t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



Menü Icon
t-online - Nachrichten für Deutschland
HomePolitikDeutschland

CDU-Bernd Althusmann hat sich "mehr Rückenwind erhofft"


Vor der Wahl: CDU-Spitzenkandidat im Interview
Althusmann hat sich "mehr Rückenwind erhofft"

Jan Hollitzer, Marc von Lüpke, t-online.de

Aktualisiert am 15.10.2017Lesedauer: 13 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Bernd Althusmann, Landesvorsitzender und Spitzenkandidat der niedersächsischen CDU, will bei den Landstagswahlen am 15. Oktober 2017 die derzeitige Regierung von SPD und Grünen in Hannover beerben.Vergrößern des Bildes
Bernd Althusmann, Landesvorsitzender und Spitzenkandidat der niedersächsischen CDU, will bei den Landstagswahlen am 15. Oktober 2017 die derzeitige Regierung von SPD und Grünen in Hannover beerben. (Quelle: Julian Stratenschulte/dpa-bilder)

AfD und Linkspartei könnten in den den niedersächsischen Landtag einziehen. Der CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann sieht das als Chance. Er kündigt Rechtspopulisten und Linken eine "harte Auseinandersetzung" an. Ein Gespräch über Elke Twesten, Jamaika, Volkswagen, die AfD und Niedersachsens Wölfe.

Ein Interview von Jan Hollitzer und Marc von Lüpke

Als wir in der Parteizentrale der CDU Niedersachsen eintreffen, werden wir mit den Worten empfangen: "Es sieht hier ein bisschen chaotisch aus. Wir hatten einen Wasserschaden." Ob das ein gutes oder schlechtes Omen für die Landtagswahl am 15. Oktober sei? "Ein gutes natürlich. Wir mussten improvisieren. Und Improvisation fördert die Kreativität." Bernd Althusmann braucht tatsächlich noch einen kreativen Schub. Laut der jüngsten Umfrage liegen SPD und CDU mit 34 Prozent gleichauf. Im August lag die CDU mit 40 Prozent noch klar vorn.

t-online.de: Wie lief denn Ihr Wahlkampf bislang: Alles wie geplant oder mussten Sie da ebenfalls viel improvisieren?

Bernd Althusmann: Der Wahlkampf lief insgesamt gut, auch wenn wir plötzlich wegen der vorgezogenen Landtagswahl alles umdisponieren mussten. Sicherlich war es eine Herausforderung, unsere Planung am Ende auf drei Wochen zu konzentrieren. Allein die Organisation von Plakaten und Materialbeschaffung war nicht einfach, weil alles durch die Bundestagswahl bundesweit ausverkauft war. Das war für die Parteien in Niedersachsen eine organisatorische Meisterleistung.

Es gibt eine Person, die diese Beschleunigung des Wahlkampfs verursacht hat: War der Wechsel der grünen Landtagsabgeordneten Elke Twesten zu Ihrer CDU eher ein Glücksfall oder Pech für Sie?

Das war Twestens persönliche Entscheidung, die ich nicht zu bewerten habe. Sie fühlte sich bei den Grünen ausgegrenzt und hat mir sehr glaubhaft versichert, dass sie ihre Entscheidung ausschließlich aus persönlichen und inhaltlichen Gründen gefällt hat. Solche Übertritte von Abgeordneten hat es in der Bundesrepublik auch schon dutzendfach gegeben, jüngst sogar von der AfD zur SPD.

Von Twestens Entscheidungsfindung abgesehen: War es für Sie ein Glücksfall oder nicht?

Rot-Grün ist in Niedersachsen nicht an der Abgeordneten Twesten gescheitert. Rot-Grün ist in den vergangenen viereinhalb Jahren an der eigenen Regierungstätigkeit gescheitert. Sie sind bei den wichtigen Handlungsfeldern dieses Landes nicht vorangekommen: Bildung, innere Sicherheit, Infrastruktur und Landwirtschaft. Dort hat man es entweder versäumt zu entscheiden oder wenig bis gar nichts ernsthaft entschieden.

Was war Ihrer Meinung nach das Problem der rot-grünen Regierung in Niedersachsen?

Beide Parteien haben sich in zahlreichen Fragen gegenseitig blockiert – ob es das Asylpaket, das Sicherheitspaket, die sicheren Maghreb-Staaten oder die Frage des Dieselmotors war. In allen Punkten war Rot-Grün nicht einer Meinung. Das Schlimmste, was jetzt droht, ist, dass die Menschen in Niedersachsen am 16. Oktober aufwachen und plötzlich Rot-Grün-Rot gegenüberstehen. Deshalb werden wir bis zur letzten Minute, am 15. Oktober um 18 Uhr, alles dafür geben, damit es nicht dazu kommt.

Die Umfragen sprechen aber nicht gerade für Sie – die SPD hat mächtig aufgeholt. Jetzt liegen die Sozialdemokraten gleichauf mit Ihrer CDU. Wie wollen Sie das Ruder herumreißen?

Das sind Stimmungen und Augenblicks-Momente. Ich nehme die Umfragen zur Kenntnis, aber sie erschüttern mich in keiner Weise – und lassen mich auch in meinem Kurs nicht abweichen. Wir werden Stimmungen in Stimmen umwandeln müssen. Da bin ich sehr optimistisch, dass die CDU am Ende stärkste Kraft in Niedersachsen sein wird. Insofern sind das Stimmungen – da kann es mal rauf- und mal runtergehen. Das haken wir ab und es geht weiter.

Wir gehen davon aus, dass es bei der Bundestagswahl auch eine Wahlparty bei der CDU in Niedersachsen gegeben hat. Glauben Sie, dass es bei der anstehenden Feier zur niedersächsischen Landtagswahl mehr Grund zur Freude geben wird?

Davon gehe ich aus. Das Ergebnis bei der Bundestagswahl war nicht so, wie wir es erhofft hatten. Natürlich hatte ich mir auch für Niedersachsen mehr Rückenwind erhofft, das ist so in der Form leider nicht eingetreten. Zwar bleibt die CDU meiner Ansicht nach die einzige Volkspartei in Deutschland – mit 33 Prozent liegt sie weiter deutlich als stärkste Partei vor allen anderen. Aber der rechte und linke Rand sowie die FDP, an die wir die meisten Stimmen verloren haben, haben von den letzten drei Wochen nach dem Kanzlerduell profitiert. Möglicherweise stand für viel zu viele Menschen im Land bereits fest, dass "Mutti", die Kanzlerin, es schon macht. Diese Siegeszuversicht hat möglicherweise dafür gesorgt, dass es eine Denkzettel-Wahl wurde.

Wie bewerten Sie es, dass das politische Berlin in einem Stillstand verharrt und auf Niedersachen schaut?

Ich habe sehr empfohlen, Niedersachsen im Blick zu haben. Aber es darf nicht zu einem Stillstand der Rechtspflege kommen oder womöglich zu einem Vakuum oder einer "Niedersachsenbremse", wie es jetzt auch genannt wird. Ich möchte, dass sich die CDU auf Bundesebene an die Spitze der Sondierungsverhandlung setzt. Das wird nach den Sammlungsprozessen auf Seiten der CDU und CSU – wir sind zwei Parteien in einem Unionsbündnis – nicht einfach sein. Die Grünen haben wiederum gleich zwei Parteien in einer Partei, da mag es etwas einfacher gehen: Mit Herrn Trittin als linken Vertreter, Herrn Kretschmann wiederum als Realo-Vertreter auf der rechten Seite – wenn man es so sagen darf. In dieser Situation muss die Union Führung und Führungsstärke zeigen.

Sie haben die mögliche Jamaika-Koalition schon angesprochen. Wäre eine solche Regierungskoalition auf Bundesebene für Sie eher eine Chance oder ein Risiko?

Ich glaube, dass Jamaika nach den Jahren der Großen Koalition so etwas wie neuen, frischen Wind für Deutschland bedeuten könnte. Erst recht nach dem letzten Wählervotum und der Abstrafung der SPD. Allerdings muss es zu einem stabilen Regierungsbündnis reichen. Kein Mensch kann vorhersehen, ob es am Ende wirklich dazu kommt. Vielleicht ist Jamaika für die Menschen in Deutschland sogar ein bisschen sexy, um mal mit dem ehemaligen Bürgermeister von Berlin zu sprechen. Ich glaube, viele Menschen erwarten, dass es irgendwie klappt und eine stabile Regierungspolitik jenseits einer Großen Koalition dabei rauskommt.

Wir haben jetzt über Jamaika auf Bundesebene gesprochen. Was halten Sie von Jamaika in Niedersachsen?

Loading...
Loading...
Loading...

Wir werden mit allen demokratischen Parteien unmittelbar nach der Wahl Gespräche aufnehmen: Sofern wir einen Regierungsauftrag erhalten. Und dazu zähle ich auch die Grünen. Ich wünschte mir jedoch, dass wir bei dieser Partei mehr Stefan Wenzels hätten, mehr Gabriele Heinen-Kljajic‘. Also sehr vernunftorientierte, realorientierte Grüne in Niedersachsen, die vielleicht etwas von Robert Habeck aus Schleswig-Holstein oder Herrn Kretschmann in Baden-Württemberg hätten. Dann wäre manches sicherlich viel einfacher. Nach wie vor habe ich aber gute Kontakte auch zu Grünen-Vertretern. Aber letztendlich weiß ich auch um die Sorge im ländlichen Raum, dass es mit einem Landwirtschaftsminister Christian Meyer, der in den vergangenen Jahren stark polarisiert hat, keine Fortsetzung dieser Landschaftspolitik geben darf. Deshalb ist die CDU mit der klaren Forderung in den Wahlkampf gegangen, das Landwirtschaftsministerium in eigene Hände zurückzuholen.

Wären Sie hingegen bereit, eine Große Koalition zu bilden?

Das wäre ein wenig wie der Blick in die Kristallkugel, da ich nicht weiß, wie der Wähler am Ende entscheiden wird.

Das beantwortet nicht die Frage: Würden Sie eine Koalition mit den Sozialdemokraten bilden?

Alle Parteien müssen miteinander gesprächsfähig bleiben – auch CDU und SPD. Ich habe auch gute Kontakte zu SPD-Vertretern: Zu Olaf Lies, dem Wirtschaftsminister, zum Innenminister Boris Pistorius. Ich habe da keine Berührungsängste. Letztendlich bleibt abzuwarten, was möglich sein wird. Eine echte Koalitionsmöglichkeit ergibt sich erst am Abend nach der Wahl.

Wäre Ihnen ein Zweier- oder ein Dreier-Bündnis lieber?

Ein Zweier-Bündnis ist natürlich immer einfacher als drei Parteien. Letztendlich bleibt das dem Wählervotum überlassen. Ich sage, die stabilste bleibt eine CDU-geführte Regierung, die ein drohendes linkes Bündnis verhindert. Die Linken drohen ins Parlament zu kommen, das halte ich für Niedersachsen für wenig zukunftsfähig. Ich habe sie bereits einmal in der Opposition erlebt, und SPD und Grüne biedern sich bei den Linken an.

Sie sagten aber, dass Sie mit allen demokratischen Parteien gesprächsbereit wären.

Nicht mit den Linken und nicht mit den Rechten. Im Gegensatz zu Stephan Weil, der sich nicht abgrenzt, haben wir sowohl nach links als auch rechts klargestellt, dass es in dieser Hinsicht keine Koalition geben wird.

Nehmen wir an, dass die AfD in das niedersächsische Parlament einzieht. Wie würde Ihr Umgang mit den Rechtspopulisten als Ministerpräsident sein?

Dann können wir die AfD endlich stellen. Zum ersten Mal muss die AfD dann Antworten liefern und nicht nur Parolen verbreiten. Darin liegt unsere Chance. In der parlamentarischen Debatte werden wir mit Linken und Rechten, sollten Sie ins Parlament einziehen, eine harte Auseinandersetzung über die Zukunftsfähigkeit des Landes führen.

Die Wahlkampfhilfe von Angela Merkel: Schadet sie eher oder hilft sie?

Angela Merkel ist die führende und anerkannteste Politikerin der Bundesrepublik Deutschland und Europas, vielleicht sogar der ganzen Welt. Sie genießt überall hohes Ansehen. Viele Menschen vertrauen ihr, insofern ist sie für uns immer ein Pfund, mit dem wir auch in Niedersachsen gerne werben.

Kommen wir zu einem anderen Thema: Was glauben Sie, ist bei der VW-Krise falsch gelaufen?

Ich glaube, in einer derartig existentiellen Krise muss ein Ministerpräsident die nötige Kontrollinstanz sein. Zudem muss er vom Konzernvorstand ernst genommen werden: Er darf nicht von der Diesel-Affäre, dem Kartellrechtsverfahren oder vom gesamten Konzernumbau aus der Zeitung erfahren. Ich würde mich nicht ernst genommen fühlen. Mir geht es sehr darum, dass wir Verantwortliche für die Affären zur Rechenschaft ziehen. Das ist vor allem auch im Sinne der Mitarbeiter bei VW, denn die können ja schließlich nichts dafür. Sie haben die Nase voll bei VW, dass dieser Konzern ständig in den Schlagzeilen ist. Die Belegschaft möchte sich auf ihr Produkt konzentrieren.

Welche Botschaft haben Sie für die Mitarbeiter von Volkswagen?

VW braucht endlich den vielbeschworenen Kulturwandel. Der Konzern muss sich auf die Produkte konzentrieren. Vor allem müssen wir VW weiterhin zum weltgrößten Automobilhersteller so zukunftsfähig aufstellen, dass die besten Automotoren der Zukunft bei uns in Niedersachsen entstehen. Und dass natürlich eine ernsthafte Kontrollfunktion eines Aufsichtsrates stattfindet, in der man nicht Handlanger des Konzernvorstands ist.

Ist durch die Krise für Sie die Beteiligung des Landes an VW in Frage gestellt?

Nein. Wir als CDU werden an VW festhalten. Ich halte diese Landesbeteiligung für besonders bedeutsam, immerhin ist VW ist der größte Arbeitgeber in diesem Bundesland.

Gibt es da aber nicht einen Interessenskonflikt? Politische und wirtschaftliche Interessen stehen sich gegenüber.

Ein Ministerpräsident befindet sich immer im Dilemma: Als Aufsichtsrat ist er dem Wohl des Unternehmens verpflichtet. Auf der anderen Seite hat er einen Amtseid geschworen auf das Wohl des Landes Niedersachen. Das ist zu 20 Prozent an diesem Unternehmen beteiligt und verfügt deswegen über zwei Sitze im Aufsichtsrat. Diesen Zwiespalt kann man nur lösen, indem man diese Beteiligung besser und auch professioneller managt. Unter anderem, indem man sich auch externen Sachverstand heranzieht. Ich möchte, dass ein externer Experte aus der Wirtschaft einen der beiden Sitze des Landes Niedersachsen zukünftig einnehmen wird. So können Fehler in der Kontrollfunktion des Aufsichtsrates bis hin zu Verstößen gegen die sogenannte Compliance vermieden werden.

Am Beispiel des Berliner Flughafens BER kann man erkennen, dass Politiker nicht unbedingt am besten dafür geeignet sind, ein Unternehmen anzuleiten. Sie haben andere Kompetenzen als Leute aus der freien Wirtschaft.

Der Aufsichtsrat eines Unternehmens muss dem Konzernvorstand auf die Finger schauen. Ich denke, die Mitarbeiter bei VW – vor allem aber die Niedersachsen erwarten – dass ihr Ministerpräsident auch im VW-Aufsichtsrat sitzt, um dort Gewähr zu leisten, dass die VW-Standorte niemals zur Disposition stehen werden. Und dass wir uns um Arbeitsplatz-Aufbau statt -Abbau in den nächsten Jahren kümmern können. Auch gerade die Digitalisierung und neue zukunftsträchtige Motoren bieten viele Chancen für neue Arbeitsplätze. Insofern meine ich, dass ein Ministerpräsident als Vertreter des Landes im Aufsichtsrat klar Flagge zeigen muss.

Meinen Sie, dass Sie diese Funktion zeitlich neben ihrer sonstigen Arbeitsbelastung überhaupt schaffen würden? Herr Weil ist ja Ihrer Meinung nach daran gescheitert.

Ja, das geht, wenn man sich professionelle Unterstützung von außen holt. Das kann man aus meiner Sicht mit Bordmittel einer Staatskanzlei allein nicht schaffen. Vielmehr bedarf es sowohl im Aufsichtsrat von VW als auch in der niedersächsischen Staatskanzlei einer oder mehrere Personen, die sich ausschließlich um die Betreuung dieser Landesbeteiligung kümmern. VW ist ja immerhin ein Weltkonzern. Ich erinnere mich noch an Zeiten des ehemaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff, in denen die Staatskanzlei in Bezug auf VW wirklich professionell aufgestellt war. Immerhin hat er damals die Porsche-Übernahmeschlacht gewonnen.

Apropos Christian Wulff. Durch ihn war kürzlich die Ehrensold-Debatte für ehemalige Bundespräsidenten wieder ein Thema geworden. Denken Sie, dass diese Bezüge gekürzt werden sollten, wenn ein ehemaliges Staatsoberhaupt anderweitige Bezüge erhält?

Ehrlich gesagt: Diese Frage stellt sich mir in diesem Wahlkampf nicht.

Aber für viele Wähler ist es doch ein Thema. Und Sie haben bestimmt eine persönliche Meinung dazu? Immerhin sind die politischen Verbindungen in Hannover und Niedersachsen sicher sehr eng.

Für mich ist Christian Wulff nach wie vor ein hochangesehener, ehemaliger Bundespräsident, der seinen Platz in Niedersachsen hat. In die Ehrensold-Debatte möchte ich mich nicht einmischen.

Zurück zu Volkswagen. Sie haben sich bereits klar gegen ein Dieselfahrverbot ausgesprochen. Zudem soll VW mit der Entwicklung moderner Antriebe wachsen. Auch mit dem Diesel?

Ja. Ich denke an einen Antriebsmix auf Basis eines leistungsgesteigerten Diesels. Die gerade in Deutschland stattfindende Diesel-Debatte finde ich zum Teil völlig überzogen. Feinstaub ist eine weitaus größere, mindestens gleichwertige Gefahr für die Gesundheit. Gerne kann man von mir aus alle Städte, in denen ÖPV, Busse, Bahnen und Taxen fahren, auf Elektromobilität umstellen. Ich glaube aber, dass wir auch andere Antriebstechnologien brauchen – den Gasantrieb beispielsweise. Ich glaube auch, dass wir bald ganz neue Formen von Elektrobatterien entwickeln werden. Niedersachsen muss das erste Bundesland in Deutschland sein, das diese zukünftigen Antriebstechnologien entwickelt. Aber den Diesel nun grundsätzlich zu verteufeln, nach all den Jahren, in denen er angeblich der Klimaschützer gewesen sein soll und den Menschen zu sagen, sie sollen nicht mehr Diesel fahren, halte ich viel zu kurzgesprochen.

Letztendlich ist es aber so, dass VW und andere Hersteller ihre Kunden massiv hinters Licht geführt haben.

Genau deswegen müssen wir die Verantwortlichen auch im Aufsichtsrat zur Rechenschaft ziehen. Denn das versteht der Normalverbraucher, der einen Diesel fährt, nicht: Dass man die Verantwortlichen für diese Affäre in den letzten Jahren durch entsprechende Bonuszahlungen oder hochdotierte Abfindungen quasi noch belohnt, das versteht auch der normale Bürger auf der Straße nicht und findet das zu Recht empörend.

Wie ist Ihr Verhältnis zum Wolf? Sie wollen die Tiere zum Abschuss freigeben?

Der Wolf ist ein Raubtier, kein Kuscheltier. In Niedersachsen gibt es mittlerweile mehr als 144 Wölfe. Damit ist er in ausreichend nachhaltiger Zahl vorhanden. Er soll natürlich unter strengem Schutz bleiben, dennoch müssen wir ihn ins Jagdrecht überführen. Die derzeitige Landesregierung hat bei dieser Thematik viereinhalb Jahre verstreichen lassen und wollte mit Flatterbändern und höheren Zäunen die Wölfe abschrecken. Davon lässt sich ein Wolf, wenn er ein Nutztier reißen will, nicht aufhalten. Deshalb muss eine Bejagung in einem solchen Fall möglich sein. Wir wollen ihn natürlich nicht ausrotten, aber wir wollen die Gefahren eindämmen. Wir als CDU fordern das seit Jahren – und nun macht sich die Landesregierung dieses Anliegen auf den letzten Wahlkampfmetern zu eigen? Ich halte das für völlig unglaubwürdig. Wie sollte das den mit diesen Grünen gehen? Gar nicht!

War es denn überhaupt richtig, den Wolf zurückkommen zu lassen?

Das konnten wir uns nicht aussuchen. Die Wölfe haben sich aus Ost-Europa zu uns auf den Weg gemacht. Aber in allen anderen Ländern, in denen der Wolf ebenfalls vorkommt, ist der Abschuss von Problem-Wölfen völlig normal.

Sie waren für die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung einige Jahre in Afrika. Wie hat Sie diese Zeit beeinflusst?

Ich habe für meine Familie und für mich viele neue Erfahrungen und Eindrücke gewonnen. Vielleicht ist es für einen potentiellen Ministerpräsidenten eine Stärke, über den Tellerrand Niedersachsens hinausgeblickt zu haben. Vielleicht hat es mir auch eine ausreichende Kompetenz vermittelt, etwas zu Flüchtlingsfragen sagen zu können. Was die Ursachen dafür sind und wie man auf Flüchtlingswellen zu reagieren hat. Namibia und Angola waren damals meine Schwerpunktländer. Das hat mir die Augen geöffnet: Auch für die sozialen Fragen in unserer Gesellschaft. Diese sind bei weitem nicht vergleichbar mit denen in Afrika. Aber die Themen Pflege und ältere Menschen sind seitdem genau wie Obdachlosigkeit Komplexe, die mich sehr bewegen.

Sehen Sie seit Ihrer Rückkehr die Dinge mit anderen Augen?

Die Zeit in Afrika hat mich sehr stark geerdet. Nach vielen leidenschaftlichen Debatten im Parlament als Minister, Staatsekretär, Abgeordneter sehe ich manche Punkte nun etwas gelassener. Manchem ideologischen Kampf der Vergangenheit würde ich so in der Form nicht mehr führen. Ich wünschte mir ebenfalls, dass die Parteien hierzulande respektvoller miteinander umgehen würden. Diese Erfahrung in mehreren südlichen Ländern Afrikas ist eine kleine Wende in meinem Leben gewesen.

Wie stehen Sie einer Obergrenze für Flüchtlinge gegenüber? Und welche Strategien würden Sie anwenden, um Integration zu ermöglichen?

Ich bin sehr dafür, dass man sich auf die Ursachen der Flucht in den Ursprungsländern der Flüchtlingsbewegungen konzentrieren sollte: fehlende Energiesicherheit, fehlende Wassersicherheit, fehlende Ernährungssicherheit. Die Komplexe Terror, Gewalt und Krieg haben in erster Linie mit diesen drei Punkten zu tun. Von daher plädiere ich für eine Abkehr von einer nationalen Entwicklungshilfepolitik. Ich halte es für zwingend notwendig, dass wir die Entwicklungspolitik auf europäischer Ebene bündeln und koordinieren. Dass wir ebenso dafür sorgen, dass die Menschen im Norden Afrikas in Aufnahmezentren registriert werden. Diese Menschen müssen bereits dort Klarheit bekommen, ob sie überhaupt die Möglichkeit haben, in Deutschland bleiben zu können.

Wie ist die Situation für Flüchtlinge in Niedersachsen?

Allein hier haben wir in etwa 20.000 Menschen, die ausreisepflichtig sind. Im letzten Jahr wurden 1.400 Abschiebung, die eigentlich hätten stattfinden müssen, in letzter Minute abgebrochen. Ich glaube das Problem in Deutschland ist nicht so sehr, dass die Bürger nicht ihre Türen für Menschen öffnen würden, die vor einem Krieg fliehen. Ich glaube, das Problem sind die entstehenden und bereits entstandenen Parallelgesellschaften. Allen Menschen, die nach Deutschland kommen, muss klar sein, dass sie sich an unsere Grundregeln halten müssen: die Achtung der Menschenwürde, Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Pressefreiheit. Eben die Regeln, nach denen wir hier zusammenleben. Genau das musste ich auch in Afrika tun: Wenn ich mich in Angola nicht an die dortigen Regeln gehalten hätte, wäre ich sofort rausgeflogen.

Glauben Sie an erfolgreiche Integration?

Ich glaube, es kann gelingen. Ich möchte, dass wir Integration als Chance verstehen: Und zwar, in dem wir die Integration so gestalten, dass jedem Ankömmling klar ist, dass er für die Bleibeperspektive in Deutschland etwas tun muss.

Was meinen Sie damit?

Wichtig ist es, Möglichkeiten zu bieten, dass sich die Menschen hier qualifizieren können. Nehmen wir allein den Bereich der Pflege: Wir werden in den nächsten Jahren allein in Niedersachsen 25.000 Pflegekräfte benötigen. Wo sollen die denn herkommen? Wir werden in den nächsten Jahren somit gezielt Einwanderung benötigen. Wir müssen nur den Mut dazu aufbringen, klar zu definieren, wer kommen kann und wer nicht kommen kann.

Plädieren Sie wie die FDP für ein Einwanderungsgesetz?

Wir brauchen eine ehrliche Diskussion über Einwanderung. Eine Diskussion, die wir auch in der CDU führen werden. Das Asylrecht ist eben kein Einwanderungsrecht. Beides muss man voneinander trennen und ich glaube, dass darin die Verunsicherung der Wähler mit Blick auf die zurückliegende Bundestagswahl lag. Es ist nicht ausreichend gelungen klarzumachen, dass Menschen, die hierbleiben dürfen, auch eine Qualifizierungspflicht haben. Ebenso muss es selbstverständlich sein, dass ein nicht unerheblicher Teil der Flüchtlinge zurück in die Heimat muss wenn es dort wieder sicher ist, um beim Wiederaufbau zu helfen.

Herr Althusmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website