in atemberaubendem Tempo und ohne Widerstand immer weiter in Richtung Norden vor. Am Montag sicherten sie die Stadt Timbuktu, die über Monate hinweg die Hochburg der Kämpfer war, einer losen Allianz von Radikalislamisten, enttäuschten Tuareg-Rebellen, Wüstenschmugglern und Qaida-Terroristen.

Über zehn Monate hatten sie den Norden Malis komplett beherrscht. Mit Gewalt schufen sie einen fundamentalistischen Gottesstaat mit strikten Strafen für jeden Dieb und strengen Regeln für Frauen. Aus Furcht vor der französischen Übermacht, so jedenfalls sieht es derzeit aus, haben sich diese Kämpfer nun in die Wüste geflüchtet.

"Ich bin den Franzosen dankbar, sie haben uns gerettet"

Dani Diarra kennt die Nachrichten aus Timbuktu, angeschlossen an ein kleines Solarpanel auf dem Dach krächzt in ihrer Küche den ganzen Tag lang der französische Sender RFI, der im Stundentakt die neuesten Erfolgsmeldungen aus dem Norden verbreitet. Gerade eben hat François Hollande im fernen Paris gesagt, man habe den Krieg schon so gut wie gewonnen.

Der RFI-Report ergänzt, dass sich die Islamisten wie Feiglinge in die Wüste zurückgezogen hätten. Diarra schüttelt den Kopf. "Ich bin den Franzosen dankbar, sie haben uns gerettet", sagt sie. "Doch wir haben hier den echten Krieg erlebt, mit Bomben, Toten und stundenlangen Kämpfen."

Vorwürfe gegen malische und französische Soldaten

Anhand der Aussagen der Mutter und mehrerer anderer Bewohner von Konna lässt sich ein bisher unbekanntes Bild der heftigen Kämpfe zeichnen, die sich zu Beginn des Kriegs abspielten. Interviews mit Anwohnern legen nahe, dass nach den Bombenangriffen bei Gefechten in Konna möglicherweise Hunderte Menschen starben.

Einige Anwohner erhoben dabei teilweise auch Vorwürfe gegen die malischen und französischen Soldaten. Bei der Jagd auf die Islamisten, die sich nach den Luftangriffen teilweise auch in Wohnhäusern versteckten, sind ihnen zufolge auch unbeteiligte Bewohner der Stadt entweder gleich erschossen oder von den Maliern verschleppt worden. Viele von den Verschleppten, so die Bewohner, seien bis heute nicht zurückgekehrt.

Schüsse auf den Gehöften

Dani Diarra ist froh, dass sich beim Eintreffen der Soldaten in Konna keine Männer auf ihrem Gehöft befanden. "Die Franzosen brachen das Tor zu meinem Haus auf", erinnert sie sich, "stürmten durch den Hof und durch alle Räume und suchten nach Kämpfern." Ein malischer Soldat, der die Franzosen begleitete, herrschte sie an, man würde auch sie mitnehmen, wenn sie Islamisten verstecken würde.

Mit den schreienden Kindern auf ihrem Arm flehte sie die Soldaten an, ihr nichts anzutun. Als sie das Gebäude innerhalb einiger Minuten durchsucht hatten, verschwanden sie und zogen weiter. "Die Soldaten zogen von Haus zu Haus", sagt Diana. "Aus vielen Gehöften zerrten sie junge Männer, immer wieder wurde auch geschossen."

Frankreichs Militär machte Jagd auf Islamisten

Besonders heftig war die Suche nach möglichen Feinden offenbar in dem Vorort Sama, nur wenige Kilometer vom Stadtkern von Konna entfernt. Mehrere Augenzeugen berichteten in dieser Woche, zunächst hätten Helikopter und Kampfjets einige Gehöfte unter Feuer genommen, in denen sich offenbar Kämpfer versteckt hatten.

"Nach den Detonationen flohen viele der Kämpfer aus ihren Verstecken", sagte ein greiser Bewohner am Montag, "sie wurden von den französischen Special Forces sofort erschossen". Als die Schüsse abebbten, stürmten die Soldaten von Lehmhütte zu Lehmhütte, brachen die Türen auf und durchsuchten die Räume. Der alte Mann aus Sama schätzte, allein in seinem Dorf seien mehr als 30 Kämpfer getötet worden.

Exekution oder aus Versehen?

Bei der hektischen Jagd gerieten auch Unbeteiligte in die Schusslinie. Früh am Morgen nach den heftigen Gefechten baten in der kleinen Ortschaft Takoutala, rund zehn Kilometer von Konna entfernt, malische Soldaten die Anwohner um Hilfe. "Sie erzählten uns, dass sie versehentlich zwei Schafhirten auf den Feldern erschossen hätten", sagt Samba Sidibe, ein 27 Jahre alter Bauer aus dem Dorf.

Als er die Leichen für die Beerdigung in Tücher einhüllte, bekam er Zweifel an der Version. "Die beiden Männer hatten jeweils zwei Einschusslöcher im Kopf", erzählt er. "Für mich sah das eher nach einer Exekution als nach einem Irrtum aus." Es ist nicht der einzige Vorfall, bei dem malische Soldaten solcher Racheakte bezichtigt worden sind.

Angst vor dem Blutzoll von Konna

Aufklären kann die Geschehnisse dieses ersten Kriegstags wohl niemand mehr, sowohl die Leichen der Kämpfer als auch jene möglicher Opfer unter der Zivilbevölkerung wurden schon am Freitag beerdigt, rund hundert frisch aufgeworfene Hügel am Stadtrand von Konna sind die letzten Zeugnisse der Gefechte. Dass es zumeist Kämpfer erwischt hat, steht dabei nicht in Zweifel.

Von den etwa hundert Pick-ups, mit denen sie Konna gestürmt hatten, kehrten nach den Kämpfen mit den Franzosen nur rund 30 gen Norden zurück, berichten Anwohner aus dem nahe gelegenen Duantse. "Der Blutzoll von Konna", sagt einer der Bewohner von Konna, "ist der Grund, warum die Islamisten nun lieber flüchten, als gegen die Franzosen zu kämpfen."

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