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"Hart aber fair" über Pflegenotstand: "Merkel versteht das Problem nicht"


"Hart aber fair" zur Pflege
"Merkel versteht das Problem auch einfach nicht"

Meinungt-online, David Heisig

Aktualisiert am 10.10.2017Lesedauer: 4 Min.
Moderator Frank Plasberg (re.) diskutierte mit seinen Gästen zum Thema "Notruf aus dem Pflegealltag: Was muss die nächste Regierung tun?"Vergrößern des BildesModerator Frank Plasberg (re.) diskutierte mit seinen Gästen zum Thema "Notruf aus dem Pflegealltag: Was muss die nächste Regierung tun?" (Quelle: ARD)
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Mit heißer Nadel gestrickt wurde das Thema Pflege im Wahlkampf nicht. Der bevorstehende gesellschaftliche Diskurs darüber wird eher ein harter Brocken. Frank Plasberg hat in Hart aber fair unter dem Titel "Notruf aus dem Pflegealltag" schon mal angefangen.

Die Gäste
• Andrea Kaiser, Journalistin
• Claudia Moll (SPD), Bundestagsabgeordnete und Altenpflegerin
• Alexander Jorde, Azubi zum Gesundheits- und Krankenpfleger
• Samuel Koch, Schauspieler
• Jochen Pimpertz, Gesundheitsökonom
• Stephan Baumann, Bundesvorsitzender des Verbands der Dt. Alten- und Behindertenhilfe e.V.

Das Thema

Plasberg wollte mit seinen Gästen ein Pflichtenheft an die Politik erstellen. Als "Beitrag zur Regierungsbildung", wie er es nannte. Das Wort "Obergrenze" wolle er dabei nicht in den Mund nehmen, kokettierte er mit aktuellen politischen Prioritäten im Land. Dabei sie die "Untergrenze" in der Pflege längst erreicht. Nirgends sei die gefühlte und statistische Wirklichkeit so kongruent wie in der Pflege. Im Krankenhaus müsse eine Pflegekraft in der Nacht durchschnittlich 26 Patienten versorgen, in einer Pflegeeinrichtung gar 52. Erschreckend. Aus Jorde, bekannt als derjenige, der in der ARD-Wahlarena die Bundeskanzlerin beim Thema auf dem falschen Fuß erwischte, platzte es heraus: Die Zustände in der Pflege seien katastrophal, Personal und Patienten seien überfordert. "Das macht mich wütend", betonte er. Ob er sich von der Kanzlerin verstanden fühle, fragte Plasberg. "Nein. Ich glaube, sie versteht das Problem auch einfach gar nicht", erneuerte er seine Kritik. Es sei traurig, dass sie die Pflege erst nach 12 Jahren "zur Chefsache" machen wolle.

Die Fronten

Pimpertz und Baumann mussten die Spielverderber des Abends geben. Die Pflege schön reden, wollten beide nicht. Dazu wussten sie zu gut, wie schief die Lage und berechtigt die Kritik ist. Sie sahen nur andere Verantwortlichkeiten. Man könne die Verantwortung nicht alleine der Politik zuschieben, konterte der Ökonom die Jorde-Kritik. Am Tisch säßen noch andere Spieler. Er rechnete vor: Die Pflege im Alter "wird sehr teuer werden". "Wir alle müssen privat vorsorgen", so sein Appell. Baumann ergänzte, die Pflege sei eine gesellschaftliche Aufgabe. Daher müssten die Beiträge zur Pflegeversicherung steigen. Er stellte die Frage, was die Pflege der Gesellschaft wert sei. Wohl nicht viel, weil die letzten 20 Jahre nicht viel an Diskurs darüber gekommen sei. Die Pflege habe keine Lobby.

Aufreger des Abends

Die Programme der Parteien gäben zum Thema nicht viel her, so Pimpertz. Eine Partei vertrete am ehesten einen geeigneten Ansatz mit der Forderung nach privater Initiative und Verantwortung. "Welche?", wollte Plasberg natürlich wissen. "Die FDP", so der Gesundheitsökonom. Lacher bei Moll und Jorde. Wer so etwas sage, habe "nicht so viel Ahnung, was da abgeht in der Pflege", legte Jorde nach. FDP-Chef Christian Lindner habe von mehr Effizienz in der Pflege gesprochen. "Wir bauen keine Autos zusammen, wir pflegen Menschen", war der Azubi auf 180. Pimpertz versuchte zu beruhigen. Effizienz heiße nicht, dass ein Pfleger noch mehr pflegen müsse. Vielmehr, dass man mehr in Pflege investiere, was aber zu Lasten anderer Faktoren in Kliniken ginge. Jorde war noch nicht fertig. Er nahm Pimpertz Privatvorsorge-Plan aufs Korn: Wie jemand mit Mindestlohn privat für die eigene Pflege vorsorgen solle, fragte er. "Es gibt Menschen, die haben das Geld nicht", sprang ihm Moll bei. Pimpertz und Baumann versuchten, die Diskussion mit Stichworten wie Personalschlüssel oder kommunale Rahmenbedingungen zu erden. Jorde blieb bei der einfachen Rechnung: 30 Milliarden Euro in Rüstung, gerade mal 830 Millionen in die Pflege. Und die, die das "Land aufgebaut" hätten, lägen "in der Scheiße". Dafür gab es Szenenapplaus. Pimpertz blieb dabei: jeder müsse sich fragen, wo er "in die Verantwortung einsteigt". Die "Abstimmung vor zwei Wochen" (Bundestagswahl) habe keine politische Veränderung beim Thema Pflege angestoßen. Also bliebe nur privat vorsorgen. Jorde seufzte ein letztes Mal.

Plasberg-Momente

Der Moderator zeigte sich tiefenentspannt. Streit schlichten musste er nicht. Kochte der Talk-Topf emotional hoch, packte die Runde selbst irgendwann den Deckel drauf. Zudem fehlten in der aktuellen Runde auch die Politikerköpfe, deren Egos per Moderation eingefangen hätten werden müssen. Alleinig Moll ist Politikerin. Mit der schäkerte Plasberg aber lieber. Man verstand sich. Nur einmal trat Plasberg ins Fettnäpfchen: als er Koch etwas von einem Querschnitt durch die Gesellschaft erzählen wollte. Autsch! Koch nahm es gelassen.

Was von der Sendung übrig bleibt

Die Runde war sich über weite Strecken einig. Es gab viel Kopfnicken. Vor allem von Pimpertz, auch wenn der von Jorde teilweise heftig abgekocht wurde. Die Crux mit der Pflege war allen klar: Es gibt den Pflegenotstand. Wenn nicht gegengesteuert wird, wird daraus die Pflege-Katastrophe. Viele Pfleger sind überlastet. An vielen Ecken gibt es abschreckende Fälle, Angehörige besser nicht in ein Heim zu geben. Dem gebenüber stehen die Taffen, wie Jorde oder Moll. Leuchttürme, die für ihren Berufsstand die Fahne hochhalten. Immer zwischendrin die Erkenntnis: Geld alleine löst das Problem nicht. Vielmehr muss sich die Gesellschaft einer Verantwortung bewusst werden. Und die Politik? Die Krankenversicherungen? Denen hätte Plasberg auf den Zahn fühlen müssen. War nur keiner da. So konnte Plasberg in den letzten 30 Sendesekunden zwar so irgendwas wie einen Wunschzettel präsentieren. Neues stand aber nicht drauf.

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