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Übergriffe in Köln: So verwandeln sich Marokkaner in Syrer


Köln und die Hintergründe
Wie sich nordafrikanische Jugendliche in Syrer verwandeln

Von Christian Kreutzer, t-online.de

Aktualisiert am 13.01.2016Lesedauer: 4 Min.
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Silvester am Kölner Hbf: Vor allem junge Männer aus Nordafrika sollen an den Angriffen beteiligt gewesen sein.Vergrößern des Bildes
Silvester am Kölner Hbf: Vor allem junge Männer aus Nordafrika sollen an den Angriffen beteiligt gewesen sein. (Quelle: dpa-bilder)

Sie kommen aus den Armenvierteln Nordafrikas: Junge Marokkaner und Algerier reisen derzeit über den Balkan nach Deutschland. Hier geben sie sich als syrische Kriegsflüchtlinge aus. Vor allem aus ihrer Gruppe sollen die Silvester-Angreifer von Köln kommen. Bundesbehörden sehen jedoch eine noch größere Gefahr.

Wenn M. einen Syrer vor sich hat, hört er das an dessen arabischem Akzent. Wenn nicht, ebenfalls, denn M. ist Syrer. Seine Identität ist der Redaktion bekannt, doch der Zwanzigjährige will anonym bleiben.

Auf der Reise nach Deutschland, sagt M., habe er sehr viele Marokkaner, Algerier und Tunesier getroffen. Sie hätten sich akribisch darauf vorbereitet, sich als syrische Kriegsflüchtlinge auszugeben und sich neue Lebensläufe ausgedacht.

"Marokkaner und Algerier kommen in großen Zahlen"

Auch auf Youtube kann man viele von ihnen dabei beobachten: Auf Dutzenden Videos breiten dort vor allem junge Marokkaner stolz ihre Pläne aus, sich als Syrer nach Deutschland oder skandinavische Länder wie Norwegen oder Schweden durchzuschlagen.

Manche lassen sich dabei zusehen, wie sie die syrische Nationalhymne auswendig lernen, um sie notfalls zum Besten geben zu können.

Wie viele von ihnen hierher unterwegs sind, ist unbekannt. Am Samstag aber sagte der für Migration zuständige griechische Vizeminister Ioannis Mouzalas einer Zeitung ohne genauere Angaben: "Wir haben ein neues Phänomen: Marokkaner und Algerier (…) kommen in großen Zahlen." Sie würden aus der Türkei übersetzen.

Wie M. weiß, besorgen sich dort viele der "Pseudo-Syrer" echte Pässe aus Syrien. Die seien im Libanon und in der Türkei für 700-1000 Dollar zu haben und kämen direkt aus Damaskus – inklusive einer amtlichen Beglaubigung.

M. hat im Handumdrehen eine Liste von Facebook-Seiten parat, wo Pässe, aber auch Schulzeugnisse bestellt werden können. Auf jeder Seite ist auch eine türkische oder libanesische Telefonnummer angegeben.

Was Köln mit den falschen Syrern zu tun hat

Seit Silvester erscheinen die falschen Syrer in einem bösen Zusammenhang: Die Aussagen über eine Welle aus nordafrikanischen Möchtegern-Flüchtlingen decken sich auch mit denen von Mahmoud*, einem Marokkaner, der sich bei t-online.de meldete.

Er und andere marokkanischstämmige Bürger hatten t-online.de Hinweise darauf geliefert, dass die Angreifer von Köln vor allem junge Landsleute von ihnen gewesen seien.

Sie seien unter anderem auf die beschriebene Weise eingereist, sagt der gut vernetzte Gastwirt Mahmoud, der selbst nicht in Köln wohnt: "Als ich im vergangenen Jahr in mehreren marokkanischen Großstädten war, gab es in den Armenvierteln kein anderes Thema als: Wie komme ich nach Deutschland?"

Länderübergreifende Organisation

Mahmoud warnt: Im Gegensatz zu den meisten Marokkanern in Deutschland, seien diese "Einwanderer" auf einer Art Raubzug. Silvester sei nur die Spitze des Eisbergs gewesen. Bei der ersten Bewährungsstrafe zögen sie in ein anderes EU-Land weiter.

An Silvester hätten sich zudem nicht nur in Deutschland sondern auch von Belgien und anderen Nachbarländern aus junge Nordafrikaner organisiert und per Facebook verabredet, ist Mahmoud überzeugt.

Was immer mehr Menschen berichten, die sich um Flüchtlinge kümmern: Menschen aus vielen Ländern – selbst aus Bulgarien – kommen als Syrer nach Deutschland.

Hier ist der ganze Sachverhalt angeblich unbekannt. Das Bundesamt für Migration hat nach Angaben ihrer Sprecherin Kira Gehrmann keine Hinweise auf eine verstärkte Einwanderung von "syrischen Marokkanern".

Zwar würden in Zweifelsfällen "Sprach- und Textanalysen" durchgeführt. Allerdings nur, wenn mit den Papieren etwas nicht in Ordnung sei.

Wie soll ein Polizist Syrer und Nordafrikaner unterscheiden?

Und selbst wenn ein Fachmann den nordafrikanischen Dialekt erkenne, hat der Syrer M. beobachtet, sagten die Betroffenen einfach, sie seien schon als Kinder mit ihren Eltern nach Nordafrika gezogen.

Sind die falschen Syrer erst mal im Land, sind sie auf der sicheren Seite. "Sagen Sie mir mal, wie ein Polizist einen Syrer von einem Nordafrikaner unterscheiden soll, wenn auf seinem Registrierungsschein Syrien steht?" fragt ein Stuttgarter Polizeisprecher. Die Antwort lautet: gar nicht.

Verachtung für Polizisten und Frauen

Und die nächste Frage: Schien es deshalb so, als seien so viele syrische Kriegsflüchtlinge an den Silvester-Ausschreitungen beteiligt? Waren es falsche Syrer - in Wahrheit echte Marokkaner - die dort in großer Zahl verabredet waren? Der Marokkaner Mahmoud* sagt: "Ich bin davon überzeugt."

Die Taten von Köln würden seiner Überzeugung nach auch zu den Verdächtigten passen: Jung, voller Verachtung für Polizei, Autoritäten – und westliche Frauen.

Selbst die Polizeibehörden scheinen von dem Phänomen aufrichtig überrascht zu sein – und geben sich bislang zugeknöpft. Sprecher verweisen darauf, man stehe noch am Anfang der Ermittlungen – so bei den Polizeipräsidien in Köln und Stuttgart, so auch bei den zuständigen Landeskriminalämtern von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.

BKA schaltet sich in Ermittlungen ein

Hakt man nach, geben viele, wenn auch zögerlich zu, dass Nordafrikaner zumindest bei der Kleinkriminalität wie Haschischhandel, Taschendiebstahl und Betrügereien in vielen Städten eine bedeutsame Rolle spielen.

Doch möglicherweise steckt auch noch Größeres dahinter: Am vergangenen Freitag wurde das Bundeskriminalamt in die Ermittlungen eingeschaltet. Es soll vor allem herausfinden, wie sich die Täter von Köln, Hamburg, Stuttgart und anderen Orten organisiert haben und wo die Zusammenhänge zwischen dem Geschehen in den einzelnen Großstädten sind.

Zweifel daran, dass die Sache über spontane lokale Zusammenrottungen weit hinausgeht, scheint bei den Bundesbehörden niemand mehr zu haben. Im Gegenteil. Auf Nachfrage erfuhr t-online.de, wer beim BKA die Ermittlungen übernommen hat: Es ist die Abteilung für "Schwere und Organisierte Kriminalität".

*Name von der Redaktion geändert

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