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"Barack Obama ist Gründer des IS": Wie kommt Donald Trump darauf?


Verschwörungstheorien
"Obama ist Gründer des IS" - wie kommt Trump darauf?

Von t-online
Aktualisiert am 11.08.2016Lesedauer: 4 Min.
Obama als Kopf einer riesigen Weltverschwörung - diesmal im Jemen.Vergrößern des BildesObama als Kopf einer riesigen Weltverschwörung - diesmal im Jemen. (Quelle: Reuters-bilder)
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"Er ist der Gründer des IS" - das sagt Donald Trump über US-Präsident Barack Obama. Er geht noch weiter: "Und ich würde sagen, die Mitbegründerin ist die schurkische Hillary Clinton" - ausgesprochen am Mittwoch bei einer Wahlkampfveranstaltung in Florida.

Man sieht den US-Präsidenten und die ehemalige Außenministerin förmlich im Schein einer Schreibtischlampe die Köpfe zusammenstecken. Die Behauptung ist der Gipfel der Hetze. Woher aber kommt dieses irrsinnige Gerücht?

Eigentlich wäre der Vorwurf – die frei erfundene Lüge, könnte man sagen - zu ungeheuerlich und dümmlich, um sich überhaupt damit zu beschäftigen. Interessant ist, dass die Behauptung, die USA hätten den Islamischen Staat (IS) gegründet, bei zwei Gruppen sehr verbreitet ist: einmal bei einer gefühlt riesigen Mehrheit im Nahen Osten, wo Verschwörungstheorien eigentlich immer Hochkonjunktur haben. Zum Zweiten bei westlichen Rechtsradikalen und Verschwörungsfanatikern.

Unterdrückte sehen böse Mächte am Werk

Gerade im Nahen Osten könnte man es eigentlich besser wissen. Ist der IS doch inmitten des zerfallenden Nachkriegs-Iraks entstanden und hat sich von dort aus ausgebreitet. Hier erzählen aber neun von zehn Gesprächspartnern: Die USA hätten den IS ins Leben gerufen, um dann einen Grund zum Krieg zu haben. Ihr Ziel: natürlich die Kontrolle über die Ölquellen.

In einem Interview im vergangenen Jahr, nahm der Beiruter Politikwissenschaftler Rami George Khoury Stellung zu der Frage, warum es gerade in den islamischen Ländern immer wieder zu solchen Behauptungen kommt – darunter auch der Glaube, die USA und Israel steckten hinter "9/11": "In ihrer Umgebung können die Menschen meist nicht ihr eigenes Land kritisieren, weil sie das direkt ins Gefängnis oder in eine Folterkammer bringt", so Khoury im Gespräch mit dem Autor.

Sie seien in ihren eigenen Gesellschaften machtlos, dürften politisch nicht mitreden und niemanden zur Verantwortung ziehen. "So fühlen sie sich hilflos und den Wünschen Fremder ausgesetzt. Ausländer wie Amerikaner, Briten, Türken, Iraner oder Israelis zu kritisieren, ist da einfach leichter."

Mit anderen Worten: Wer machtlos und unterdrückt ist, neigt dazu, gewaltige Mächte des Bösen am Werk zu sehen, wo immer er etwas nicht erklären kann. Woher aber kommt das Gerücht im Westen, wo niemand gefoltert oder auch nur für seine Aussagen eingesperrt wird?

Hauptsache der liberale Westen wird verteufelt

In den vergangenen Jahren konnte man feststellen, wie das Gerücht nach und nach von allen übernommen wurde, die den USA und der Obama-Regierung feindselig gegenüberstehen – natürlich immer ohne jeden Beleg. So taucht die Behauptung öfter in Russlands staatlich gelenkten Medien auf.

Hintergrund ist hier der mühsam unterdrückte Konflikt zwischen Moskau und Washington auf dem syrischen Kriegsschauplatz: Moskau kämpft für Diktator Baschar al-Assad, die USA unterstützen die Opposition. Moskau, das damit ein blutiges Mörder-Regime am Leben erhält, ist natürlich bemüht, Gründe zu (er-)finden, warum die USA keinen Deut besser seien. Daneben ist Moskau scheinbar ohnehin immer an der Verteufelung seines "Feindes" USA interessiert.

Von Moskau wanderte die Story dann direkt hinüber zu Europas Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretikern. Die arbeiten mit dem russischen Regime mittlerweile ganz offen Hand in Hand. Ob und inwieweit sie selbst an die Geschichte glauben, ist fraglich.

Wichtig ist aber: Das westliche System, die liberale Demokratie europäisch-amerikanischer Prägung, soll als Ganzes diskreditiert und unglaubwürdig gemacht werden. Dazu ist jede Behauptung recht. In einer Zeit sich überschlagender und unbewiesener Gerüchte in den sozialen Medien wird dafür auch immer seltener ein Nachweis gefordert.

Mittlerweile hat selbst Donald Trump, der sonst eigentlich bei jeder Gelegenheit nachweist, dass er von der Außenwelt nur wenig mitbekommt, das IS-Gerücht für sich entdeckt. Ein Grund könnten die jüngsten Umfragezahlen sein:


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"Eigentlich ein religiöses Problem"

Darauf setzt Trump: Die Gerüchte-Maschine, mit der er Wahlkampf betreibt, in neue Höhen schrauben. Doch glaubt er selbst, was er da redet? Man weiß es nicht. Es ist ihm aber vermutlich egal.

Für Trump gilt das gleiche, wie für Russlands Präsident Wladimir Putin oder deutsche Rechtsnationalisten und Verschwörungstheoretiker: Hauptsache, das Klientel glaubt es, zweifelt immer stärker am westlich-liberalen System und ist irgendwann reif für eine Wende hin zu einer autoritären Herrschaftsform.

Nochmal anders ist es mit den "Opfern" dieser Verschwörungstheoretiker im Westen: Warum glauben westliche Bürger, die eigentlich in einer aufgeklärten Umgebung aufgewachsen sind, solche Geschichten?

Dazu schreibt der Religionswissenschaftler Michael Blume im Wissenschaftsmagazin "Spektrum": "Verschwörungsglaube ist ein religiöses Problem." Gemeint ist damit nicht wirklich religiöser Glaube. Vielmehr geht es um die Vorstellung von der übermenschlichen Macht des Bösen in der Welt – vor allem in den Umbrüchen der Globalisierung. Verunsicherte könne dies treffen, egal, ob sie religiös oder atheistisch seien.

Wer den IS wirklich gegründet hat

Und zuletzt die Frage: Wer hat den IS wirklich gegründet? Dazu sei das hervorragend recherchierte Buch "Die schwarze Macht" des "Spiegel"-Autors und Kriegsberichterstatters Christoph Reuter empfohlen – heute schon ein Standardwerk.

Darin beschreibt Reuter, wie Dschihadisten kurz nach dem Irak-Krieg unter dem Schirm von Al-Kaida die Gruppe gründeten. Später, so Reuter, seien religiös völlig desinteressierte ehemalige Gefolgsleute des gestürzten Machthabers Saddam Hussein dazu gestoßen - namentlich Geheimdienstler und Berufsoffiziere.

Die Geheimdienstler wussten, wie man Menschen in Kleinstädten solche Angst einjagt, dass die IS-Truppen kampflos einmarschieren konnten. Die Offiziere wiederum wussten die gewaltigen, von der irakischen Armee erbeuteten, Waffenvorräte professionell zu nutzen. Ähnlich ist es übrigens in Libyen, wo der Außenposten des IS vor allem in Sirte stark ist – dem eigentlich unreligiösen Geburtsort von Ex-Diktator Muammar el-Ghadafi.

Wer dieses Gerücht verbreiten will, weil es die richtigen Feindbilder bedient, wird es wohl weiter tun. Dagegen scheint kein Kraut gewachsen. Und Twitter und Facebook tun ein Übriges, um jeden Irrsinn in Windeseile zu verbreiten. Wahrer wird er dadurch natürlich nicht.

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