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Aale angeln verboten: warum eigentlich?


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Aale angeln verboten: warum eigentlich?

Kurt de Swaaf

05.11.2012Lesedauer: 5 Min.
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Ausgewachsener Aal am Ufer.Vergrößern des Bildes
Aale legen auf ihren Wanderungen zehntausende von Kilometern zurück - zum Teil sogar über Land. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Das Angeln von Aalen ist vielerorts ganzjährig nicht mehr erlaubt oder unterliegt langen Schonzeiten. Manche Angler schimpfen lautstark über die Fangverbote und Einschränkungen, aber es lässt sich kaum leugnen, dass der Europäische Flussaal (Anguilla anguilla) eine der am stärksten bedrohten Fischarten darstellt. Umso bedauerlicher, dass die Schutzmaßnahmen oft von politischen Interessen bestimmt werden und damit von vorneherein unwirksam sind. Die Hintergründe des Problems sind zudem sehr komplex.

Herbst zum Aalangeln eigentlich die beste Jahreszeit

Es waren andere Zeiten. In Herbstnächten, bei trüber, regnerischer Witterung zog es so manchen Angler an die Flüsse. Aalspezialisten, die genau unter solch ungemütlichen Umständen richtig dicke Beute machten. Der Hintergrund: Zu Beginn der kalten Jahreszeit sind oft vor allem die großen Aale noch aktiv. Die Tiere stocken anscheinend ihre Fettreserven für die bevorstehende Winterruhe auf. Und größere Fische brauchen für ihren Stoffwechsel im Verhältnis mehr Energie als kleinere.

Abgesehen davon findet ab Anfang September die Wanderung der Blankaale ins Meer statt. Diese haben die Umwandlung zur Geschlechtsreife bereits begonnen und machen sich nun auf den Weg zurück zum Laichplatz im Westatlantik, im so genannten Sargasso-Meer. Blankaale fressen zwar nur wenig, aber auch diese besonders kräftigen Tiere gehen immer mal wieder an den Angelhaken. Grund genug also, als Aalangler dem miesen Herbstwetter zu trotzen.

Bedrängte Fernwanderer

Doch leider gibt es diese Möglichkeit vielerorts nicht mehr. Der Europäische Aal steht mittlerweile auf der Roten Liste, und es ist zu befürchten, dass er davon vorerst nicht mehr runter kommt. Biologen der internationalen Artenschutzorganisation IUCN stufen Anguilla anguilla sogar schon als "kritisch gefährdet" ein. Die Aalpopulationen sind zwar noch nicht gänzlich zusammengebrochen, ihre Bestände sind aber auf einen Bruchteil ihrer ursprünglichen Größe geschrumpft.

Nach einer aktuellen britischen Studie zum Beispiel ist die Populationsdichte im Mündungsgebiet des Flusses Severn, ein ehemals hervorragendes Aalgewässer, seit 1980 um 99 Prozent zurückgegangen. Auf dem Kontinent, auch in Deutschland, sieht es oft nicht besser aus. Dort, wo noch viele Aale vorkommen, werden sie meist schon seit Jahren als Jungtiere ausgesetzt. Der Fischerei zuliebe.

Schutzregelungen bedienen politische Interessen

Die Alarmsignale wurden nicht gänzlich überhört. Ein effektives, EU-weites Aalschutzprogramm ist nach wie vor Zukunftsmusik, aber es gibt bereits einige strenge Regulierungen. So hat die baden-württembergische Landesregierung den Aalfang in Teilen von Rhein und Neckar bis Ende 2012 komplett untersagt. Eine Verlängerung dieser Sperre ist zu erwarten. In manchen anderen Bundesländern gibt es nun monatelange Schonzeiten.

Norwegen hat ein vollständiges Fangverbot erlassen, während in Schweden und den Niederlanden die Aalfischerei nur für Angler tabu ist. Berufsfischer dürfen dort weiterhin ihre Reusen aufstellen, auch wenn sie viel mehr Aale entnehmen als ihre Freizeitkollegen. Aus fischereibiologischer Sicht ist eine solche Regelung natürlich unsinnig. Sie bedient lediglich politischen Interessen.

Massenjagd auf die Glasaale

Die Gründe für den jahrzehntelangen Aalschwund sind komplex und nach wie vor Thema hitziger Expertendebatten. Eine wichtige Ursache dürfte gleichwohl der massenhafte Fang von Glasaalen sein. Er findet vor allem in Frankreich, Spanien, Portugal und Großbritannien statt. Die jungen Aale haben als Larven in einer etwa vierjährigen Reise den Atlantik überquert und wollen jetzt die Flüsse hinauf wandern. Wenn man sie lässt. Denn die Kleinfische sind inzwischen schon fast Gold wert. In Ostasien gelten Aale als besonders beliebte Speisefische, und die Bestände der dort heimischen Arten sind ebenfalls erheblich geschrumpft. Chinesische und japanische Aalmast-Betriebe zahlen deshalb locker 1000 Euro für ein Kilo lebendiger Glasaale. Ein Zig-Millionenmarkt.

Die Glasaalfischer sägen jedoch im Eiltempo an dem Ast, auf dem sie selbst und viele andere sitzen. Wenn schon die Jungtiere massiv überfischt werden, erreichen immer weniger geschlechtsreife Aale die östlich der Bahama-Inseln gelegenen Laichgründe. Der Gesamtbestand schrumpft stetig weiter. Die EU hat sich bislang noch nicht dazu durchringen können, diesen Unfug zu beenden. Es sollen nur die Exportmengen weiter eingegrenzt und mehr als die Hälfte der an den Küsten gefangenen Glasaale zu Aufstockungszwecken in europäischen Binnengewässern eingesetzt werden.

Krankheiten und Umweltverschmutzung

Forscher haben allerdings noch ein Reihe weiterer potentieller Ursachen für das Verschwinden der schlangenähnlichen Fische ausgemacht. Anguillicola crassus ist eine davon. Diese parasitischen Würmer wurden 1982 nach Europa eingeschleppt und haben sich seitdem rasant ausgebreitet. Sie nisten sich in der Schwimmblase der Aale ein. Der Wirt übersteht den Befall, zumindest solange er im Süßwasser oder in den Küstengewässern lebt. Aber was passiert während der langen Wanderung zurück ins Sargasso-Meer? Gut möglich, dass die blinden Passagiere auf der kräftezehrenden Wanderung zu viele Ressourcen für sich beanspruchen und der Aal deshalb sein Ziel nie erreicht.

Ein ähnliches Problem könnte durch Giftstoffe auftreten. Im vergangenen Jahrhundert wurden zahlreiche Seen und Flüsse tonnenweise mit Chemie wie zum Beispiel den gefürchteten polychlorierten Biphenylen (PCB) verschmutzt, und auch heute noch landen solche Stoffe in zu großen Mengen in der Umwelt. Oder sie lagern im Bodenschlamm. Aale nehmen solche Substanzen über die Nahrungskette auf und reichern sie vor allem in ihrem Fettgewebe an – ihr Treibstoffvorrat für die Rückreise nach Westen. Wenn sie diese während der Tour verbrauchen, gelangen PCB & Co. konzentrierter wieder in den Stoffwechsel. Der Fisch vergiftet sich dann womöglich selbst.

In den Turbinen der Kraftwerke regelrecht zerhäckselt

Die Liste der Gefahren ist noch länger. Wasserkraftwerke gelten unter Fachleuten zurecht als Aalkiller. Wenn die Tiere stromabwärts wandern, geraten sie zu Tausenden in die Turbinen. Nur wenige kommen heil durch. Dieses Problem ließe sich technisch lösen, doch die Energieunternehmen drücken sich bisher vor den Kosten. Am Neckar beauftragt die Betreiberin der Kraftwerke, eine Tochtergesellschaft der En-BW, stattdessen den Berufsfischer Götz Kuhn. Er fängt die wanderbereiten Blankaale im Herbst mit Elektrofischerei-Geräten ein und transportiert sie per Auto zum Rhein. Von dort haben die Fische weitgehend freie Bahn bis in die Nordsee. Der Erfolg solcher Aktionen dürfte gleichwohl minimal sein. Zu gering scheint die Anzahl der so geretteten Tiere.

Es mag weitere Faktoren geben, die den Aal in Bedrängnis bringen. Manche Forscher haben den Klimawandel und sich verändernde Ozeanströmungen im Verdacht. Dadurch würden nicht mehr genug Glasaale unseren Kontinent erreichen. Fischer dagegen zeigen immer wieder auf den Kormoran. Die schwarzen Vögel müssen ständig als Sündenbock für allerlei fischereiökologische Probleme herhalten. Mehrere wissenschaftliche Studien haben jedoch gezeigt, dass Aale im Kormoran-Speiseplan nur eine untergeordnete Rolle spielen. Auch aus biologischer Sicht wäre es völlig unlogisch anzunehmen, die Vögel würden die Fische ausrotten. Beide Spezies verbinden hunderttausende Jahre Koexistenz und gemeinsame Evolution. Mindestens.

Angler mit schuld am Aalsterben?

Und wir Angler? Manche von uns schimpfen lautstark über die Fangverbote und Einschränkungen. Einerseits verständlich, denn die Zunft der Petrijünger hat mit ihren geringen Fangzahlen den Aalschwund gewiss nicht ausgelöst. Aber das Problem ist nun mal in der Welt und lässt sich nicht kleinreden. Und jeder Aal, der im Wasser bleibt und vielleicht doch irgendwann die Laichplätze erreicht, ist ein Fünkchen Hoffnung. Eine Erholung der Bestände könnte sich, wenn geeignete Schutzmaßnahmen durchgesetzt werden, in 20 Jahren erzielen lassen, meinen IUCN-Experten. Das sollte es uns wert sein.

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