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AfD vor SPD: Bringt der Umfrage-Schock ein Ja zur GroKo?


AfD in Umfrage vor der SPD
Bringt die Schock-Umfrage das Ja zur großen Koalition?

dpa, Georg Ismar

Aktualisiert am 20.02.2018Lesedauer: 5 Min.
SPD Regionalkonferenz in KamenVergrößern des BildesSPD Regionalkonferenz in Kamen (Quelle: Ina Fassbender/dpa-bilder)
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Soll die SPD mit der Union regieren oder nicht? Kurz vor Beginn des Mitgliederentscheids rutschen die Genossen in einer Umfrage hinter die AfD.

Die schlimme Nachricht kommt per Umfrage. Erstmals liegt die AfD (16 Prozent) vor der SPD (15,5), hat eine Erhebung des Insa-Instituts für die "Bild"-Zeitung ergeben. Doch ausgerechnet dies könnte so manches Mitglied dazu verleiten, schweren Herzens in den nächsten Tagen doch das Kreuz für ein Ja zur Groko zu machen.

AfD-Fraktionschefin Alice Weidel jubelt: "Wir sind Volkspartei!". Als Volkspartei sah sich jahrzehntelang die SPD. Die mögliche Koalition, die Neuaufstellung und Erneuerung, all das wird entscheidend sein, ob der AfD-Erfolg nur eine Momentaufnahme sein wird.

2013 war alles ganz anders. Euphorisch, weil der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel der Kanzlerin Leuchtturmprojekte wie 8,50 Euro Mindestlohn abgetrotzt hatte, stimmten 75,96 Prozent der Mitglieder dem Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU zu. Auch jetzt muss Angela Merkel im Kanzleramt wieder zusehen, wie ihre Macht vom Votum der SPD abhängt.

Das Herz vieler Genossen spricht gegen die Groko – aber da ist auch das Gespenst AfD. Die SPD wollte in die Opposition, nach dem Absturz bei der Bundestagswahl auf 20,5 Prozent. Dann scheiterte Merkel mit der Bildung eines Jamaika-Bündnisses. Die SPD geriet in Bedrängnis, verlor Parteichef Martin Schulz. Und es gibt eine große "Nein"-Kampagne. Juso-Chef Kevin Kühnert warnt davor, mit Angstszenarien ein Ja erzwingen zu wollen: "Eine Partei, die Angst vor Neuwahlen hat, kann den Laden zumachen. Wir müssen selbstbewusster auftreten."

Wie läuft das SPD-Mitgliedervotum ab?

Es startet offiziell am Dienstag, dann soll auch das letzte Mitglied die Unterlagen im Briefkasten haben, viele haben sie bereits. Die Abstimmung dauert bis zum 2. März, 24 Uhr. Es muss auch eine eidesstattliche Erklärung beigelegt werden. Briefe, die später im Postfach des Vorstands eingehen, können nicht berücksichtigt werden. Stimmberechtigt sind 463.723 SPD-Mitglieder. Der Stichtag für den Parteieintritt, um noch abstimmen zu dürfen, war der 6. Februar.

Was kostet das Ganze?

Die Kosten belaufen sich nach SPD-Angaben auf rund 1,5 Millionen Euro. Anders als 2013 wird keine Halle für die Auszählung angemietet, damals fand sie in einem alten Postbahnhof statt. Dieses Mal wird in der SPD-Zentrale ausgezählt. Die SPD hat durch die schwierige Regierungsbildung hohe Kosten zu verkraften, unter anderem durch den Sonderparteitag, der grünes Licht geben musste, um überhaupt mit der Union zu verhandeln.

Hinzu kommt wegen des schlechten Wahlergebnisses weniger Geld aus der Parteienfinanzierung. Allein der Sonderparteitag und das Votum kosten die SPD rund 2,5 Millionen Euro extra. Weil nun auch noch ein neuer Parteichef anstelle von Martin Schulz zu wählen ist, wird es am 22. April in Wiesbaden gleich den nächsten Parteitag geben – für den Vorsitz wurde Andrea Nahles vom Vorstand nominiert.

Hat denn jedes Mitglied den Koalitionsvertrag erhalten?

Ja. Die Parteizeitung "Vorwärts" druckte eine Sonderausgabe mit dem 177-seitigen Koalitionsvertrag, die auch per Post verschickt wurde. Zudem kann der Vertrag online heruntergeladen werden. Die gestellte Frage an die Mitglieder lautet: "Soll die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) den mit der Christlich Demokratischen Union (CDU) und der Christlich-Sozialen Union (CSU) ausgehandelten Koalitionsvertrag vom Februar 2018 abschließen? – Ja oder Nein."

Kann man auch online abstimmen?

Nein. Eine Onlineabstimmung ist bislang nur für rund 2.300 im Ausland lebende SPD-Mitglieder möglich. Klappt dieser Test, kann eine Option mit Internetabstimmung beim nächsten Mal auch im Inland bei einem SPD-Mitgliederentscheid zum Einsatz kommen. Aber: Die Kosten wird das kaum reduzieren, viele SPD-Mitglieder sind über 60 Jahre alt und die Partei muss aus Verfahrensgründen die Unterlagen auch per Post zusenden. Daher lässt sich das Mitgliedervotum auch kaum beschleunigen.

Wo werden die Briefe ausgezählt?

Die Post wird die Briefe per Lastwagen zur Berliner SPD-Zentrale bringen. Die 120 Freiwilligen, die beim Auszählen im Willy-Brandt-Haus helfen, müssen zuvor ihre Handys abgeben, damit das Wahlgeheimnis nicht gefährdet wird. Zur Brieföffnung kommen Hochleistungsschlitzmaschinen zum Einsatz – sie können pro Stunde 20.000 Briefe öffnen. 2013 dauerte die Auszählung rund 14 Stunden.

Wann wird das Ergebnis verkündet?

Am Sonntag, den 4. März, wahrscheinlich am frühen Nachmittag. Und zwar nach bisheriger Planung nicht von dem kommisarischen SPD-Chef Olaf Scholz oder der designierten SPD-Chefin Andrea Nahles. Beim letzten Mal verkündete das in ganz Europa erwartete Ergebnis Barbara Hendricks, weil sie damals die Vorsitzende der Mandatsprüfungs- und Zählkommission war.

Dieses Mal wäre das Schatzmeister Dietmar Nietan. Das Ergebnis für Annahme oder Ablehnung der Koalition ist bindend, wenn mindestens 20 Prozent der Mitglieder abstimmen. Der 45-köpfige Parteivorstand kann sich nicht über das Ergebnis hinwegsetzen.

Wie viele Mitglieder stimmten 2013 ab?

Es wurden 369.680 Stimmen abgegeben, davon wirksam, also fristgerecht eingegangen, waren 337.880 Stimmen. Mit Ja stimmten damals 256.643 SPD-Mitglieder (75,96 Prozent). Gibt es ein Ja, will die SPD-Spitze direkt danach die Besetzung der sechs SPD-Ressorts in der geplanten dritten großen Koalition unter Kanzlerin Merkel bekannt geben.

Was stößt bei der SPD-Basis auf besonders viel Kritik?

Die Koalitionen mit Merkel hätten gezeigt, dass kein Politikwechsel und Aufbruch möglich sei. Es werde an Stellschrauben gedreht, es gebe ein "Weiter so", aber nichts Neues. Juso-Chef Kühnert kritisiert, es gebe über 100 Kommissionen und Prüfaufträge im Koalitionsvertrag, es fehle an Maßnahmen gegen die "krass ungleiche" Vermögensentwicklung. Und es werde das Klimaziel 2020 aufgegeben und ein neues für 2030 auserkoren. "Das ist eine Politik, die Verantwortung weit in die Zukunft schiebt."

Eine "NoGroko"-Initiative aus NRW, unterzeichnet auch von Landesvorstandsmitgliedern, meint: "Eine neue Zeit braucht eine neue Politik". Kernforderungen blieben unerfüllt, im Vertrag sei viel Blendwerk. So werde die sachgrundlose Jobbefristung in Betrieben über 75 Beschäftigten zwar eingeschränkt. In kleineren Betrieben und im öffentlichen Dienst bleibe sie aber "vollumfänglich bestehen".

Darf eine Partei über die nächste Regierung bestimmen?

Wie schon 2013 hat das Bundesverfassungsgericht Eilanträge abgelehnt, dass das Votum nicht mit dem Prinzip der Freiheit der Abgeordneten und den Grundsätzen der repräsentativen Demokratie vereinbar sei. Dabei wird argumentiert, dass ein solches Votum der Mitglieder die frei gewählten Bundestagsabgeordneten binde.

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Aber es wird ja hier nicht direkt über ein Regierungshandeln oder die Zusammensetzung einer Regierung entschieden, sondern nur, ob eine Partei sich daran beteiligen will. So sagte die Landeschefin von Baden-Württemberg, Leni Breymaier, mit Blick auf FDP-Chef Christian Lindner: "So was entscheidet in der FDP ein Mann alleine". Bei der CDU werden nicht alle Mitglieder entscheiden, sondern ein Parteitag am 26. Februar.

Kann es zur Ablehnung und einer möglichen Neuwahl kommen?

Nach den Chaostagen bei der SPD schlägt das Pendel eher Richtung Groko aus. "Ich bin zuversichtlich: Am Ende wird es ein Ja geben", sagte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil. Ein Kenner der Parteiseele tippt auf ein Ergebnis von 60:40. Aber es ist keine Zustimmung mit dem Herzen, sondern nur aus kühler Ratio. Kanzlerin Merkel könnte dann in der ersten Märzhälfte wiedergewählt werden.

Und wenn es schiefgeht?

Die längste Regierungsbildung der Bundesrepublik wird in jedem Fall auch noch die 160-Tages-Schwelle reißen, also fast ein halbes Jahr. Sagt die Basis Nein, könnte Merkel als letzte Option versuchen, ohne feste Mehrheit zu regieren und sich für Auslandseinsätze oder den Haushalt unterschiedliche Partner für eine Mehrheit suchen – aber sie könnte jederzeit durch ein Misstrauensvotum gestürzt werden.

Kann es bei einem SPD-Nein sofort eine Neuwahl geben?

Nein. Der Weg dahin ist schwierig, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier müsste erst jemanden zur Kanzlerwahl im Bundestag vorschlagen. Es würde mangels Koalition keine absolute Mehrheit etwa für Merkel geben – im dritten Wahlgang würde die relative Mehrheit reichen.

Steinmeier müsste dann entscheiden, ob er sie zur Kanzlerin einer Minderheitsregierung ernennt; oder ob er den Deutschen Bundestag auflöst. Dann müsste binnen 60 Tagen neu gewählt werden.

Verwendete Quellen
  • dpa
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