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Zustand der SPD: "Sanierungsbedarf - vom Keller bis zum Dach"


Zustand der SPD
"Sanierungsbedarf - vom Keller bis zum Dach"

t-online, Horand Knaup

Aktualisiert am 08.12.2017Lesedauer: 4 Min.
Martin Schulz: Der alte und neue SPD-Parteivorsitzende Martin Schulz steht vor innerparteilich umstrittenen Sondierungsgesprächen mit der CDU.Vergrößern des BildesMartin Schulz: Der alte und neue SPD-Parteivorsitzende Martin Schulz steht vor innerparteilich umstrittenen Sondierungsgesprächen mit der CDU. (Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa-bilder)
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Auf ihrem Parteitag richten sich die Sozialdemokraten wieder auf, tatsächlich liegt der größte Teil der Arbeit noch vor ihnen. Und die Gespräche mit der CDU haben noch nicht einmal begonnen.

Eine Analyse von Horand Knaup

Es war 19.42 Uhr am Donnerstagabend. Martin Schulz atmete tief durch. Ermattet, erleichtert, errettet. Über sechs Stunden lang hatte der SPD-Parteitag in der Berliner Messe diskutiert, argumentiert, gestritten. Über eine mögliche Große Koalition, über eine Neuaufstellung der Partei und letztlich auch, wenngleich immer nur zwischen den Zeilen, über ihren Vorsitzenden.

Offen ritt keiner die Attacke. Mit 81,9 Prozent kann der angeschlagene Parteivorsitzende gut leben, es hätte schlimmer kommen können.
Knapp jeder fünfte Delegierte hatte nach einem vermurksten Wahlkampf, einem miserablen SPD-Wahlergebnis und allerlei Stolpereien in Personalfragen und der Post-Jamaika-Phase eine Rechnung offen mit dem Parteivorsitzenden. Der nahm die Wahl an und dankte artig "für diesen Vertrauensbeweis".

Olaf Scholz kam unter die Räder

Ein kraftvoller Rückhalt und Schub für die kommenden Wochen war das nicht, und was der Vertrauensbeweis wirklich wert ist, wird sich schon in den nächsten Tagen zeigen, wenn Schulz und die Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles mit Angela Merkel, Volker Kauder, Horst Seehofer und Alexander Dobrindt zusammen treffen.

Aber Schulz überstand den Auftakt des Parteitags erst einmal ohne größere Blessuren. Denn auch seine Sorge, die Delegierten könnten ihm Sondierungsgespräche mit der Union komplett verwehren, war am Ende unbegründet. Anders der Rivale im Wartestand, der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz: Er kam mit 59 Prozent Ja-Stimmen bei den Stellvertreter-Wahlen ziemlich unter die Räder.

Fünf Stunden und Dutzende von Wortmeldungen lang hatte der Parteitag da bereits den Zustand der Partei verhandelt, vor allem aber die Frage: Soll sich die SPD - wenn die Voraussetzungen stimmen - noch einmal auf eine Große Koalition mit der CDU/CSU einlassen? Soll sie Gespräche beginnen, auch auf die Gefahr, dass keine Verständigung zustande kommt? Oder soll schon die Kontaktaufnahme mit Merkel und Seehofer, wie es vor allem die Jusos forderten, von vorne herein ausgeschlossen werden?

Grünes Licht für Gespräche mit der CDU

Am Ende war alle Aufregung umsonst und es gab eine große Mehrheit für den Fahrplan: Erste Gespräche mit der Union in der kommenden Woche. Sollten die Sondierungen mehr ermöglichen, möglichst noch im Januar ein Parteitag der Genossen, der gegebenenfalls die Bedingungen für Koalitionsverhandlungen festlegt. Und nach einem allfälligen Koalitionsvertrag ein Mitgliederentscheid, der allen Verabredungen seinen endgültigen Segen gäbe.

Der Parteitag hat zwar erst einmal grünes Licht für eine Kontaktaufnahme mit der Union gegeben. Das Problem könnte aber woanders liegen - dass nämlich die SPD bereits im Frühstadium ihren Forderungskatalog so aufbläht, dass schon bei den Sondierungen die Gemeinsamkeiten rar werden. Dass Angela Merkel, die ja innerparteilich ebenfalls unter massivem Druck steht, schon im Vorfeld keine Chance auf eine Verständigung sieht und die Gespräche für beendet erklärt.

Wie hoch die SPD die Latte legen will, gab der Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller gleich zu Beginn des Parteitags zu Protokoll: "Die Bürgerversicherung ist zwingende Voraussetzung für Gespräche mit uns." Bei der Union würden unter diesem Vorbehalt viele gar nicht erst mit dem Sondieren beginnen.

"Gradlinigkeit und Glaubwürdigkeit"

Noch ist also der weitere Verlauf von Gesprächen und möglicher Koalitionsverhandlung völlig offen. Klar wurde beim SPD-Klassentreffen aber auch, welchen Reformbedarf die Partei hat. Dass es grundlegender Korrekturen bedarf. Korrekturen, die die gesamte Parteispitze herausfordern. Kaum ein Redebeitrag, in dem nicht von Vertrauensverlust die Rede war.

Selbst Spitzenkräfte machten beim allgemeinen Aufwasch kräftig mit. Einen "neuen Politikstil" forderte die Schulz-Stellvertreterin Manuela Schwesig ein, "wir brauchen Gradlinigkeit und Glaubwürdigkeit". "Das wichtigste ist, wieder Glaubwürdigkeit zu kriegen", assistierte Fraktionschefin Nahles. Und der Noch-Generalsekretär Hubertus Heil befand. "Es gibt eine Vertrauenskrise in der Partei."

Es sind also grundlegende Reparaturarbeiten fällig. Nur wo und wie und in welchem Umfang saniert werden soll, bleibt vorläufig unklar. Und die Frage drängt sich auf: Sind ausgerechnet die zur Sanierung in der Lage, die die Partei in die Malaise hineinmanövriert haben?

"Viel enger zusammenrücken"

Überhaupt, selten haben sie in der Parteiführung so aneinander vorbei geredet. Es brauche "konkrete Lösungen, die aber nicht für sich allein stehen dürfen, sondern Teil einer sozialdemokratischen Gesamtstrategie sein müssen", sagte Martin Schulz. Er wolle, dass Basis und Parteispitze "viel enger zusammenrücken".

Die einen verstehen unter Erneuerung eine Neuformatierung der Parteiorganisation, andere mehr Frauen in Führungspositionen, der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Mike Groschek wiederum will "Vertrauen und Glaubwürdigkeit erneuern". Seit dem Jahr 2003 habe die Partei in zentralen Fragen keine grundsätzlichen Auseinandersetzungen mehr geführt. Hans Eichel schließlich, der ehemalige Finanzminister, stellte ganz grundsätzlich die Frage nach einer "längerfristigen Zukunftsperspektive". Antworten aber gab auch er nicht.

Es war ein Nachmittag, an dem fast jeder Redebeitrag offenbarte, dass auf den neuen alten Parteivorsitzenden - jenseits von Ja oder Nein zu Großer Koalition - noch Arbeit wartet. Sehr viel Arbeit. Oder wie es Ralf Stegner, der Frontmann der Linken in der Parteispitze formulierte: "Wir haben Sanierungsbedarf - vom Keller bis zum Dach!"

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