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Lamya Kaddor zur Leitkultur: Was ist deutsch?


Debatte um Leitkultur
Was ist deutsch?

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

Aktualisiert am 23.03.2018Lesedauer: 3 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
"Was ist deutsch?": Demokratie und Meinungsfreiheit sind unzweifelhaft Bestandteile, findet t-online.de-Kolumnistin Lamya Kaddor.Vergrößern des Bildes
"Was ist deutsch?": Demokratie und Meinungsfreiheit sind unzweifelhaft Bestandteile, findet t-online.de-Kolumnistin Lamya Kaddor. (Quelle: Jens Kalaene/dpa)

Den Begriff der Leitkultur mag die neue Integrationsbeauftragte der Bundesregierung nicht. Er führe nicht weiter, so die CDU-Politikerin Annette Widmann-Mauz. Was nun?

Schwierig ist der Begriff der Leitkultur allemal. Weder Bier vermag ihm Ausdruck zu verleihen – oder gehören Riesling und Spätburgunder nicht zur deutschen Leitkultur? Noch das Christentum ist ausreichend, mehr als ein Drittel der Deutschen ist schließlich konfessionslos. Tendenz: fallend.

Abstammung? Ebenfalls schwierig. Deutsch ist der, der deutsche Eltern hat? Das ist zunehmend unrealistisch geworden. Was, wenn im Stammbaum Hugenotten waren, Sinti, Roma, Ruhrpolen, Italiener? Sind diese Menschen dann noch deutsch? Auch alte Heimatvorstellungen taugen nicht allein zur Leitkultur, denn "Heimat" lässt sich längst nicht mehr für jeden Menschen mit der Nationalität koppeln. "Heimat" ist zwar für viele ein räumlicher Begriff, aber zugleich mit einem Gefühl von Geborgenheit, Vertrautheit und Sicherheit verbunden: Wenn ich in der Heimat bin, weiß ich, wie ich mich zu verhalten habe. Ich kenne mich aus.

Mehr Deutsche mit Migrationshintergrund

Wenn Bier, Christentum, Abstammung, Heimat als Garanten deutscher Leitkultur nur teilweise taugen, was dann? Die Gesellschaften werden noch bunter. So viel steht fest. Dagegen können selbst Rechtspopulisten nichts ausrichten. Jeder Einzelne von uns muss sich also damit befassen, dass es in Zukunft noch mehr Deutsche mit Migrationshintergrund geben wird, die hier zum Teil in dritter, vierter Generation geboren und sozialisiert wurden, sich genauso wenig als Gäste verstehen wie andere Deutsche und die gleichen Rechte und Pflichten für sich in Anspruch nehmen.

Wie kann die Gesellschaft damit umgehen? Ich würde gerne folgende Vorschläge zur Diskussion stellen: Zuerst sollten wir Verfassungspatrioten sein, die ihre Identität aus demokratischen Werten ableiten: Menschen- und Bürgerrechte wie Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit und so weiter. All das ist deutsch. Der Einsatz dafür schweißt uns zusammen.

Und es ist eine Selbstverständlichkeit, dass sich Menschen, die neu zu uns kommen, an diese Regeln zu halten haben. Wer dagegen verstößt, wird entsprechend gesetzlicher Bestimmungen sanktioniert – und landet am Ende im Gefängnis oder wird abgeschoben.

Man muss die Sprache verstehen können

Das Beherrschen der deutschen Sprache gehört natürlich auch zum Deutschsein dazu. Ebenso sollte uns die Kenntnis deutscher Geschichte und Politik ausmachen. Denn wer in einer Gesellschaft lebt, muss sie verstehen können, um zu partizipieren.

Zum Deutschsein gehört sicher auch eine gewisse Kenntnis der großen Persönlichkeiten, die dieses Land in der Vergangenheit hervorgebracht hat: Bach, Kant, Goethe, Beethoven, Kleist, Heine, um nur einige wenige zu nennen. Man muss weder deren Biografie kennen, noch deren Schriften, Gedichte oder Kompositionen zitieren und benennen können. Worum es mir geht, ist eher eine emotionale Verbindung, ein Gefühl zu diesen bedeutenden, Deutschland prägenden Persönlichkeiten zu haben.

Man muss aber nicht immer den großen politischen oder philosophischen Bogen spannen. Deutschsein findet vor allem im Kleinen statt. Für mich kommt zum Beispiel die Verantwortung für die gemeinsame Umwelt hinzu. Die Straßen, in denen wir leben, die Wälder und Parks, durch die wir spazieren gehen – darauf müssen wir zusammen achten.

Nicht nur für den Verstand, sondern auch fürs Herz

Auch das gemeinsame Einstehen etwa für eine deutsche Nationalmannschaft gehört für mich zum Deutschsein dazu. Ein Land braucht etwas, hinter das es sich gemeinsam stellen kann. Etwas, das greifbarer, spürbarer ist als das Grundgesetz und die gemeinsame Freiheit. Auch eine einzelne Persönlichkeit, die für eine Leistung von allen geschätzt wird, kann dies verkörpern. Zum Deutschsein gehört nicht nur etwas für den Verstand, sondern auch etwas fürs Herz. Wir müssen gemeinsam nach Dingen suchen, die unsere Gefühle ansprechen, ganz egal, woher wir kommen. Das schafft Identität. Das ist der Kitt fürs Deutschsein.

Gemeinsame Feste können so einen Zusammenhalt befördern. Nehmen wir das Weihnachtsfest. Natürlich ist es ein christliches Fest. Aber auch Atheisten haben einen Christbaum im Haus und lassen abends für ihre Kinder das Christkind mit seinen Geschenken kommen. Weihnachten ist ein Fest für die ganze Welt: Es wird von vielen Menschen religions- und kulturübergreifend begangen. Christen können sich sagen: Wir haben der Welt dieses Fest geschenkt, alle anderen können sagen: Wir feiern auf unsere Art mit.

Bei den Kleinen beginnen

Um solche neuen deutschen Identitätsmerkmale umzusetzen und sich aneignen zu können, muss die Politik den Boden bereiten: Das beginnt in den Kitas. Wir müssen im Vorschulalter Demokratieverständnis und die daraus abgeleiteten Werte vermitteln. Einigen Mitbürgern sind die demokratischen Spielregeln längst abhanden gekommen. Für sie ist Demokratie immer nur dann gut, wenn sie die eigene Haltung stützt. Aber Rechtsstaat bedeutet nun einmal nicht, dass jeder immer Recht hat.

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