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Oskar Lafontaine verrät in neuer Biographie: "Ich wollte Schröder stürzen"


In neuer Biographie
Lafontaine verrät: "Ich wollte Schröder stürzen"

Aktualisiert am 24.09.2015Lesedauer: 5 Min.
Gerhard Schröder (re.) im August 1998 als Kanzlerkandidat zusammen mit dem damaligen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine.Vergrößern des BildesGerhard Schröder (re.) im August 1998 als Kanzlerkandidat zusammen mit dem damaligen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine. (Quelle: dpa-bilder)
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Zehn Jahre ist es her, dass Gerhard Schröder nach der Bundestagswahl 2005 in der Elefantenrunde die "Basta-Bombe" losließ und den Sieg von Angela Merkel (CDU) infrage stellte. An diesem Dienstag legt der Historiker Gregor Schöllgen eine Biografie vor, die viele neue Details über den Altkanzler offenbart. In "Gerhard Schröder: Die Biographie" kommt auch Oskar Lafontaine zu Wort - und räumt ein, dass er sich seinerzeit an Schröder rächen wollte.

Offen gibt Lafontaine in dem Buch zu, was ihn seit seinem Rücktritt als SPD-Chef und Finanzminister im März 1999 antrieb - Rache. "Ich wollte Schröder stürzen", so der wohl schärfste Gegner der "Agenda 2010". Erst nach der Wahl von 2005, bei der die PDS überraschend gut abschnitt und Schröder die Macht verlor, sei die Rivalität von ihm abgefallen: "Jetzt war ich innerlich frei."

Merkel und Schröder bei Präsentation dabei

Rund 1000 Seiten stark ist die Biografie. Präsentiert wird sie am Dienstag in Berlin von niemandem Geringeren als Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ein echter Presse-Coup: Bei dem Termin soll auch Schröder selbst dabei sein. Und womöglich legt er bei dieser Gelegenheit noch einmal sein berühmtes Wolfslächeln aus der Elefantenrunde auf.

In dem Werk ist Schröders "testosterone Explosion" (O-Ton Schöllgen) in der TV-Sendung aber nur eines von vielen Kapiteln. So befasst sich das Werk auch mit seiner Kumpanei mit Wladimir Putin, seinem überraschenden Wechsel vom Kanzleramt an die Spitze der Ostsee-Gas-Pipeline Nord Stream und seiner Absage an die US-Kriegspläne gegen den Irak, die Schöllgen als "Missverständnis" entlarvt.

Ein Überblick über die brisantesten Themen der Biographie:

  • Die Elefantenrunde: Schröders krawalliger Auftritt am Abend der Bundestagswahl 2005 hat längst einen festen Platz in der Politik- und TV-Historie. Offen stellte der SPD-Boss nach seinem fulminanten Endspurt den Sieg von Angela Merkel infrage, die ziemlich verdattert auf Schröders rüpelhaften "Basta"-Einwurf reagierte. Hatte der Genosse einen sitzen? Alkohol habe keine Rolle gespielt, dafür verbürgen sich in dem Buch Schröders Vertraute, die den Wahlabend mit ihm verbrachten.

    In jenem Moment habe sich einfach nur der Frust über die gegen ihn geführte Kampagne - wie Schröder es sah - aus Medien, Teilen der SPD, WASG, PDS und Gewerkschaften Bahn gebrochen. Hätte er einen kühlen Kopf bewahrt, wäre vielleicht eine geteilte dritte Kanzlerschaft mit Merkel drin gewesen.

    Doch bei Schröder kam der alte "Bürgerschreck" durch, die Attitüde "Ihr könnt mich alle mal". Ihr SPD-Widersacher habe eben eine "bourgeoise Attitüde", aber keinen "klassischen bürgerlichen Kern", wie Merkel im Gespräch mit dem Biografen sagte. Respekt habe sie vor Schröder immer gehabt. Der sei einer der "besten Wahlkämpfer, die Europa gesehen hat".
  • Die Agenda 2010 und die SPD: Neben dem Heraushalten Deutschlands aus dem Irak-Krieg ist das gewaltige Reformwerk Agenda 2010 eines von Schröders Vermächtnissen. In den wichtigen Momenten aber versäumte er es, seine Partei mitzunehmen, die SPD-Seele zu streicheln.

    Hinsichtlich Schröders Aufgabe des Parteivorsitzes (den Franz Müntefering übernahm) am 6. Februar 2004 stellt sich die Frage, ob dies schon der Anfang seines politischen Endes war. Aus Sicht seiner Nachfolgerin, die diesen Schritt für "blanken Irrsinn" hält, könnte da etwas dran sein. "Niemals sollte es eine Trennung von Kanzlerschaft und Parteivorsitz geben", sagte Merkel. Wer den Vorsitz abgibt, "verliert die Demut vor der Partei".
  • Neuwahlen von 2005: Als die SPD bei der Landtagswahl 2005 in Nordrhein-Westfalen die Regierungsführung verlor, sah Schröder die Grundlage für seine Politik in Frage gestellt und beantragte die Auflösung des Bundestags. "Hier beginnt das, was als große Leistung in die Geschichtsbücher eingehen wird: In der Erkenntnis, dass ihn dieser Einsatz das Amt kosten kann, geht der Mann aufs Ganze, davon überzeugt, dass es für das Land, dem er dient, keine Alternative geben kann", schreibt Schöllgen.

    "Franz, was ist? Schaffen wir das?", zitiert Schöllgen den Altkanzler aus Archiveinträgen. Die Antwort des Sauerländers: "Ich bin nicht sicher." Bis Bundespräsident Horst Köhler nach acht Wochen zäher Prüfung einwilligte, habe Schröder wie ein Hund gelitten. Ein Gefangener seiner Entscheidung sei er gewesen. Erstmals habe der Kanzler ein Schlafmittel genommen, weil er nächtelang keine Ruhe fand. Die vorgezogene Bundestagswahl verlor er.
  • Putin, Schröder und das liebe Geld: Neben dem Rauchen teurer Zigarren und Fotoshootings im teuren Mantel hängt Schröder, dem "Genossen der Bosse", das Wort vom "lupenreinen Demokraten" ewig nach. Gemeint ist Putin. Gesagt hat es Schröder gar nicht, sondern nur die so lautende Frage von ARD-Talker Reinhold Beckmann bejaht. An der Antwort von damals sei nichts zu beanstanden, findet Biograf Schöllgen. Der Kanzler hätte vor laufender Kamera den Kreml-Chef kaum brüskieren können.

    Einen Aufschrei gab es, als Schröder zwei Wochen nach dem Auszug aus dem Kanzleramt an die Spitze des Nord-Stream-Aufsichtsrates wechselte, wo die russische Gazprom das Sagen hat. Zu Unrecht, findet Schöllgen. Das sei niemals ein Dankeschön für politisches Goodwill des Kanzlers gewesen. Schröder sei anfangs gar kein Verfechter der Pipeline gewesen, habe sogar von den Finnen überzeugt werden müssen. Wie viel Schröder seitdem für den Job kassiert hat, bleibt allerdings offen.
  • Der unbekannte Vater: Über Schröders Vater Fritz (Jahrgang 1912) ist wenig bekannt. Mit 21 wurde der Hilfsarbeiter wegen schweren Diebstahls zum ersten Mal verurteilt. Fünf Jahre später stand er wieder vor dem Kadi: Mit einem Maler stieg er bei einem Fleischer ein, klaute ein paar Kleider. Die Quittung: Das Landgericht Magdeburg brummte ihm neun Monate Haft auf. Die Polizeifotos von 1938 zeigen viel Ähnlichkeit mit dem Sohn, der einmal Kanzler wird: "Augen blau, Haare dunkelbraun, Nase gradlinig", zitiert der Biograf aus dem Protokoll.

    Im Frühjahr 2001 sah der Kanzler zum ersten Mal ein Foto seines Vaters als Soldat der Wehrmacht - es stand seitdem auf seinem Schreibtisch im Kanzleramt. Fritz Schröder fiel am 4. Oktober 1944 an der rumänischen Front. 40 Jahre später schaute Schröder erstmals auf das Grab seines Vaters.
  • Die schwere Kindheit: Zwei Jahre nach dem Tod seines Vaters heiratet Schröders Mutter Erika den zweiten Mann ihrer Schwiegermutter Klara: "Eine abenteuerliche Konstellation, in die Gerhard Schröder da hineinwächst", so Schöllgen. Die Mutter ging 14 bis 16 Stunden am Tag Putzen, war trotz aller Härten für die Kinder aber immer die liebevolle "Löwin". Erika Vosseler starb am 6. November 2012 mit 99 Jahren.
  • Schröder und die Frauen: Viermal hat Schröder Ja gesagt, dreimal ging es schief. Die dritte Frau an seiner Seite wurde 1984 Hiltrud - "Hillu" - Hampel. Über Jahre hinweg waren die beiden das Traumpaar auf den TV-Sofas. Schließlich schmiss sie ihn ihn raus, weil er eine Andere hatte. "Der Preis, den Gerhard Schröder dafür zu zahlen hat, ist hoch", stellt Schöllgen fest.

    Die Scheidung wurde richtig teuer: "Weitgehend abgetragen wird der Berg erst mit Einnahmen, die Schröder nach seinem Auszug aus dem Verkauf seiner Memoiren erzielt." Wie erst 2014 bekannt wurde, zahlte der Hannoveraner Unternehmer und Ex-AWD-Chef Carsten Maschmeyer für die Rechte zwei Millionen Euro.

    Schröder heiratet die Andere. Doris Köpf, eine Journalistin, wurde seine vierte Frau. Sie wurde enge Beraterin und spielte auch bei der Agenda-2010-Schöpfung eine wichtige Rolle. Im März dieses Jahr wurde in Großbuchstaben das Ehe-Aus verkündet - doch die beiden rauften sich noch einmal zusammen. "Es war vom Start weg eine große Liebe, keine zweite Partnerin hat auf die beruflichen Entscheidungen so eingewirkt wie sie", weiß der Biograph zu berichten.


Gerhard Schröder: Die Biographie,
Deutsche Verlags-Anstalt, 1040 Seiten,
ISBN: 978-3-421-04653-6, Preis: 34,99 Euro

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