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70 Jahre Hiroshima: Atombombe beendete nicht den 2. Weltkrieg


70 Jahre Hiroshima und Nagasaki
Nicht die Atombomben beendeten den Zweiten Weltkrieg

Von dpa
05.08.2015Lesedauer: 4 Min.
Beim Abwurf der Atombombe auf die japanische Stadt Hiroshima waren am 6. August 1945 rund 80.000 Menschen auf der Stelle tot. Umstritten ist, ob der Abwurf militärisch notwendig war.Vergrößern des BildesBeim Abwurf der Atombombe auf die japanische Stadt Hiroshima waren am 6. August 1945 rund 80.000 Menschen auf der Stelle tot. Umstritten ist, ob der Abwurf militärisch notwendig war. (Quelle: dpa-bilder)
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"Mein Gott, was haben wir getan?", schrieb Co-Pilot Robert Lewis am 6. August 1945 in das Logbuch seines B-29-Bombers. Das auf den Namen "Enola Gay" getaufte Flugzeug hatte gerade die erste in einem Krieg eingesetzte Atombombe auf die japanische Stadt Hiroshima abgeworfen. Nach amerikanischer Lesart waren die Bomben auf Hiroshima und drei Tage später auf Nagasaki nötig, um das Kaiserreich zur Kapitulation zu zwingen und damit den Zweiten Weltkrieg endgültig zu beenden. Doch war das tatsächlich so? Viele Historiker haben heute Zweifel.

Die japanische Führung schien von den Zerstörungen in Hiroshima nicht sonderlich beeindruckt gewesen zu sein, sagt etwa der US-Friedensforscher Ward Wilson. "Es gab keine Krisensitzung (des Obersten Kriegsrats in Japan) nach Hiroshima", so der Historiker. Für Japans Führung sei es bloß eine weitere Zerstörung einer Stadt mit Brandbomben gewesen. Damit hatte man sich abgefunden. Schon in den Wochen vor Hiroshima überzog das US-Militär mehr als 60 Städte, darunter Tokio, mit den heftigsten Bombardements der Kriegsgeschichte.

Japaner wollten den Kaiser retten

Dem Land war längst klar, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war. Es ging den Japanern darum, ihn zu den bestmöglichen Bedingungen zu beenden. Genauer gesagt wollten sie nur noch ihren Kaiser retten. Denn der Erhalt der Monarchie war mit der von den Amerikanern geforderten bedingungslosen Kapitulation infrage gestellt, erklärt der Japan-Experte Florian Coulmas von der Universität Dusiburg-Essen.

Bei diesen Bemühungen um einen Verhandlungsfrieden hoffte Tokio auf die Sowjetunion als Vermittler und führte entsprechende Gespräche mit Moskau. Doch statt zu vermitteln, erklärte die Sowjetunion den Japanern am 8. August 1945 den Krieg und besetzte die Mandschurei. Für namhafte Historiker wie Tsuyoshi Hasegawa von der University of California war es diese Kriegserklärung und nicht Hiroshima, die Kaiser Hirohito und seinem Militär die Aussichtslosigkeit der Lage endgültig bewusst werden ließ.

Am folgenden Morgen des 9. August begann Japans Oberster Kriegsrat die bedingungslose Kapitulation zu diskutieren. Der Abwurf der Atombombe auf Hiroshima lag da schon drei Tage zurück. "Der Eintritt der Sowjets in den Krieg spielte in der Tat eine größere Rolle als die Atombomben dabei, Japan zur Kapitulation zu veranlassen", schlussfolgert Professor Hasegawa.

Invasion hätte hohe Verluste gefordert

Aber warum warfen die Amerikaner dann die Bomben ab? Insbesondere der Einsatz der zweiten Bombe auf Nagasaki am 9. August 1945 wirft Fragen auf. Für US-Präsident Harry Truman hatte vor allem Eines Priorität: dem Krieg so schnell wie möglich, mit so wenigen amerikanischen Opfern und so geringen Kosten wie möglich ein Ende zu bereiten. Und eine unter dem Namen Operation "Downfall" geplante Invasion Japans hätte vermutlich enorm hohe Verluste auf US-Seite gefordert.

Doch hätten die USA dieses Ziel nicht auch anders erreichen können? Etwa durch ein Signal an Japan, dass der Kaiser auch nach der Kapitulation überleben könnte. Oder durch Einbeziehung der Sowjetunion in die Kapitulationsaufforderung an Tokio. Die Mitunterzeichnung dieser Potsdamer Erklärung durch Josef Stalin am 26. Juli 1945 hätte dem Kaiserreich schon von der Kriegserklärung deutlich gemacht, dass man auf keine Unterstützung aus Moskau zu hoffen brauchte.

"Weil sie fertig und weil sie teuer war", lautet dann auch die Antwort von Peter Kuznick von der American University in Washington auf die Frage nach den Gründen für den Einsatz der Bombe. Man habe zwei Arten von Atombomben gehabt, sagt der Historiker in einem Film des ARD-Weltspiegels. Eine Uranbombe und eine Plutoniumbombe. Und es sei wichtig gewesen, insbesondere die Plutoniumbombe ebenfalls noch auszuprobieren, so Kuznick.

Die Kosten für das Nuklearwaffen-Programm beliefen sich bis Ende 1945 auf satte 1,9 Milliarden Dollar - was heute knapp 25 Milliarden Dollar (22,3 Mrd Euro) entspräche. Nach Einschätzung von Historiker Samuel Walker entschieden sich die USA zudem auch für den Abwurf, um den Sowjets ihre Stärke unter Beweis zu stellen.

Rache für Pearl Harbor

Und nicht zuletzt suchte Washington nach einer passenden Antwort auf die japanische Attacke auf Pearl Harbor von 1941. Als ein General den Einsatz der Atombombe infrage stellte, antwortete ihm Truman: "Wenn Du mit einer Bestie fertig werden musst, musst Du sie wie eine Bestie behandeln."

In Japan ist die Geschichte der Atombomben derweil unvermeidlich durch die Opferperspektive bestimmt. Und dass Hiroshima eine "gerechte Strafe" für Japans Aggressionskrieg gewesen sei, akzeptieren nur wenige. Eine Mitverantwortung des Kaiserreichs lässt sich gleichwohl kaum bestreiten. Zumal bis zuletzt die Option im Raum stand, den Krieg unter anderem mit Kamikaze-Piloten bis zum letzten Blutstropfen weiterzuführen.

Letztlich hätte die von den Militärs dominierte Regierung in Tokio der eigenen Bevölkerung den Krieg mit ihrer unnachgiebigen Position nicht so lange zumuten müssen, sagen viele Historiker. Und daran war auch der von den Japanern als Gott verehrte Kaiser Hirohito beteiligt. "Gemeinsam mit den militaristischen Falken in seiner Regierung ist er für die Toten von Hiroshima und Nagasaki mitverantwortlich", schlussfolgert Japan-Experte Coulmas.

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