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Norbert Röttgen leistet sich peinlichen Patzer im TV


Politik
Röttgen leistet sich peinlichen Patzer im TV

spiegel-online, Von Jörg Diehl und Philipp Wittrock

Aktualisiert am 10.05.2012Lesedauer: 4 Min.
Norbert Röttgen (Archivbild): Bei "Anne Will" sprach er mit den anderen Gästen über den Krieg in der Ukraine.Vergrößern des BildesCDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen vergaloppiert sich im Wahlkampf-Endspurt (Quelle: dapd)
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Norbert Röttgen stolpert zur NRW-Wahl: Erst bringt der CDU-Spitzenkandidat mit einer riskanten Endspurt-Strategie die eigene Partei gegen sich auf. Dann leistet er sich in einer TV-Talkshow einen peinlichen Versprecher. Der Minister versucht zu retten, was nicht zu retten ist - und erntet Häme und Spott.

Berlin/Düsseldorf - Als Norbert Röttgen merkt, dass es zu spät ist, gerät auch der sonst so redegewandte Politiker ins Schwimmen. "Na ja, es wäre, irgendwie, … ja…", stammelt Röttgen. Dann senkt er mit einem gequälten Lächeln den Kopf und wartet den Applaus des Publikums ab. Der gilt nicht ihm, sondern dem Moderator, der nach seiner Zwischenfrage triumphierend auf eine Antwort des nordrhein-westfälischen CDU-Spitzenkandidaten wartet.

Wenn es mies läuft, dann läuft es richtig mies, muss sich Röttgen in diesem Moment wohl gedacht haben. Die Aussichten für die bevorstehende Landtagswahl sind ohnehin alles andere als heiter, jetzt wird auch noch sein Wahlkampfendspurt zum Desaster. Erst bringt er seine halbe Partei samt Kanzlerin gegen sich auf, weil er die bevorstehende Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen kurzerhand zur Abstimmung über die Europapolitik der Bundeskanzlerin erklärt. Dann leistet er sich einen peinlichen Versprecher in einer TV-Talkshow. Beides will er natürlich nicht so gemeint haben - doch ungeschehen machen kann er die Patzer nicht.

Eigentlich passierte es nur vor kleinem Publikum, am Dienstagabend in der TV-Sendung "Log in" im Spartenkanal ZDF Info. Doch über das Internet verbreitet sich die Szene am Mittwoch schnell. Es geht, wie so oft in diesem Wahlkampf, um die Frage nach Röttgens Zukunft im Fall einer Niederlage am Sonntag. "Wenn Sie Landesvorsitzender sind und das Beste für das Land wollen, müssten Sie auch in die Opposition gehen", sagt Moderatorin Dunja Hayali. Der Umweltminister versucht es mit der Routine-Strategie: "Ja gut, also, müsste ich nicht", sagt Röttgen, "sondern ich meine, ich müsste dann eigentlich Ministerpräsident werden." Dann fügt er einen fatalen Satz hinzu: "Bedauerlicherweise entscheidet nicht alleine die CDU darüber, sondern die Wähler entscheiden darüber."

"Bedauerlicherweise?", fragt Moderator Wolf-Christian Ulrich von der Seite dazwischen. Das sitzt. Röttgen stammelt herum und versucht zu retten, was nicht mehr zu retten ist. "Das war ein bisschen Ironie", sagt er und müht sich, den peinlichen Moment wegzulachen. "Ich nehme die sofort zurück."

Doch gesagt ist gesagt, der Clip ist bei YouTube und in der ZDF-Mediathek zu sehen, per Twitter werden eifrig die Links verbreitet - mit hämischen Kommentaren. "Immer dieser Wähler…", spottet der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler. "Freud'scher Versprecher, Herr Röttgen? oder 'Demokratieverständnis à la CDU'", fragt jemand. Ein anderer schreibt: "NRW - Norbert Röttgen befürwortet Diktatur." Einer konstatiert: "Autsch! Ich glaube, die Wahlkampfmanager von Röttgen stehen vor ihrer schwersten Aufgabe."

Röttgen hat viele Feinde in der CDU

Diese Feststellung aber gilt nicht erst seit Dienstagabend. Röttgens Wahlkampf stand von Anfang an unter keinem guten Stern. In den eigenen Reihen sagen ihm viele nach, dass er nach der überraschenden Landtagsauflösung nur widerwillig in den Wahlkampf gezogen ist. Denn die Chancen auf einen Wahlsieg und den damit verbundenen Ministerpräsidentenposten waren im März schlecht - und sie sind es auch heute noch.

Die harte Oppositionsbank in Düsseldorf passt allerdings nicht unbedingt in die Karrierepläne eines bislang erfolgsverwöhnten Politikers, dem Ambitionen auf das Kanzleramt nachgesagt werden. Also behielt Röttgen seinen attraktiven Ministerjob in Berlin und ließ sich nicht darauf festnageln, ob er auch im Falle einer Niederlage an den Rhein wechseln würde. In der CDU äußerte kaum jemand Verständnis für den Eiertanz. Dabei hätte mancher an Röttgens Stelle wohl ähnlich gehandelt. Aber Röttgen hat in der Partei viele Feinde, die ihm gern mal einen mitgeben.

Die mangelnde Glaubwürdigkeit blieb im Wahlkampf über ein Problem. Sie sei "authentisch", wird immer wieder lobend über Röttgens Kontrahentin Hannelore Kraft von der SPD gesagt. Der Christdemokrat dagegen fremdelt mit dem Volk. Er kann reden, gilt als intellektueller Kopf, "Muttis Klügster" haben sie ihn in der CDU einst getauft. Aber die Inszenierung als warmherziger Landesvater liegt ihm nicht. Die Folge: In den Umfragen liegt nicht nur die CDU abgeschlagen hinter der SPD. Könnten die Bürger den Regierungschef direkt wählen, sprächen sich 58 Prozent für Kraft aus. Röttgen kommt nur auf 30 Prozent.

Spott von der FDP

Da hilft es auch nicht, dass Röttgen Kraft zur "Schuldenkönigin" kürt. Er will die Menschen gewinnen, indem er andeutet, ihnen Geld oder Lebensstandard nehmen zu müssen. Dabei vermeidet er es aber tunlichst auszusprechen, was ein strikter Sparkurs bedeutete, und vor allem, wo denn überhaupt gespart werden könnte: Röttgen sagt A, das B aber bleibt er schuldig. Überzeugungskraft kann er so nicht entfalten.

Nun hat er wenige Tage vor dem Urnengang versucht, die Wahl auf eine höhere Bedeutungsebene zu hieven, indem er sie zur Abstimmung über den Euro-Kurs Angela Merkels erklärt hat. Ein Akt der Verzweiflung? Oder der Versuch, schon mal einen Teil der Verantwortung zur Kanzlerin abzuschieben. In der CDU sind sie fassungslos über die Vorlage für die Opposition im Bund. Selbst Kabinettskollegen verhöhnten den Umweltminister öffentlich. "Wie Röttgen auf die Idee kommen konnte, die Landtagswahl zum Test für die Politik der Bundesregierung auszurufen, ist mir schleierhaft - zumal er sich im Wahlkampf ja immer mehr der SPD und den Grünen angenähert hat", sagte Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) SPIEGEL ONLINE. Und die Kanzlerin stellt via "Ruhr Nachrichten" klar: "Die Wahl am Sonntag ist eine wichtige Landtagswahl für Nordrhein-Westfalen, nicht mehr und nicht weniger."

Inzwischen versucht auch Röttgen, seine Worte wieder einzufangen. "Am Sonntag steht nicht der Kurs von Angela Merkel in Europa zur Abstimmung, sondern der Schuldenkurs von Frau Kraft in Nordrhein-Westfalen", betonte er in der "Welt". Es gehe um die Frage, ob NRW eine Regierung bekomme, "die Angela Merkels Bemühen um den Fiskalpakt und die Schuldenbremse auch durch eigene Anstrengungen unterstützt".

Doch auch in der NRW-CDU rumort es. Zwar scheuen die Konservativen bislang den Aufstand, doch sollte man am Sonntag ein deutlich schlechteres Ergebnis einfahren als 2010 - schon damals waren es nur 34,6 Prozent - und es käme zudem nicht zu einer Großen Koalition, dann stünde wohl auch Röttgens Landesvorsitz zur Disposition. Das Abenteuer NRW könnte sich für ihn dann schnell erledigt haben.

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