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"Anne Will": Serdar Somuncu beklagt Türkenfeindlichkeit


Talk bei "Anne Will"
"Die Politik der Türkei ist absurd geworden"

t-online, David Heisig

Aktualisiert am 04.04.2017Lesedauer: 4 Min.
In der Sendung "Anne Will" stand das Thema Türkei im Mittelpunkt.Vergrößern des BildesIn der Sendung "Anne Will" stand das Thema Türkei im Mittelpunkt. (Quelle: Wolfgang Borrs/NDR/dpa-bilder)
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Das deutsch-türkische Verhältnis ist gespannt. Spionagevorwürfe gegen den türkischen Geheimdienst verschärfen die Lage. Über die Konsequenzen diskutierte Anne Will mit ihrer Runde.

Die Gäste

  • Seyran Ates, Rechtsanwältin
  • Boris Pistorius (SPD), Niedersächsischer Innenminister
  • Serdar Somuncu, Kabarettist
  • Paul Ziemiak (CDU), Bundesversitzender der Jungen Union
  • Rahmi Turan, Korrespondent des türkischen Senders „A Haber“

Das Thema

Will begann mit einer Erkenntnis. Sie wisse, dass das „nicht die allererste Sendung zum deutsch-türkischen Verhältnis“ sei. Als müsse sie das Thema rechtfertigen, schob sie hinterher, mit den aktuellen Spionagevorwürfen gegen den türkischen Geheimdienst habe das Ganze eine noch schärfere Dimension bekommen. Auch durch die ominöse Liste mit in Deutschland lebenden vermeintlichen Gülen-Anhängern und der türkischen Bitte nach Amtshilfe deutscher Behörden.

An Spionage der Türkei könne man „nicht wirklich“ Zweifel haben, so Pistorius. Die Liste lasse „keinen anderen Schluss“ zu. Erdogan spiele ein doppeltes Spiel, wolle provozieren. „Kein türkischer Geheimdienst kann am Ende wirklich so naiv sein“, meinte der Innenminister und deutsche Hilfe erwarten.

Die Fronten

Somuncu versuchte zu differenzieren. Es werde auf beiden Seiten polemisiert, „auf Augenhöhe“ ein „Wettkampf“ ausgetragen, „wer die jeweils längeren Fangarme“ im Staat des anderen habe. Spionage sei nichts Ungewöhnliches. So wenig Aufregung hätte man von ihm nicht erwartet. Allerdings macht er umgehend klar, was ihm richtig auf den Zeiger geht: dass jeder unschuldig auf dieser Verdachts-Liste landen kann.

Pistorius stimmte zu. Die Gülen-Nähe als Verdachtsmoment sei neu. Ziemiak bezog sich auf den Fall von Michelle Müntefering (SPD), die viel für das türkische-deutsche Verhältnis tue und auch auf der Liste stehe. „Der Fall Müntefering zeigt, wie absurd mittlerweile die Politik in der Türkei geworden ist“, so der Jung-Unionist.

Höhepunkt des Abends

Tatsächlich spannend waren die Einblicke, die Ates und Somuncu in die türkische Seele gaben. Die Angst vor Repressalien bei einem Nein zum Referendum seien spürbar, so Ates. Sie werde ob ihrer kritischen Haltung als Türkeihasserin gebrandmarkt, obwohl sie mit der Gülen-Bewegung nichts zu tun habe. Man konnte ihr die Sorgen anmerken, die sie sich um die Zukunft der Türkei macht. Erdogans Taktik gehe auf.

Somuncu versuchte, diese Stimmungen zu hinterfragen. Viele in Deutschland lebende Türken fühlten sich noch fremd, es gebe eine latent spürbare Türkenfeindlichkeit. Zudem habe Europa es verpasst, mit einer demokratischeren Türkei über den EU-Beitritt zu verhandeln. So habe man jetzt das Dilemma, dass gemäßigte Türken als Feinde der Erdogan-Türkei gelten, die Meinungsfreiheit gegeißelt werde. „Die lasse ich mir nicht nehmen“, so der Kabarettist. Chapeau!

Will-Moment

Will war cool, fokussiert und charmant. Die Moderatorin verteilte ihre Gunst gerecht. Weder Pistorius, noch Ziemiak als politische Opponenten mussten sich zu viele kritische Fragen anhören. Vor Ates hatte Will Respekt. Ebenso vor Somuncu. Bei dem wirkte es phasenweise gar so, als habe er die Moderation übernommen. Er redete lang und unterbrach dann gerne die anderen mit dem Hinweis, sie würden zu viel Redezeit beanspruchen.

Dennoch war die Diskussion von Respekt geprägt. Es war auch niemand anwesend, der die eigene Position hätte mit Krakeel verkaufen müssen. Auch kamen die kritischen Töne, etwa zum Thema EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei oder Flüchtlingspakt, nicht von dem Erwarteten, Turan. Das war eher eine Somuncu-Ziemiak-Aufgabe.

Aufreger des Abends

Allerdings sorgte der türkische Journalist für kleine Aufreger. Etwa als er vehement der Gülen-Bewegung die Verantwortung für den Putschversuch im Juli 2016 in die Schuhe schob. Dafür gebe es nicht genügend Beweise, echauffierte sich Pistorius. Auch die anderen in der Runde schüttelten den Kopf.

Das Unverständnis über so viel Naivität gegenüber den vermeintlich harten Fakten sah man Turans Augen an. Er betonte immer wieder, es gebe Beweise für Gülens Terror-Pläne. Nur nennen konnte er keine.

Lauter wurde die Diskussion beim Thema doppelte Staatsbürgerschaft. Ziemiak forderte ein klares Bekenntnis von dem, der den deutschen Pass wolle. Unverständnis erntete er von Ates, die betonte, die doppelte Staatsbürgerschaft sei für viele eine Option.

Sie sei mit ihrem Bild von Deutschland „in den Achtzigern hängengeblieben“, giftete Somuncu. Die doppelte Staatsbürgerschaft sei eine „Einladung zu einer gespaltenen Identität“.

Pistorius schoss gegen Ziemiak. Ihm sei unverständlich, warum die Union auf dem Parteitag beschlossen habe, am Koalitionsbeschluss zu rütteln. Man könne das Rad nicht zurückdrehen und das Staatsbürgerschaftsrecht von politischen Strömungen abhängig machen. Zumal die Kanzlerin den CDU-Beschluss eigentlich nicht teile, kitzelte Will Ziemiak. Der kam ins Schwitzen, hatte er doch vorher seine Partei-Chefin für die klare Linie gegenüber Ankara gelobt.

Was schade war

Am Ende teilte auch diese Will-Ausgabe das Schicksals vieler politischer Talk-Shows: Themen wurden nur angeschnitten. Was der Zuschauer mit ins Bett nahm, blieb seine Sache. Vieles schon oft gehört. Wer alleine aufgrund Somuncus Anwesenheit auch eine kabarettistische Note erwartete, wurde enttäuscht. Dafür war dem das Thema zu ernst.

So musste sich Will am Ende eingestehen, dass ihre Sendung doch nur eine weitere zum deutsch-türkischen Thema war. Mögen die Statements der Teilnehmer auch mehr Tiefe gehabt haben, als anderswo.

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