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Forscher entdecken Katastrophen-Rhythmus


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Forscher entdecken Katastrophen-Rhythmus

Axel Bojanowski, "Spiegel Online"

06.06.2012Lesedauer: 3 Min.
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VulkanausbrücheVergrößern des Bildes
Vulkanausbrüche (Quelle: NASA)

Erdbeben und Vulkane können ganze Regionen verwüsten. Sonnenstürme bedrohen die moderne Infrastruktur. Doch wie häufig kommt es zu besonders schweren Katastrophen? Forscher haben die Abstände untersucht: Sie sind kürzer als gedacht.

Geoforscher geraten leicht in den Ruf von Unheilspredigern. Ihre Mahnungen vor Naturkatastrophen mag kaum jemand hören, viele halten sie für übertrieben. Dabei kamen allein im vergangenen Jahrhundert vier Millionen Menschen bei Naturkatastrophen ums Leben. Seit Urzeiten machen Erdbeben, Vulkanausbrüche und Stürme die Erde zu einem gefährlichen Ort. Wir leben eigentlich in den Pausen zwischen Katastrophen. Doch wie lange dauern die Pausen?

Wissenschaftler haben nun den Rhythmus schwerer Erdbeben, Vulkanausbrüche und Sonnenstürme bestimmt. Ihren Analysen zufolge kommen die Desaster häufiger vor als vermutet.

Auf Grundlage der Daten über Naturkatastrophen aus den vergangenen zwei Jahrhunderten berechnete der Geophysiker Jeffrey Love vom Geologischen Dienst der USA (USGS), wie häufig schwere Desaster im Durchschnitt auftreten. Die vergleichsweise kurze Bemessungszeit führe zwar zu einiger Unsicherheit bei den Ergebnissen, betont der Forscher in seiner Studie im Fachblatt "Geophysical Research Letters". Doch die Zahlen gäben einen Eindruck davon, dass schwerste Naturkatastrophen weitaus öfter passieren als bislang angenommen:

Erdbeben der extremen Stärke 9 ereignen sich im Durchschnitt alle 25 Jahre - und nicht wie bislang geschätzt nur halb so oft. Sie drohen an den Kollisionsfronten großer Erdplatten, etwa vor Japan, Indonesien oder Chile. 9er-Beben können wie zuletzt Weihnachten 2004 ozeanweite Tsunamis auslösen und Regionen von der Größe Deutschlands verwüsten. Trifft es ein hoch entwickeltes Land, kann eine schwere Weltwirtschaftskrise die Folge sein.

Vulkanausbrüche der Stärke 6 passieren ungefähr alle 40 Jahre - und damit mehr als doppelt so häufig wie in offiziellen Katalogen angegeben. Solche Eruptionen kühlen das Weltklima über Jahre hinaus ab. Städte in der Nähe werden zerstört, Menschen haben dort kaum eine Überlebenschance; an der Küste drohen Tsunamis. Beim Ausbruch des Krakatau in Indonesien 1883 mit dieser Stärke kamen fast 40.000 Menschen ums Leben.

Extreme Sonnenstürme treffen die Erde etwa alle 80 Jahre, schreibt Pete Riley vom Foschungsinstitut "Predictive Science" im Fachblatt "Space Weather". Am 1. September 1859 sorgte ein solcher Sonnensturm für Polarlichter bis nach Süditalien, Kuba und Hawaii; Telegrafenleitungen schlugen Funken, die Papier und Holz entzündeten. Studien zufolge könnte ein vergleichbarer Sturm geladener Teilchen mit dieser Stärke heutzutage allein in den USA Schäden im Wert von zwei Billionen Dollar (1,6 Billionen Euro) anrichten: Stromversorgung, Kommunikations- und Datenverkehr fielen dauerhaft aus.

Einer der intensivsten Sonnenstürme ging womöglich im Jahr 775 auf die Erde nieder. Jahresringe von Bäumen aus dieser Zeit enthalten zwanzigmal mehr radioaktive Kohlenstoffatome (C14) als normal, berichten Forscher um Fusa Miyake jetzt im Wissenschaftsmagazin "Nature". C14 entsteht in der Luft, wenn kosmische Strahlung die Erde trifft. Doch was passierte 775?

Eine Supernova, also eine riesige Sternenexplosion, wäre eine mögliche Strahlungsquelle. Allerdings müssten die Reste des sterbenden Sterns noch heute am Himmel glimmen, schreibt Miyake. Wahrscheinlicher scheint ein anderes Szenario: Möglicherweise sei damals ein gewaltiger Sonnensturm eingeschlagen, meint der Astrophysiker Daniel Baker von der University of Colorado in Boulder.

Historische Quellen bestätigten die Theorie, berichtet der Klimaforscher Mike Baillie von der University of Belfast im "New Scientist". In Großbritannien seien Schlangen "zum Erstaunen aller" aus dem Boden gesprungen, während der Nachthimmel gespenstisch geleuchtet habe, zitiert Baillie aus einer Chronik.

Rätselhafte Fernwirkung

Auch Vulkanausbrüche lassen Experten rätseln - offenbar hängen manche zusammen: Der Zeitpunkt einer Eruption lasse zwar keinen Rückschluss auf den nächsten Ausbruch zu, betont Jeffrey Love - seine Angaben zur Häufigkeit der Naturkatastrophen sind lediglich Durchschnittswerte. Jedoch kann der Ort einer Eruption offenbar eine Warnung sein, wo als nächstes Gefahr droht, wie eine weitere Studie zeigt, die in Kürze im Fachblatt "Geophysical Research Letters" erscheinen wird.

Die beiden Geoforscher Danilo Palladino vom der Sapienza-Universität in Rom und Gieanluca Sottili vom Forschungsinstitut IGAG-CNR in Rom haben alle bekannten 143 Vulkanausbrüche mit mindestens der Stärke 4 seit 1750 ausgewertet. Das erstaunliche Resultat: Nahe beieinander liegende Vulkane brachen auffällig häufig kurz nacheinander aus - obwohl ihre Magmakammern nicht verbunden waren.

Acht Vulkanpaare, die zwischen 159 und 500 Kilometer entfernt lagen, explodierten der Studie zufolge im Durchschnitt im Abstand von nur knapp anderthalb Jahren mit mindestens Stärke 4. Der Zusammenhang sei dermaßen auffällig, dass die Forscher nicht an Zufall glauben. Jetzt rätseln sie, welche Art von Fernwirkung im Spiel sein könnte.

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