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Das tödliche Drama eines US-Elitesoldaten


Das tödliche Drama eines US-Elitesoldaten
Futter für die Bestie: Das tödliche Drama eines US-Elitesoldaten

spiegel-online, Johannes Korge

25.01.2013Lesedauer: 5 Min.
Robert Guzzo war ein froher, lauter Typ, ein Frauenschwarm, bis er aus dem Krieg zurückkommt - als gebrochener Mann.Vergrößern des BildesRobert Guzzo war ein froher, lauter Typ, ein Frauenschwarm, bis er aus dem Krieg zurückkommt - als gebrochener Mann. (Quelle: Navyseals.com)
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Als Elitesoldat der Navy Seals kämpft Robert Guzzo im Irak, im "Dreieck des Todes". Zurück kehrt ein gebrochener Mann. Er vertraut sich seinen Eltern an. Doch die PTSD-Diagnose will er nicht wahrhaben - aus Angst um die Karriere. Im November 2012 verliert "Rob" den Kampf gegen das Trauma.

Es gibt ein Foto von Robert Guzzo, auf dem er fast platzt vor Stolz. Die Sonnenbrille verdeckt seine Augen, vergnügt strahlt der junge Mann in die Kamera. Ein Daumen zeigt in die Höhe, der aufgerissene Mund, ein Kaugummi im rechten Mundwinkel. Er trägt sein Uniformoberteil, Aaron Andersen neben ihm ein Shirt mit der Aufschrift "Mein Bruder ist ein Navy Seal". Am Hemd des Älteren prangt Neptuns Dreizack, die Erkennungsmarke der wohl berühmtesten Spezialeinheit der Welt. Zwei junge Männer, ziemlich übermütig, ein bisschen prollig. Vor allem aber: voller Lebenslust.

Am 11. November 2012 löscht Rob Guzzo sein Leben mit einem Pistolenschuss aus.

Den Krieg mit nach Hause bringen

Zwischen diesen Momenten liegen elf Monate im "Dreieck des Todes" des Irak, einer berüchtigten Gegend südlich von Bagdad. Hier kämpft Guzzo mit einer Einheit des Seal Team Five. Was er gesehen und getan hat - darüber sprach er nur mit seiner Mutter, Robin Andersen. Nichts, was man als Elternteil hören möchte, sagt sie. Klar ist: Der junge Mann lässt nicht nur einen wichtigen Teil von sich im Krieg, er bringt den Krieg auch mit nach Hause. Eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) verändert ihn so gründlich, dass ihm das Leben nicht mehr wichtig erscheint. "Es wird nie wieder okay", sagt er der Mutter in der ersten Nacht nach der Heimkehr.

Es ist wenig übrig von dem jungen Mann, den Andersen stolz in den Krieg hat ziehen lassen. Football-Spieler war er in der Schule, Skater, Frauenschwarm. "Rob war immer ein fröhlicher, lauter, energiegeladener Typ", sagt Robin Andersen jetzt, ein knappes Vierteljahr nach dem Tod ihres Sohnes.

Schweigen. Zu groß ist die Angst vor dem Stigma

Lauter Typ? Nach seiner Rückkehr ist Rob still. Kaum noch ein Lächeln, dafür zuckt er bei jedem lauten Geräusch zusammen. Und er neigt zu Zornesausbrüchen aus heiterem Himmel. Es sind die klassischen PTSD-Alarmsignale.

Doch eine Behandlung kommt für Rob nicht infrage. Zu groß ist die Angst vor dem Stigma. Wenn schon "normale" Soldaten für ihre vermeintliche Schwäche geächtet werden, wie würde es dann erst bei einem Navy Seal werden? "Er hatte panische Angst, seine Sicherheitseinstufung zu verlieren", erinnert sich Robin Andersen. Ein instabiler Navy Seal, das geht nicht - das war Robs Logik.

Und ohne "Security Clearence" kann er nicht zurück in den Einsatz: Dies habe ihm die Navy klargemacht. Zumindest berichten das die Eltern.

Bis zu 25 Prozent der Soldaten sind gefährdet

Wie viel von dieser Angst tatsächlich auf Druck aus der Truppe basiert und wie viel Rob selbst erzeugte, lässt sich kaum auseinanderhalten. Tatsache ist: Zunächst bekommt er keine Hilfe, sucht sie aber auch nicht.

Allein ist er damit kaum. Nach zwei Kriegen im abgelaufenen Jahrzehnt stehen die US-Truppen vor einem massiven PTSD-Problem. Bis zu 25 Prozent der Soldaten kehren mit einer Variante der Störung aus dem Kampfeinsatz im Irak oder in Afghanistan zurück. Selbst konservative Schätzungen liegen noch bei rund zehn Prozent. Die Selbstmordrate in der Truppe lag 2012 auf Rekordniveau.

Rund 2,4 Millionen US-Soldaten haben in diesen Dauerkonflikten gedient. Programme zur Behandlung laufen zwar, doch die Aufgabe ist gigantisch. Allein 2011 behandelten Veteranenorganisationen rund 100.000 Soldaten wegen einer PTSD-Erkrankung. Dazu kommen ungezählte Männer und Frauen, die sich der Diagnose nicht stellen. Soldaten wie Guzzo.

"Da fallen manche durch das Raster"

"Er wusste, dass er Hilfe braucht. Doch es gab einfach zu viele Gründe, es nicht zu tun", erinnert sich Robin Andersen. Nur mit den Eltern spricht Rob über die Abgründe.

Andersen liebt die US-Navy, das will sie ausdrücklich so geschrieben sehen. Sie selbst hat 30 Jahre gedient, Robs Vater Bob 26 Jahre. Davon 24 als Navy Seal. Noch heute trägt Andersen das Wort Navy sogar in ihrer E-Mail-Adresse. Und auch Rob zog gern in den Krieg. "Natürlich wusste er vorher, worauf er sich einlässt. Doch das ganze Ausmaß und die Auswirkungen des Kriegs auf seine Psyche hätte er sich sicher niemals so ausgemalt."

Bücher tragen statt Maschinengewehre

Die Mutter glaubt, dass nicht nur die Soldaten, sondern auch die Streitkräfte mit dem Problem PTSD überfordert sind: "Es sind zu viele Veteranen, immer kommen neue dazu. Da fallen manche durch das Raster, wie mein Sohn. Und dann sind sie ganz allein."

Auf Drängen der Eltern konsultiert Guzzo drei Monate nach seiner Rückkehr zum ersten Mal einen Therapeuten. Auf eigene Kosten und ohne Wissen seiner Vorgesetzen wohlgemerkt. Erst als er beginnt, Psychopharmaka zu schlucken, bringt er den Mut zum "Outing" auf. Danach werden seine schlimmsten Befürchtungen wahr. Ab dem Jahreswechsel 2008 arbeitet er im Innendienst, seine Mutter spricht von einer "Auszeit". Statt Maschinengewehre schleppt Guzzo jetzt Bücherregale durch die Kaserne. Von seinem Seal Team Five ist er getrennt.

Immer mehr Futter für die Bestie

Im März 2008 kommt die nächste Hiobsbotschaft. Einer seiner engsten Freunde, ebenfalls Irak-Veteran, hat sich das Leben genommen. Auch er hatte die Bilder aus dem Einsatz nicht verarbeitet. Für Robs Eltern ist es das finale Alarmsignal. Zwei Monate später verlässt Rob Guzzo nicht nur die Navy Seals, sondern auch die Streitkräfte.

Rob bleibt in der Marinestadt San Diego, der Rest der Familie lebt an der Ostküste. Es geht bergauf, der junge Mann ergattert kleine Rollen in Hollywood-Streifen. Meist spielt er Soldaten, was auch sonst? An der Uni hat er sich auch eingeschrieben.

Doch unter der Oberfläche brodelt es weiter. "Ich habe ihn immer gewarnt: 'Füttere die Bestie nicht'", erinnert sich Jugendfreund Dan Surber in einem zehnminütigen Film, den die "Washington Post" über das Leben und den Tod von Rob Guzzo gedreht hat. "Futter für die Bestie" - so nennt er es, wenn sich Guzzo mal wieder in seinen Erinnerungen verliert. Wenn er mit Kameraden über die alten Zeiten redet. Und dabei viel trinkt.

Jeden Abend Alkohol, jeden Abend alte Geschichten

Es kommt eine Phase, da füttert Guzzo die Bestie jeden Abend. Er zieht durch die Bars von San Diego, jeder Laden voller Soldaten. In dem Video trinkt ein sichtlich angeschlagener Guzzo ein großes Bierglas in einem Zug aus und posiert für die Kamera. Um ihn herum: Kämpfer wie er. Sie alle füttern die Bestie.

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Auch der 11. November 2012 ist ein solcher langer Abend. Guzzo lädt eine Gruppe jüngerer Soldaten in sein Appartment ein. Der Alkohol fließt in Strömen. Die Männer erzählen sich der Reihe nach Geschichten aus dem Krieg. Es sind Geschichten von Kameradschaft und Zusammenhalt - vor allem aber von Tod, Leid, Zerstörung.

Suizid am Veteranentag

Um zwei, drei Uhr am Morgen, die anderen sind längst gegangen oder im Bett, öffnet Rob Guzzo seine Zimmertür. Er geht zum Schreibtisch, öffnet den Laptop-Computer. Der 33-Jährige klickt auf Bilder der Kameraden, verstorbener Freunde. Vor sich auf dem Tisch liegen sein Dreizackabzeichen und das seines Vaters. Auf der Rückseite sind die Namen beider Männer eingraviert. Ob es eine Kurzschlussreaktion ist oder ob sich Guzzo gezielt den Veteranentag ausgesucht hat, weiß keiner. Er öffnet die Schublade mit der Pistole.

Es gibt ein Foto von Robert "Rob" Guzzo, auf dem er seine beste Uniform trägt. Am Revers prangen die Insignien seiner Truppe. Es ist der Tag im Mai 2004, an dem er sein Training erfolgreich beendet hat. Von jetzt an ist er ein Navy Seal. Eingerahmt wird er von Mutter Robin und Vater Bob. Auch sie tragen Uniform, beide platzen fast vor Stolz. Das Foto stand bei der Trauerfeier auf seinem Sarg.

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