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Asylsuchende protestieren | Hungerstreik in bayerischer Flüchtlingsunterkunft


Hungerstreik in bayerischer Flüchtlingsunterkunft

Lukas Latz

19.12.2017Lesedauer: 3 Min.
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Flüchtlinge, die im niederbayerischen Deggendorf untergebracht sind, wollen ihre Perspektivlosigkeit nicht akzeptieren. (Quelle: picture alliance/ dpVergrößern des Bildes
Flüchtlinge, die im niederbayerischen Deggendorf untergebracht sind, wollen ihre Perspektivlosigkeit nicht akzeptieren. (Quelle: picture alliance/ dp (Quelle: dpa-bilder)

Asylsuchende aus Sierra Leone greifen zu drastischen Mittel an, um auf ihre Perspektivlosigkeit aufmerksam zu machen. Die Kirche und die Hilfsorganisation Pro Asyl kritisieren, wie der Freistaat Bayern Asylsuchende unterbringt.

Etwa 145 Flüchtlinge aus dem Asylbewerberheim im niederbayerischen Deggendorf befinden sich seit Samstag im Hungerstreik. Sie protestieren für ein Bleiberecht und gegen die schlechten Bedingungen ihrer Unterbringung. Die protestierenden Asylsuchenden kommen aus Sierra Leone.

Angst und Verzweiflung unter den Asylsuchenden

„Unter den Menschen sind einige, die es sehr ernst meinen“, erklärt Gottfried Rösch, evangelischer Pfarrer in der 32.000-Einwohnerstadt Deggendorf. „Junge Männer müssen hier über Monate in Achtbettzimmer leben. Sie erleben es, dass nachts die Polizei in ihr Zimmer kommt, um einen Zimmergenossen abzuschieben. Jedes Mal denken sie, dass sie selbst betroffen sein könnten. Das erzeugt eine riesige Angst. Die Menschen sind deshalb bereit, bis zum Äußersten zu gehen.“ Aus medizinischer Sicht gehe es aber den Hungerstreikenden nach wie vor gut, so Rösch weiter.

Die Unterbringung von Asylsuchenden im Freistaat Bayern ist anders geregelt als in anderen Bundesländern. Im März 2017 beschloss das bayerische Kabinett die Errichtung von vier sogenannten Transitzentren: in Bamberg, Ingolstadt, Deggendorf und Regensburg. Transitzentren sind große Unterkünfte speziell für Asylsuchende mit geringer Bleibeperspektive. Dazu gehören Flüchtlinge aus fast allen afrikanischen Ländern und Afghanistan.

Durch diese Massenunterkünfte soll Integration verhindert werden. Dort lebende Menschen sollen schneller abgeschoben werden können oder zur freiwilligen Ausreise bewegt werden.

In Transitzentren fühlen sich Flüchtlinge unfrei

t-online.de besuchte im Sommer in dem Ingolstädter Transitzentrum.

Die Bewohner können nicht selber kochen und keine verderblichen Lebensmittel in das Asylbewerberheim mitnehmen. Drei Mal am Tag gibt es Kantinenessen. Vor der Kantine kontrolliert der Wachdienst die Ausweise der Bewohner. Taschen dürfen nicht in die Kantine mitgenommen werden. Sie essen auf Bierbänken und mit Plastikbesteck vom Wachdienst. Den Menschen wird in den Lagern die Verantwortung für die Organisation ihres eigenen Lebens genommen. Dieser Mangel an Eigenverantwortung führt häufig zu Frustration.

Menschen, die erst wenige Wochen in den Transitzentrum leben, sind zumeist noch zufrieden. Sie beschweren sich über diese Lebensbedingungen nicht. Diejenigen, die schon einige Monate da drin sind, vergleichen ihr Asylbewerberheim jedoch häufig mit einem Gefängnis.

Ein weiterer Kritikpunkt: Die Bewohner haben zudem kaum Zugang zu Informationen. Die Unterkünfte befinden sich häufig abgelegen von größeren Städten. Das heißt, der Zugang zu Integrationsangeboten und Rechtsberatung ist beschränkt. Bewohner können sich eine Fahrt in die Stadt höchstens einmal pro Woche leisten. Internetzugang gibt es nicht. Unterhält man sich mit den Bewohnern, stellt man schnell fest, dass kaum einer weiß, wie das deutsche Asylverfahren funktioniert und welche Chancen die Menschen haben, in Deutschland zu bleiben.

In solchen Bedingungen leben Asylsuchende zum Teil über Jahre. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl sieht in dieser Unterbringungspolitik eine „absichtliche Erzeugung von Hoffnungslosigkeit“.

In dem Transitzentrum in Bamberg sollen bis zu 3.300 Menschen untergebracht werden. Bei maximaler Belegung gäbe es nach Angaben von Wohlfahrtsverbänden für jeden Asylsuchenden dann 6,8 Quadratmeter Platz. Das entspricht ungefähr den Platzverhältnissen von Gefängniszellen. Familien haben oft Zimmer für sich alleine, zum Teil werden sie aber auch mit alleine eingereisten Männern zusammengelegt.

Konflikte sind wenig überraschend

Dass diese Isolation in Massenunterkünften zu Protestformen führt, die an Verzweiflungstaten grenzen, gilt als wenig überraschend. Schon als im Frühjahr der Ausbau dieser Transitzentren geplant worden ist, warnten Asylrechtsanwälte davor, dass es dort zu scharfen Konflikten kommen kann.

Pro Asyl weist darauf hin, dass Ausreisezentren Menschen in die Illegalität treiben. Ein großer Teil der Menschen reist nicht freiwillig aus oder wird abgeschoben. Menschen, denen keine legale Bleibeperspektive gegeben wird, tauchen häufig unter. „Diese Illegalisierung kann auch unter sicherheitspolitischen Aspekten kein sinnvolles Konzept sein“, erklärt Bernd Mesovic von Pro Asyl.

Für Pfarrer Gottfried Rösch ist der Hungerstreik in Deggendorf ein Anzeichen dafür, dass das bayerische Modell, Flüchtlinge mit geringer Bleibeperspektive in zentrale Massenunterkünfte einzuweisen gescheitert, ist. Die für die Einrichtung zuständige Bezirksregierung von Niederbayern weist Kritik zurück. Auf eine Anfrage der „Taz“ erklärte sie, dass in Deggendorf eine „humanitäre Unterbringung“ herrsche. Sie äußerte Zweifel daran, dass die Menschen tatsächlich in den Hungerstreik getreten sind.

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