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"Hart aber fair" zu Steueroasen: "Es ist ein himmelschreiendes Unrecht"


"Hart aber fair" zu Steueroasen
"Es ist ein himmelschreiendes Unrecht"

Meinungt-online, Nina Jerzy

Aktualisiert am 07.11.2017Lesedauer: 4 Min.
Frank Plasberg sprach mit seinen Gästen über Steueroasen.Vergrößern des BildesFrank Plasberg sprach mit seinen Gästen über Steueroasen. (Quelle: Screenshot: ARD)
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Die "Paradise Papers" zu Steueroasen machen erneut klar: Unmoralisches Verhalten ist nicht unbedingt illegal. Aber müssen wir uns damit abfinden? Diese Frage sorgte bei Frank Plasbergs "Hart aber fair" für Zündstoff.

Die Gäste

  • Georg Mascolo, Leiter des Rechercheverbunds von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung"
  • Jean Asselborn, Außenminister von Luxemburg
  • Michael Meister (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium
  • Sven Giegold (Die Grünen), finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im EU-Parlament
  • Johanna Hey, Leiterin des Instituts für Steuerrecht an der Universität Köln

Das Thema

Plasberg wagte einen symbolträchtigen Kaltstart in die Sendung, der irgendwie verpuffte. Die Redaktion hatte noch schnell rote Turnschuhe von Nike besorgt – und damit vermutlich einem jener Großkonzerne Geld in den Rachen geworfen, die laut den "Paradise Papers" von eklatanten Steuerschlupflöchern in der EU profitieren. Letzteres hat die "Süddeutsche Zeitung" mit dem Netzwerk investigativer Journalisten ICIJ und einem internationalen Reporterteam aufgedeckt.

Mascolo hielt den Turnschuh wie Hamlet den Totenkopf und erklärte, wie dem US-Konzern Nike in den Niederlanden der "Heilige Gral der Steuervermeidung" gelingt. Dann wurde diskutiert, wie allgemein bekannt die Praktiken im Nachbarland sind. Und schließlich einigte sich die Runde darauf, dass eine Billion wohl neun Nullen hat – nur um vom spontanen "Faktencheck" der Redaktion auf zwölf Nullen korrigiert zu werden.

Nach diesem holprigen Start in das komplexe Thema mit dem prägnanten Sendungstitel "Steueroase Europa – wie uns Konzerne und Super-Reiche abzocken!" ging es immer wieder um Moral und Schuld und wie wenig diese beiden Faktoren in einer modernen Wirtschaftswelt scheinbar miteinander zu tun haben. Wiederholt wurde betont: Was Unternehmen in Steueroasen treiben, ist oft faktisch legal. Aber kann und darf eine Gesellschaft das erlauben? Welche Handhabe bleibt, wenn Gewinnmaximierung über allem steht?

Die Fronten

Die Fronten waren klar gezogen und an der Sitzverteilung ablesbar. Mascolo und Giegold gaben der aufrechten Entrüstung eine Stimme. Der Journalist wies darauf hin, dass in der winzigen Steueroase Isle of Man in der Irischen See demnächst das 1000. Privatflugzeug registriert wird und so steuerfrei in die EU eingeführt werden darf. "Es ist ein himmelschreiendes Unrecht, dass die Politik nicht alles versucht, es zu verhindern", sagte er und zeigte Unverständnis für gut verdienende Firmen und Unternehmer, die auch das letzte Steuerschlupfloch ausnutzen.

"Das ist schädlich für den Zusammenhalt dieser Gesellschaft", kritisierte Mascolo und appellierte an Anstand und Moral. "Das gehört sich nicht. Das war ein Satz, der mal eine Bedeutung gehabt hat in dieser Gesellschaft. Und ich glaube, wir müssen ihn an manchen Stellen wieder lernen."

Giegold kritisierte den innereuropäischen Steuerwettbewerb und plädierte für einheitliche Mindeststeuersätze. Er warf Großbritannien vor, Maßnahmen gegen den Steuerwettbewerb immer wieder hintertrieben zu haben. Deshalb sieht der Grünen-Politiker im Brexit eine einmalige Gelegenheit. Wenn das Land ein Handelsabkommen mit der EU wolle, müsse es sich verpflichten, seine Steueroasen zu schließen. "Die EU ohne Großbritannien: Das ist unsere Chance, das größte Steueroasennetzwerk der Welt zu schließen", meinte Giegold.

Auf der anderen Seite vertraten Meister und Asselborn die staatliche Sicht der Dinge. Der luxemburgische Außenminister kam spontan nicht auf den Namen jenes Konzerns, der in seinem Land so viele Steuern spart ("Amazon", half Plasberg auf die Sprünge) und beteuerte, man habe aus früheren Finanzskandalen gelernt: "Wir haben keine Briefkastenfirmen mehr in Luxemburg." Meister wollte bei dem Thema gern zwischen einem lauteren Steuerwettbewerb und unfairen Praktiken unterschieden wissen. Der CDU-Politiker betonte angesichts der Pläne der EU-Kommission gegen Steuervermeidung: "Wir sind voll für Transparenz." Und führte sogleich drei Punkte gegen die Veröffentlichung der Steuerdaten von Großkonzernen an.

Hey bildete die goldene Fachmitte. Die niederländischen Steuerschlupflöcher waren ihrer Aussage nach allgemein bekannt: "Aber man muss ganz klar sagen: Gegen autonome Staaten können Sie erst mal von außen nicht viel ausrichten." Die Expertin nahm gern das Wort von der "Steuergestaltung" in den Mund. Ein Unternehmen, das seine Steuern nicht "gestalte", werde man nicht finden.

Aufreger des Abends

Immer wieder gerieten Giegold und Asselborn lautstark aneinander. Der Außenminister Luxemburgs warf dem Grünen-Politiker vor, ständig eine Reihe von Ländern an den Schlupfloch-Pranger zu stellen, ohne Beweise für seine Vorwürfe zu haben. Giegold wiederum machte die EU-Steueroasen als einen Grund für die wachsende Kritik an Europa aus. Ein Binnenmarkt ohne gemeinsame Steuerregeln sei nicht stabil. "Das treibt die Leute auch gegen Europa auf die Bäume", sagte Giegold und warnte davor, durch falschen Steuerwettbewerb Europa-Müdigkeit zu bestärken.

Plasberg-Momente

Plasberg gab den "Paradise"-Platzordner. Er war bemüht, ein Abgleiten der Diskussion in allzu komplizierte Sachverhalte zu verhindern. Dazu fiel er seinen Gästen eins ums andere Mal ins Wort. Als Asselborn dann gegen Ende auch noch die Demokratische Republik Kongo zur Sprache brachte, war endgültig Schluss. "Diese Paradise Papers sind eine Wundertüte", meinte Plasberg. "Wir haben uns heute auf einen schmalen Pfad begeben, um den richtig zu beackern." Am Ende gab der Moderator noch seinen ganz persönlichen Kommentar ab. Er hatte nämlich gerade das neue iPhone erhalten. "Sie haben mir den Abend verdorben", sagte er scherzhaft an Mascolo gerichtet. Schade, dass der Journalist da den Nike-Turnschuh längst aus der Hand gelegt hatte.

Was von der Sendung übrig bleibt

Der "schmale Pfad" zwischen den Niederlanden und der Isle of Man hat auch wegen vieler persönlicher Befindlichkeiten der Gäste und der ungemein komplexen Sachlage nicht wirklich zu großem Erkenntnisgewinn geführt. Dass die aktuelle Lage himmelschreiend ungerecht ist, darüber dürfte es kaum Diskussionen geben. Doch wie viel Empörung oder aber doch lieber Achselzucken entlocken uns immer wiederkehrende Enthüllungen à la "Panama Papers" oder "Paradise Papers"?

Mascolo bildete in seiner Wut einen krassen Gegenpol zum ehemaligen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Der sagte in einem Einspieler den – je nach Lesart resignierten oder erleuchteten Satz: "Die Welt ist, solange Menschen Menschen sind, sehr unvollkommen." Aber muss man sich damit abfinden? Ein interessanter Punkt hätte sich vielleicht besser als Wegweiser des Abends geeignet: Die Frage nach der Verantwortung und der Macht der Verbraucher bei dem Thema. Schließlich haben die etwa beim Kampf gegen Kinderarbeit in der Vergangenheit ihren Einfluss geltend gemacht. Hey rechnet nicht damit, dass wegen der "Paradise Papers" auch nur ein paar Nike-Schuhe oder iPhones weniger verkauft werden. Behält sie recht?

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