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31 Jahre lang vermisst: Petra P. plante ihre Flucht genau


Familie fassungslos
31 Jahre Vermisste plante ihre Flucht genau

Von t-online, dpa
Aktualisiert am 25.09.2015Lesedauer: 3 Min.
Mit dieser Fotomontage suchte "Aktenzeichen XY" 1985 nach der verschwundenen Petra P.Vergrößern des BildesMit dieser Fotomontage suchte "Aktenzeichen XY" 1985 nach der verschwundenen Petra P. (Quelle: Aktenzeichen XY)
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Die 55-Jährige, die über drei Jahrzehnte abgetaucht ist und unter falscher Identität gelebt hat, hat ihre Flucht damals genau geplant und über Wochen vorbereitet. Ihre fassungslose Familie sucht nun den Kontakt zu ihr. Doch die Frau blockt ab.

Eine vermeintlich ermordete Frau hat ihr Abtauchen vor 31 Jahren genau geplant. Wochen, bevor die damals 24 Jahre alte Studentin aus Braunschweig verschwand, habe sie bereits eine Wohnung in Gelsenkirchen angemietet und heimlich Geld zur Seite gelegt, teilte die Polizei mit. Die junge Frau nahm damals keinen Koffer mit und ließ alles so aussehen, als sei ihr etwas zugestoßen. Ihren Nachbarn im Studentenwohnheim bat sie allerdings, ihre Blumen zu gießen und die Vögel in der Voliere zu versorgen.

Die Mutter und der Bruder der heute 55-Jährigen hätten fassungslos auf die Entdeckung reagiert, dass ihre Tochter und Schwester noch lebt. Beide hätten den ganzen Tag lang geweint, nachdem sie die Nachricht erhalten hatten. Die 1984 spurlos Verschwundene hatte bei der Polizei ausgesagt, keinen Kontakt zu ihrer Familie mehr haben zu wollen. Wie die "Braunschweiger Zeitung" berichtete, schrieben Mutter und Bruder der Frau, dass sie stets mit offenen Armen empfangen werde, wenn sie es sich anders überlege.

Einbruch brachte alles ans Licht

An der Wohnungstür und dem Rahmen ihrer jetzigen Wohnung sind die Abdrücke eines Brecheisens ins Holz gepresst. Es sind wohl die Spuren des Einbruchs, der die Sensation ans Licht brachte. Informatik-Studentin Petra P. verschwand 1984 im Alter von 24 Jahren spurlos aus Braunschweig. Sie galt als Mordopfer, wurde 1989 für tot erklärt. Und ist nun 350 Kilometer entfernt in der Düsseldorfer Innenstadt wieder aufgetaucht. Als Polizisten sie wegen des Einbruchs in ihrer Wohnung aufsuchen, lüftet sie ihre wahre Identität.

Die Hausnachbarn wirken so überrascht wie ratlos: "Sie ist sehr freundlich und hilfsbereit, aber auch verschlossen. Sie lebt allein." Er habe versucht, sie kennen zu lernen, berichtet ein Nachbar: "Aber sie hat abgeblockt."

"Sie ist hier nicht bekannt"

Journalisten vermuten die 55-Jährige in einem unauffälligen fünfstöckigen Mehrparteienhaus an einer Hauptverkehrsstraße. Auf dem Klingelschild steht ein Allerweltsname: Schneider. In dem Haus ist nicht einmal ihr Vorname bekannt. Und auch der Paketbote schüttelt den Kopf: "Ich habe ihr noch nie etwas gebracht." Der nächste Bäcker kennt die Frau zwar vom Brötchenholen, aber mehr auch nicht.

Ihren Zahnarzttermin in Braunschweig nimmt Petra P. am 26. Juli 1984 noch wahr. Doch bei ihrem Bruder, der am nächsten Tag Geburtstag hat, kommt sie nicht mehr an.

Mutter und Bruder waren fassungslos, als sie erfuhren, dass ihre Tochter und Schwester noch lebt. Sie haben ihr einen Brief geschrieben, sagt die Polizei. Dass sie mit offenen Armen empfangen werde. Doch Petra P. wünscht keinen Kontakt zu ihrer Familie und zur Öffentlichkeit - und schweigt zu den Gründen ihres Verschwindens.

"Sie ist hier nicht bekannt. Wir können zu ihr nichts sagen, außer, dass sie wohl einen Verstoß gegen das Meldegesetz begangen haben wird", sagt ein Sprecher der Düsseldorfer Stadtverwaltung. Für die Meldeämter sei es ganz schwierig herauszufinden, wer wirklich in einem Haus lebe.

Sie plante das Abtauchen

In Deutschland unterzutauchen, scheint aller Bürokratie zum Trotz gar nicht so schwer. Die scheue Frau P. habe nicht einmal einen gefälschten Ausweis gebraucht, berichtet die Polizei. Wie sie 31 Jahre ohne Personalausweis, Reisepass, Führerschein, Krankenversicherungs- und Bankkarte leben konnte, bleibt zunächst ihr Geheimnis.

Die TV-Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" hatte den Vermisstenfall 1985 akribisch aufbereitet. In der ganzen Republik flimmerte ihr Bild über die Fernsehschirme. Der entscheidende Hinweis aus der Bevölkerung blieb aus. Zu der Zeit soll sie schon unter falschem Namen in einer Wohnung in Gelsenkirchen gelebt haben.

Die Polizei sagt nun: Die Frau hat das Abtauchen geplant. Es sollte so aussehen, als wäre ihr etwas zugestoßen. Gewalt oder sexuellen Missbrauch habe es in ihrer Familie aber nicht gegeben, sagt die Polizei. Nicht einmal ein Streit ist bekannt.

Flucht wegen Stress?

"Man kann aus der Ferne natürlich keine seriöse Diagnose stellen", sagt Diplom-Psychologe Gerd Zimmek in Mönchengladbach. "Es spricht aber einiges für ein bestimmtes Krankheitsbild, eine psychische Störung, die sogenannte Dissoziative Fugue. Das ist das "Ich bin mal eben Zigarettenholen"-Phänomen. Die Leute verschwinden plötzlich", berichtet der Psychologe.

In Krisen- und Kriegszeiten steigen die Fallzahlen an. "Es ist eine Notfallreaktion der Seele", sagt Zimmek. Was diese Reaktion im Fall Petra P. ausgelöst haben könnte? Sie befand sich in der Endphase ihrer Informatik-Diplomarbeit, hatte sich ein sehr schweres Thema ausgesucht, wie die Ermittler damals berichteten.

Überzogene Ansprüche an sich selbst, Versagensängste und sehr viel Stress - das könnte die Situation sein, aus der Petra P. damals geflohen ist. "Und dann gibt es kein Zurück, weil sie vor Scham vergeht", vermutet Zimmek.

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