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"Hart aber fair": Özdemir – AfD will "nur Angst machen"


Plasbergs "Bürgercheck zur Wahl"
Viele falsche Zahlen und eine rassistische Frage

Meinungt-online, Marc L. Merten

Aktualisiert am 19.09.2017Lesedauer: 4 Min.
Die Gäste bei Frank Plasberg: Cem Özdemir (Bündnis90/Grüne), Alice Weidel (AfD), Nikolaus Blome (Bild-Zeitung), Omid Saleh Omoum (Iran-stämmiger Deutscher) und Joachim Herrmann (CSU).Vergrößern des BildesDie Gäste bei Frank Plasberg: Cem Özdemir (Bündnis90/Grüne), Alice Weidel (AfD), Nikolaus Blome (Bild-Zeitung), Omid Saleh Omoum (Iran-stämmiger Deutscher) und Joachim Herrmann (CSU). (Quelle: ARD)
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Es war Frank Plasbergs letzter "Bürgercheck zur Wahl" am Montagabend in der ARD, und natürlich ging es abschließend um "Sicherheit und Zuwanderung". Wird es das entscheidende Thema der Bundestagswahl 2017?

Die Gäste

• Cem Özdemir, Bündnis90/Grüne
Alice Weidel, AfD
• Joachim Herrmann, CSU
• Nikolaus Blome, Bild-Zeitung
• Omid Saleh Omoum, Iran-stämmiger Deutscher

Das Thema

Zum Schluss der Sendung fragte Frank Plasberg: Welchen Einfluss werde die Flüchtlings-Frage auf das Wahlergebnis haben? Einen großen, da waren sich die Anwesenden ausnahmsweise einig. Zuvor hatte es teils offene Grabenkämpfe im Fernsehstudio gegeben.

Der Fauxpas des Abends

So zum Beispiel, als AfD-Frontfrau Alice Weidel: von der "Gewaltspirale in Deutschland" sprach, die "durch die Decke geht". Die "hartaberfair"-Redaktion glaubte, sich auf diese Aussage gut vorbereitet zu haben, denn Plasberg versprach Zahlen. Die Kriminalität bei Zuwanderern sei 2017 angestiegen. Morde um 97 Prozent, Gruppenvergewaltigungen um 133 Prozent, alle Straftaten insgesamt um 89 Prozent. Was die ARD dabei nicht angab, waren die tatsächlichen Zahlen. Dabei hätte es eine große Rolle gespielt, ob es um einen Anstieg von beispielsweise 13 auf 21 Straftaten oder von 1300 auf 2100 Straftaten ging. Zudem erwähnte Plasberg nur in einem Nebensatz, dass es sich lediglich um Tatverdächtige handelte – der Begriff Unschuldsvermutung wurde von der ARD an diesem Abend zu Ungunsten der Zuwanderer gänzlich ignoriert.

Zahl des Tages

Es gab an diesem Abend weitere Zahlen, die nicht belastbar waren und lediglich zur Stimmungsmache dienten. Zum Thema Familiennachzug bei Zuwanderern erklärte Weidel, man müsse mit zwei Millionen weiterer Menschen rechnen, die unkontrolliert ins Land kommen könnten. Für Joachim Herrmann entbehrte diese Zahl jeder Grundlage, zumal alle Nachzüge über die jeweiligen Botschaften angemeldet werden und geprüft werden müssen. So seien 2016 weniger als 3000 Menschen nach Bayern zugezogen. Insgesamt, so Plasberg, kämen in diesem Jahr rund 120.000 Menschen durch den Familiennachzug nach Deutschland. Mehrere hunderttausend Menschen werden in 2018 das Recht haben, einen solchen für ihre Familienmitglieder zu beantragen. Für Weidel bestehe die Gefahr, dass "drei, vier, fünf oder mehr Familienmitglieder nachziehen". Es war Nikolaus Blome, der Weidel korrigierte: Er zitierte die offiziellen Statistiken der Regierungen der letzten 20 Jahre, wonach im Schnitt ein Zuwanderer eine Person nachholte. Cem Özdemir kommentierte es zynisch: "Zahlen interessieren die AfD nicht so sehr. Es geht ihnen mehr darum, Angst zu machen."

Der Aufreger des Abends

Überhaupt ging es an diesem Abend darum, dass die Politiker versuchten, vor den anderen Parteien zu warnen. Dies eskalierte, als Herrmann Özdemir vorwarf, die Abschiebung von acht Straftätern in der vergangenen Woche nicht gutgeheißen zu haben. "Ich finde es nicht unerträglich, diese Leute zurückzubringen", sagte Herrmann, "sondern ich finde es unerträglich, dass die, die hier Zuflucht suchen, Frauen vergewaltigen." Özdemir habe in dieser Frage "herumgeeiert". Dies sei "kein Niveau", wehrte sich der Grünen-Politiker und versuchte es mit einer differenzierten Antwort: "Es soll abgeschoben werden, wenn man abschieben kann. Aber ich habe Informationen, wonach man aktuell nicht nach Afghanistan abschieben sollte."

Es ging um die Frage der sicheren Herkunftsländer, und einmal mehr entstand ein typisch deutscher Streit darüber, ob Afghanistan sicher sei, ein Land, in dem wohl nur die wenigsten Deutschen, am wenigsten deutsche Politiker in bunten Talkshows, gerade auch nur einen Tag verbringen wollen würden. Doch auch Plasberg war der Meinung, Özdemir wolle nicht klar auf Herrmanns Frage antworten, ob das Abschieben der acht Straftäter richtig gewesen sei. Der CSU-Politiker und der Moderator befragten Özdemir unisono mehrfach, warum er eine Antwort verweigere. Dabei hatte Özdemir sie bereits gegeben. Sie war nur nicht so plakativ wie ein "Ja" oder "Nein", man hätte nur zuhören müssen.

Der Tiefpunkt des Abends

Für den Tiefpunkt der Sendung war Frank Plasberg zuständig. Er fragte den in Deutschland geborenen Omid Saleh, Sohn iranischer Eltern, ob er mit "dunklem Teint und schwarzen Haaren" das Gefühl habe, der Rassismus in Deutschland habe zugenommen. Das bestätigte Saleh, der auch die AfD dafür verantwortlich machte, "weil sie eine Rhetorik benutzt, die Menschen heiß macht, damit sie ihre eigenen Probleme auf Ausländer schieben." Er schilderte eine Szene in München, wo er von einem Mann an einer Bushaltestelle gefragt worden sei: "Bist du ein Terrorist oder ein Mörder? Welcher Terrorzelle gehörst du an?" Plasbergs anschließende Frage war dann ein ausgemachter Skandal: "Es klingt natürlich völlig gaga", schob der Moderater vorweg, fragte aber tatsächlich: "Klingt das nicht ein Stück weit nachvollziehbar?" Man will dem ARD-Moderator unterstellen, dass er diese Frage nicht so meinte, wie er sie gestellt hatte. Doch Verständnis für eine offen rassistische Frage aufzubringen, durch die ein Mann als potentieller Terrorist dargestellt wird, nur, weil seine iranischen Wurzeln äußerlich erkennbar sind, ist hanebüchen. Saleh blieb in seiner Antwort ruhig, erklärte, es habe eine hitzige Diskussion mit dem Mann gegeben.

Was offen bleibt

Hitzig wurde es an diesem Abend vor allem immer wieder zwischen Özdemir und Herrmann. Man darf gespannt sein, ob der Grünen-Politiker mit seiner Aussage Recht hat, dass sich Herrmann in den letzten Wochen für den Posten des Bundesinnenministers in Position gebracht habe. "Das interne Geschacher" habe jedenfalls schon begonnen, so Özdemir. Und tatsächlich ließ Herrmann keine Gelegenheit aus, Bayern als Vorzeigeland für die Flüchtlingspolitik zu reklamieren – und damit seine eigene Arbeit. Da dürfte es dem CSU-Mann nicht gefallen haben, dass Blome eine der wenigen belastbaren und bestätigten Zahlen nannte, die die amtierende Regierung kritisierte. "Die große Koalition hat zu einer großen Kraftanstrengung aufgerufen, mehr Leute abzuschieben", sagte Blome. "Faktisch sind die Abschiebungen aber um zehn Prozent runtergegangen."

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