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Militär-Konflikt schnell erklärt: Was will die Türkei eigentlich in Syrien?


Konflikt schnell erklärt
Was die Türkei in Syrien will

Von t-online, js, rok

Aktualisiert am 23.01.2018Lesedauer: 5 Min.
Türkischer Panzer in der Nähe der syrischen Grenze: Die Türkei bekämpft Kurden nicht nur im eigenen Land.Vergrößern des BildesTürkischer Panzer in der Nähe der syrischen Grenze: Die Türkei bekämpft Kurden nicht nur im eigenen Land. (Quelle: XinHua/dpa)
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Das Nato-Mitglied Türkei marschiert in Syrien ein – aber nicht, um den Diktator Baschar al-Assad zu bekämpfen. Ziel ist ein Verbündeter der Nato. Ein Überblick über den Konflikt.

Seit 2011 bekämpfen sich Armee und Rebellen in einem Bürgerkrieg. Auslöser waren friedliche Proteste in der Folge des Arabischen Frühlings gegen Assad. Fast eine halbe Million Syrer sind seither gestorben, über 5,4 Millionen flohen aus dem Land und über 6 Millionen Menschen sind in Syrien auf der Flucht.

Die Lage im Land ist unübersichtlich. Ausländische Mächte haben sich eingemischt. Syrien ist zu einem internationalen Schlachtfeld geworden.

Die wichtigsten Konfliktparteien – und ihre Ziele und Interessen im Überblick.

Türkei

Die Türkei hat sich immer gegen die syrische Regierung positioniert und ist als Nachbarstaat und Hauptziel vieler Flüchtlinge direkt vom Konflikt betroffen. Sie konzentriert sich jetzt vor allem darauf, mit Gewalt zu verhindern, dass sich so etwas wie ein funktionierendes kurdisch kontrolliertes Territorium bildet.

Seit Jahrzehnten versucht die Türkei, alle Ansprüche der türkischen Kurden auf mehr Selbstverwaltung zu unterbinden und geht zu diesem Zweck hart gegen die türkisch-kurdische Arbeiterpartei PKK vor, die auch einen bewaffneten Arm hat und viele Anschläge begangen hat. Für einige Jahre verhandelten die türkische Regierung und die Kurden wieder – doch nach den Parlamentswahlen 2015 begann die türkische Regierung wieder eine Militäroffensive. Seitdem herrscht im kurdisch dominierten Südosten der Türkei faktisch Bürgerkrieg.

Jetzt weitet die Türkei den Kampf gegen die Kurden erneut auf Syrien aus – im Sommer 2016 war die Türkei schon einmal in den syrischen Norden vorgerückt

Die YPG

Die Armee der syrischen Kurden wird von den USA mit Waffen gegen die Terrororganisation Islamischer Staat ausgerüstet, weil sie sich als effektivste Kraft im Kampf gegen den IS hervorgetan hat. Faktisch war die YPG lange so etwas wie die Bodentruppe der Anti-IS-Allianz, an der auch Deutschland beteiligt war. Die YPG waren auch die wichtigste Truppe der „Demokratischen Kräfte Syriens“, einem Militärbündnis, das den IS aus seiner informellen Haupstadt Rakka vertrieben hat.

Die Türkei beschuldigt die YPG, eine Terrororganisation zu sein – als syrischer Arm der in der Türkei verbotenen Gruppe PKK. Allerdings haben türkische, syrische und auch irakische Kurden in der Vergangenheit immer betont, keinen übergreifenden Kurdenstaat anzustreben, sondern jeweils Autonomierechte in den jeweiligen Staaten.

Auch innerhalb der Türkei, wo die PKK von der Armee angegriffen wird und selbst Terroranschläge verübt, hat die YPG bisher nach allem, was bekannt ist, nicht eingegriffen.

Freie Syrische Armee (FSA)

Die FSA wurde 2011 von desertierten syrischen Soldaten gegründet und ist inzwischen ein Sammelbecken verschiedener Rebellengruppen. Lange vereinte sie die moderaten und säkularen Rebellenkräfte und war Ansprechpartner und Hoffnung der USA und der Europäer.

Jetzt unterstützt die FSA die türkische Offensive gegen die YPG – mit der Begründung, die YPG vertreibe gezielt Araber aus Ortschaften, die sie kontrolliere. Schon vor einem Jahr, als die Türkei in Nordsyrien eingriff, um den IS zu schwächen und kurdische Truppen zurückzuschlagen, arbeiteten FSA-Einheiten mit der türkischen Armee zusammen.

Hauptziel der FSA ist der Sturz der Assad-Regierung.

USA

Die Position der USA ist nicht klar: Washington lehnt die Regierung von Baschar al-Assad ab, bekämpft sie aber nicht offen. Von der Position, Assad müsse auf jeden Fall abtreten, haben sich die USA jedenfalls aus pragmatischen Gründen verabschiedet: Es sieht nicht aus, als bestehe eine Chance, dass das passiert. Nur einmal, im Frühjahr 2017, griff die US-Regierung direkt einen Luftwaffenstützpunkt an – die Attacke wurde aber als überwiegend symbolisch gewertet. Sie richtete kaum Schaden an.

Das wichtigste Ziel der USA war zuletzt die Vernichtung des IS. Zu diesem Zweck flogen die USA im Rahmen einer internationalen Anti-IS-Allianz Luftangriffe. Auf dem Boden wurden vor allem kurdische Rebellengruppen ausgerüstet. Gerade erst wurde angekündigt, eine neue Grenztruppe in Syrien auszubilden, die vorwiegend aus YPG-Kämpfern bestehen dürfte.

Andererseits gilt die PKK auch den USA als Terrororganisation – und die Türkei ist Nato-Partner, wenn auch derzeit ein extrem schwieriger. Deshalb werden sich die USA nicht entschlossen für die Kurden einsetzen.

Russland

Tritt seit langem als Schutzmacht von Assad auf. Das hat mehrere Gründe: Erstens nutzt Russland die Marine-Basis Tartus und den Luftwaffenstützpunkt Hmeimim in der Provinz Latakia am Mittelmeer, in der Heimatregion Assads. Zweitens bekämpft die russische Regierung revolutionäre Bewegungen auch aus Überzeugung, weil jeder erfolgreiche Umsturz Ansporn für Proteste zu Hause sein könnte. Viertens bietet der Konflikt die Möglichkeit, sich als nicht zu übergehenden Akteur zu inszenieren, dadurch auch in anderen Bereichen wichtiger zu werden, und nebenbei dafür zu sorgen, dass Europa und die USA keine politischen Erfolge haben.

Was mit den Kurden passiert, dürfte Russland prinzipiell egal sein. Zwischendurch hatte Russland ein gespanntes Verhältnis zur Türkei, nachdem Ankara ein russisches Kampfflugzeug abgeschossen hatte. Das hat sich geändert. Faktisch kontrolliert Russland in weiten Teilen, was in Syrien passiert – dass die Türkei jetzt aktiv wird, kann man als stille Duldung Russlands deuten. Warum auch nicht: Es sorgt für Konflikte innerhalb der Nato.

Syrische Regierung

Das Regime um Machthaber Baschar al-Assad hat nur ein Ziel: an der Macht bleiben. Seinen blutigen Krieg begründet er mit einem „Kampf gegen den Terrorismus“, wobei alle, die gegen Assad sind, als „Terroristen“ bezeichnet werden. Assad setzt jedes Mittel im Kampf ein. Er bombardiert die eigene Bevölkerung und schreckt auch nicht vor dem Einsatz von Giftgas zurück.

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Assad hat die kurdischen Autonomiebestrebungen bislang geduldet. Die Kurden wiederum haben sich bisher nie offen gegen das Assad-Regime ausgesprochen und mit den syrischen Truppen gegen den IS gekämpft. Unklar ist jedoch, wie lange Assad zu den Kurden halten wird. Auf lange Sicht wird er ein unabhängiges kurdisches Gebiet auf syrischem Boden nicht dulden wollen.

IS

Seit Ende 2017 gilt der „Islamische Staat“ (IS – bis Mitte 2014 ISIS – Islamischer Staat im Irak und in Syrien) in Syrien als besiegt. 2014 auf dem Höherpunkt seiner Macht kontrollierte der IS weite Teile Syriens und des Irak, soll aber rund 95 Prozente seines früheren Gebietes verloren haben. Ziel des IS war die Errichtung eines eigenen, unabhängigen Staats oder „Kalifats“. Das ist vorerst gescheitert.

Experten warnen jedoch davor, den IS als komplett ausgeschaltet anzusehen.

Iran

Der Iran, gemeinsam mit schiitischen Milizen und der libanesischen Hisbollah, unterstützt das alawitische Regime Assads, wie er üblicherweise schiitische Regierungen in der Gegend an der Macht zu halten versucht. Im aktuellen Konflikt zwischen Türkei und Kurden im Norden dürften diese Kräfte aber kaum eine Rolle spielen.

Andere Gruppen und Allianzen

Die oben genannten sind nur einige der Gruppen und Allianzen, die in Syrien kämpfen und Interessen verfolgen.

So ist etwa eine Anti-IS-Koalition aktiv, an der sich mehrere Dutzend Staaten beteiligen, darunter auch Deutschland. Aber auch die Golfstaaten über die Arabische Liga.

Dazu kämpfen am Boden zahllose Milizen, darunter etliche islamistische und Al-Kaida-nahe, die sich häufiger spalten und umbenennen. Vielen Gruppen haben sich Kämpfer aus der ganzen Welt angeschlossen.

Quellen und weiterführende Links

- dpa, Reuters, AFP, AP
- eigene Recherchen
- Überblick der BBC und des Council on Foreign Relations

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