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Wer ist der Mann, der Henriette Reker attackierte?


Eigenbrötler aus der Neonazi-Szene
Prozessauftakt: Wer ist der Mann, der auf Henriette Reker einstach?

spiegel-online, Jörg Diehl

Aktualisiert am 15.04.2016Lesedauer: 3 Min.
Polizistin bei der Spurensicherung nach der Messerattacke auf Reker.Vergrößern des BildesPolizistin bei der Spurensicherung nach der Messerattacke auf Reker. (Quelle: dpa-bilder)
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In Düsseldorf beginnt der Prozess gegen den Mann, der die heutige Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker lebensgefährlich verletzte. War Frank S. zurechnungsfähig?

Der Mann bat um eine Rose und lächelte. Hinterher wird sich die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker fragen, wie jemand so nett gucken und dann so etwas Schreckliches tun kann. Doch in diesem Moment, am Morgen des 17. Oktober 2015, war sie arglos und reichte dem Mann die Blume. Da rammte er ihr ein Messer in den Hals.

Die Waffe, ein Jagdmesser mit einer 30 Zentimeter langen Klinge, durchtrennte die Luftröhre und bohrte sich in die Wirbelsäule der Politikerin. Henriette Reker überlebte nur knapp. Anschließend ging der Mann auf die Umstehenden los und verletzte vier weitere Menschen. Dann wartete er geduldig auf die Polizei. "Ich habe das für euch getan", soll er Zeugen zufolge den Umstehenden zugerufen haben.

Täter kam aus Neonazi-Szene

An diesem Freitag beginnt vor einem Staatsschutzsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts der Prozess gegen den Mann. Die Bundesanwaltschaft hat den arbeitslosen Maler Frank S. angeklagt, es geht um versuchten Mord und um Körperverletzung. Demnach attackierte S. sein Opfer "als Repräsentantin einer von ihm abgelehnten Ausländer- und Flüchtlingspolitik".

Henriette Reker war zum Zeitpunkt des Attentats noch Sozialdezernentin der Stadt Köln und damit auch für die Betreuung und Unterbringung von Flüchtlingen zuständig. "Ich hoffe, dass sie noch stirbt", sagte Frank S. Polizisten zufolge nach seiner Festnahme im Streifenwagen. Schon einige Stunden nach der Attacke wurde klar, dass sich der mutmaßliche Attentäter bereits vor 20 Jahren in der rheinischen Neonazi-Szene bewegt hatte.

In dem Prozess wird der 6. Strafsenat unter Vorsitz der Richterin Barbara Havliza ergründen müssen, ob der Angriff auf Henriette Reker das Werk eines Extremisten oder eines psychisch Kranken war. Das Gericht hat den Essener Psychiater Norbert Leygraf mit einem Gutachten über die seelische Verfassung des Angeklagten und über die Frage nach seiner Schuldfähigkeit beauftragt.

Kurz nach seiner Festnahme hatte eine Kölner Psychiaterin eine knappe Stunde mit S. gesprochen. Nach Informationen des "Spiegel" beschrieb sie ihn hinterher als auffällige Persönlichkeit, misstrauisch und verschroben. Dennoch konnte sie keine Anzeichen für eine Erkrankung ausmachen.

Ein Eigenbrötler

Tatsächlich ging S. nach den Erkenntnissen der Ermittler ausgesprochen planvoll vor, was eine psychische Erkrankung nicht ausschließen muss, aber eher ein Indiz für geistige Gesundheit ist: Frank S. informierte sich über Rekers Auftritte im Kommunalwahlkampf, räumte seine Wohnung auf, entsorgte die Festplatten seiner Computer. Er rechnete nicht mehr damit, in sein Apartment im Kölner Stadtteil Nippes zurückzukehren. Nach eigener Aussage nahm er an, als Mörder festgenommen zu werden und ins Gefängnis zu wandern.

Insgesamt ergaben die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft das Bild eines Einzelgängers, eines Eigenbrötlers, der als Langzeitarbeitsloser keine sozialen Kontakte mehr pflegte und die Tage vor dem Computer verdämmerte. Wahrscheinlich steigerte er sich dort immer weiter in seine obskuren Ängste hinein, Deutschland könne irgendwann muslimisch geprägt sein. Dieses Szenario verunsicherte ihn offenbar so sehr, dass er sich beinahe umgebracht hätte, wie er Polizisten erzählte.

S. habe in den vergangenen Jahren wie ein "Eremit" gelebt, sagt einer der Beamten, die mit dem Fall betraut waren. Seit Jahren schon hatte S. demnach keine persönlichen Verbindungen mehr in die rechtsextreme Szene. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes überwies er der Neonazi-Partei III. Weg zuletzt 15 Euro - für Aufkleber. Manchmal surfte er in einschlägigen Internetforen und hinterließ dort ausländerfeindliche Kommentare. Für das ohnehin nicht sehr plausibel erscheinende Gerücht, dass Frank S. irgendwann einmal V-Mann der Sicherheitsbehörden gewesen könnte, fanden die Ermittler keinerlei Belege.

Reker wird im Prozess aussagen

Vielmehr könnte S. ein Exemplar der gewaltgeneigten Art von Hassbürgern sein, vor denen das Bundeskriminalamt bereits unmittelbar vor dem Angriff in Köln gewarnt hatte. Es stehe zu befürchten, hieß es seinerzeit in einer vertraulichen Analyse, dass im Zuge der Anti-Asyl-Debatte in der rechtsextremen Szene "Politiker und Unterkunftsbetreiber im Zielspektrum entsprechend fremdenfeindlich motivierter Täterkreise liegen". Attacken seien nicht auszuschließen.

"Ich habe viel, viel Glück gehabt", sagte Henriette Reker später. Die Kölner Oberbürgermeisterin will das Verfahren gegen S. als Nebenklägerin verfolgen. Am 29. April tritt sie dann in den Zeugenstand, um von der Tat und ihren Folgen zu berichten. "Ich freue mich nicht darauf, aber es muss sein", sagte Reker dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Womöglich wird die Politikerin nach Ende des Prozesses, für den bislang zwölf Verhandlungstage anberaumt worden sind, das Gespräch mit Frank S. suchen. Und vielleicht wird er ihr erklären können, warum er lächelte, weshalb er zustach.

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